Zwei-Deutschland-Theorie

Die Zwei-Deutschland-Theorie diente vor allem während des Ersten und Zweiten Weltkriegs der philosophischen und politischen Standortbestimmung. Sie differenzierte zwischen einem „Germany of man like ourselves“ gegenüber einem „Germany of men of the war party“[1] und fand hauptsächlich in Frankreich und England Vertreter sowie – in der späteren Rezeption – auch in Deutschland.

Gerade in Kriegszeiten wurde ein geschlossenes Feindbild als gesellschaftlicher Konsens angestrebt. Dadurch gerieten germanophile Bürger in den jeweiligen Ländern in Erklärungsnot, galten sie doch in ihre Verehrung für deutsches Kulturgut in der Öffentlichkeit als Sympathisanten des Kriegsgegners.

Am Grad der Zustimmung zur Zwei-Deutschland-Theorie in Parlamenten lässt sich die Position in der Außenpolitik gegenüber Deutschland auch in Friedenszeiten bestimmen.[2]

Während des Ersten Weltkriegs bedeutete die Zwei-Deutschland-Theorie im politischen Sinn „…die Trennung von Weimar und Potsdam…“[3], also die Unterscheidung zwischen einem kulturell und einem militaristisch orientierten Deutschland.

Im philosophischen Kontext unterscheidet die Zwei-Deutschland-Theorie „zwischen einer positiv verstandenen philosophischen Tradition Deutschlands, der je nach Präferenz Kant und/oder Fichte und Hegel zugeordnet wurden.“[4]

Auch während des Zweiten Weltkriegs diente die Zwei-Deutschland-Theorie zur politischen Positionsbestimmung.[5] Die deutschen Exilanten waren in zwei Lager gespalten. Einerseits den Anhängern des Vansittartismus, also der Kollektivschuldthese und auf der anderen Seite die Meinung, dass die Existenz eines nicht-faschistischen Deutschlands, einem sogenannten „anderen Deutschland“, nicht auszuschließen ist. Da der Begriff des „anderen Deutschlands“ nicht genau definiert werden konnte, einigte sich dieses Lager auf den gemeinsamen Bezug auf die Zwei-Deutschland-Theorie.[6]

Als Vertreter der Zwei-Deutschland-Theorie gelten u. a. Bertolt Brecht[7], Paul Tillich[8], Jean Giraudoux[9], Amy Buller, Madeleine Kent, Nora Waln[10] und Evelyn Wrench.[11]

Einzelnachweise

  1. Peter Hoeres: Krieg der Philosophen. Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg, Paderborn: Schöningh 2004, ISBN 3-506-71731-6, S. 118.
  2. Frankreich und Deutschland: das Deutschlandbild im französischen Parlament 1919–1933, Frano Ilić, Münster LIT 2004
  3. Peter Hoeres, Krieg der Philosophen…, S. 126.
  4. Peter Hoeres: Krieg der Philosophen…, S. 131.
  5. Herr Hitler in Germany: Wahrnehmung und Deutungen des Nationalsozialismus in Großbritannien 1920 bis 1939, Detlev Clemens, Vandenhoeck & Ruprecht Zürich, 1996.
  6. Matthias Wolbold: Reden über Deutschland. Die Rundfunkreden Thomas Manns, Paul Tillichs und Sir Robert Vansittarts aus dem Zweiten Weltkrieg. Reihe Tillich-Studien, 17. Lit, Münster 2005, ISBN 3-8258-9024-4.
  7. Die literarische Republik: westdeutsche Schriftsteller und die Politik, Helmut L Müller, Weinheim u. a. Beltz, 1982
  8. Winfrid Halder: Exilrufe nach Deutschland. Die Rundfunkreden von Thomas Mann, Paul Tillich und Johannes R. Becher 1940 – 1945. Tillich-Studien, Beiheft, Lit, Münster 2002, ISBN 3825858758.
  9. Franz Knipping & Ernst Weisenfeld: Eine ungewöhnliche Geschichte. Deutschland und Frankreich seit 1870. Europa-Union, Bonn 1988
  10. Nora Waln: Nach den Sternen greifen. Deutschland, Österreich und Tschechoslowakei 1934–1938. (Kommentierte und erweiterte Neuausgabe). Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2014, ISBN 978-3-9232113-2-6 pdf, 280 Seiten, 2,6 MB. Ersterscheinung: Reaching for the Stars, als Serie in The Atlantic Monthly ab Januar 1939; nichtidentische Buchausgaben: Boston/London 1939
  11. Angela Schwarz: Die Reise ins Dritte Reich. Britische Augenzeugen im nationalsozialistischen Deutschland 1933 – 1939. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1993, S. 156.
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