Helmholtz-Gleichung
Die Helmholtz-Gleichung (nach Hermann von Helmholtz)[1] ist eine partielle Differentialgleichung. Sie lautet:
in einem Gebiet mit vorgegebenen Randbedingungen auf dem Rand . Dabei ist der Laplace-Operator, die Lösungsfunktion (Eigenfunktion) und der Eigenwert. Die Gleichung ist ein kontinuierliches Analogon zum diskreten Eigenwertproblem. In der Regel wird die Gleichung von unendlich vielen Eigenwerten und zugehörigen Eigenfunktionen gelöst. Im Spezialfall kartesischer Koordinaten mit dem Index und der Anzahl der (räumlichen) Dimensionen besitzt der Laplace-Operator die Gestalt
- .
Die Helmholtz-Gleichung ist eine homogene partielle Differentialgleichung (PDGL) zweiter Ordnung aus der Klasse der elliptischen PDGL. Sie ergibt sich auch z. B. aus der Wellengleichung nach Trennung der Variablen und Annahme harmonischer Zeitabhängigkeit. Im eindimensionalen Fall ist die Gleichung vom Typ einer gewöhnlichen Differentialgleichung.
In Fall reduziert sich die Gleichung zur Laplace-Gleichung. Wird die rechte Seite der Gleichung durch eine Funktion −f ersetzt, so wird die resultierende Gleichung, eine Poisson-Gleichung, inhomogen.
Reduktion von partiellen Differentialgleichungen auf die Helmholtz-Gleichung
Wie eingangs angedeutet, können durch Trennung der Veränderlichen einige in der Physik vorkommende partielle Differentialgleichungen auf die Helmholtz-Gleichung und eine Gewöhnliche Differentialgleichung in der Zeit zurückgeführt werden:[2]
- Laplace-Gleichung ,
- Diffusionsgleichung ,
- Ungedämpfte Wellengleichungen des Kontinuums oder
- Gedämpfte Wellengleichungen , und die
- Leitungsgleichung .
Dazu wird der Produktansatz mit einer nur vom Ort abhängigen Funktion und einer nur von der Zeit abhängigen Funktion eingesetzt.
Die Laplace-Gleichung entsteht mit .
Bei der Diffusionsgleichung ergibt sich aus dem Ansatz
wo der aufgesetzte Punkt die Zeitableitung symbolisiert. Weil die linke Seite nur vom Ort und die rechte Seite nur von der Zeit abhängt, müssen auf beiden Seiten Konstanten stehen:
Somit ist die Diffusionsgleichung überführt in die Helmholtz-Gleichung für und eine Gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung in der Zeit für .
In gleicher Weise entsteht aus der ungedämpften Wellengleichung
- ,
und aus der gedämpften
- .
Bei der Leitungsgleichung kommt noch der Term hinzu mit dem Ergebnis
- .
Die Lösung der Helmholtz-Gleichung hängt vom Ort und den Randbedingungen ab, wohingegen die Differentialgleichung für T bei jedem Aufgabentyp immer dieselbe ist.
Die Lösung der Diffusionsgleichung ist immer von der Form
- ,
wo ex die e-Funktion ist, sodass die Funktion exponentiell mit der Zeit abnimmt. Die ungedämpfte Wellengleichung setzt sich immer aus dem Sinus und Cosinus zusammen, beispielsweise:
- .
So ergibt sich die Schwingung des geraden Stabes, siehe Navier-Cauchy-Gleichungen. Bei der gedämpften Schwingung lautet die Lösung
- mit ,
wo drei Fälle zu unterscheiden sind:
- Bei überkritischer Dämpfung mit hat die Lösung die gleiche Gestalt wie beim Diffusionsproblem, sodass die Funktion exponentiell mit der Zeit gegen null geht.
- Bei unterkritischer Dämpfung ist , die Lösung eine exponentiell mit der Zeit abklingende Welle, und die lässt sich mit Konstanten A und B beschreiben mit
- und
- Bei kritischer Dämpfung wird , sodass die Lösung
- lautet, die schnell mit der Zeit abnimmt.
Die Poisson-Gleichung kann durch Substitution auf die Laplace und Helmholtz-Gleichung zurückgeführt werden, wenn gefunden wird, sodass ist.
Ebene Wellen in viskositätsfreien Fluiden

Die Helmholtz-Gleichung wird in der xy-Ebene von Wellenfunktionen der Form mit beliebigem Wellenvektor und beliebiger Amplitude gelöst.[3] Diese Lösung hat im Fall der Stromfunktion eine anschauliche Bedeutung: Eine Überlagerung von solchen Wellen mit , beliebiger Konstante c und sowie gleichen Amplituden ergibt parallele Streifen, periodisch rechts und links drehende Wirbel oder bei kompliziertere Strukturen, die eine -zählige Rotationssymmetrie aufweisen. Erhält jede der summierten Wellen eine eigene, zufällig gewählte Amplitude , dann können sich unregelmäßige Wirbelstrukturen ergeben, siehe Bild.
Die Funktionen „sin“ und „cos“ berechnen den Sinus und Cosinus. Die allgemeine Struktur dieser Lösung ist
mit
- der e-Funktion ex,
- der imaginären Einheit i und
- Konstanten .
Beispiel: Partikuläre Lösung der inhomogenen Maxwellgleichungen
Eine Anwendung aus der Physik ist z. B. die Lösung der inhomogenen Maxwellgleichungen (Maxwellgleichungen mit Strömen und Ladungen). Aus diesen folgen in Gaußschen Einheiten mit der Lorenz-Eichung
die inhomogenen Wellengleichungen für das elektrische Skalarpotential sowie für das magnetische Vektorpotential :
(hier für die einzelnen Komponenten mit: )
Exemplarisch wird nun die Lösung für durchgeführt, die Herleitung für geht analog.
Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichungen ist die Linearkombination der allgemeinen Lösung der dazugehörigen homogenen DGL sowie einer partikulären Lösung der inhomogenen DGL:
Die Lösung der homogenen DGL sind die elektromagnetischen Wellen; wir beschränken uns hier auf die Herleitung einer partikulären Lösung.
Um die Wellengleichung auf die Helmholtz-Gleichung zurückzuführen, betrachten wir die Fourier-Transformation von und bezüglich :
Einsetzen in die Wellengleichung liefert:
Beide Integranden müssen gleich sein, da die Fourier-Transformation bijektiv ist:
Für die homogene Wellengleichung erkennen wir mit die Helmholtz-Gleichung wieder.
Zur Lösung der inhomogenen Gleichung kann eine Greensche Funktion verwendet werden, welche die Gleichung
erfüllt.
Diese lautet:
Physikalisch beschreibt diese Funktion eine Kugelwelle.
Damit erhalten wir für die gesamte Ladungsverteilung:
Dieses Ergebnis setzen wir in die Fourierdarstellung von ein und erhalten
Mit folgt:
Dies ist die gesuchte partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung. Für folgt analog:
Die physikalische Bedeutung ist, dass das zur Zeit am Ort beobachtete Potential von Ladungen bzw. Strömen zur Zeit am Ort verursacht wurde.
Diskussion: Retardierte und avancierte Lösung
Noch steht das Vorzeichen im Argument nicht fest. Physikalisch scheint aber plausibel, dass die zeitliche Änderung einer Ladungsverteilung bei erst zu einem späteren Zeitpunkt bei beobachtet werden kann, da sich elektromagnetische Wellen mit der (konstanten) Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Daher wählen wir das Minuszeichen als physikalisch praktikable Lösung:
Man nennt das Potential bei Wahl des Minuszeichens auch retardiertes Potential. Wählt man das Pluszeichen, so spricht man vom avancierten Potential.
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Richard Courant, David Hilbert: Methoden der mathematischen Physik I (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band XII). Julius Springer, Berlin 1924 (450 S., online). Siehe Kapitel V Schwingungen und Eigenwertprobleme der mathematischen Physik ab S. 221. Der hier behandelte Gleichungstyp wird explizit u. a. im Abschnitt § 7 dieses Kapitels unter der Überschrift Die schwingende Membran ab S. 245 behandelt. Der Name Helmholtz-Gleichung tritt nicht auf.
- Richard Courant, David Hilbert: Methoden der mathematischen Physik II (Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungsgebiete. Band XLVIII). Julius Springer, Berlin 1937 (549 S., online). In diesem Band werden praktische Lösungsmethoden von Gleichungen auch dieses Typs erläutert. Insbesondere sei auf das Kapitel VII Lösungen der Rand- und Eigenwertprobleme auf Grund der Variationsrechnung ab S. 471 verwiesen.
Anmerkungen
- In der mathematischen Physik wird der Name Helmholtz-Gleichung sehr selten verwendet. Auch ist keine Arbeit von Helmholtz bekannt, die diese Namensgebung rechtfertigen würde. Helmholtz beschäftigte sich 1858 bis 1861 mit Tonempfindung und dem Helmholtz-Resonator, also Schwingungsproblemen in der Luft, siehe Handbuch zur Geschichte der Naturwissenschaften und Technik. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1908, S. 580–609 (wikimedia.org [PDF; abgerufen am 10. April 2024]).
- P. Moon, D.E. Spencer: Field Theory Handbook. Including Coordinate Systems, Differential Equations and Their Solutions. 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1971, ISBN 3-540-02732-7, S. 3 ff.
- M. Bestehorn: Hydrodynamik und Strukturbildung. Springer, Berlin, Heidelberg u. a. 2006, ISBN 978-3-540-33796-6, S. 74 f.