Sinkkasten (Frankfurt am Main)

Der Sinkkasten Artsclub (Eigenschreibweise: sinkkasten arts club, zwischenzeitlich auch nur Sinkkasten) war ein Musiklokal in Frankfurt am Main, das von dem „Arts Club Sinkkasten e. V.“ betrieben wurde. Der Verein wurde 1971 von Studenten als Musikclub gegründet und entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer Konzertstätte von überregionaler Bedeutung. Ende 2011 wurde das Lokal aufgrund von Insolvenz geschlossen. Seit 2012 befand sich an gleicher Stelle bis zum Verkauf des Gebäudes während der Covid-19-Epidemie Ende Dezember 2021 das Musiklokal Zoom.[1]

Das Lokal in der Brönnerstraße (2007).

Geschichte

Entstehung und Grundidee

Manu Dibango (1982).

Anfang der 1970er Jahre bestanden die Beschäftigungsmöglichkeiten in Frankfurt im Wesentlichen aus konservativen und entsprechend teuren Angeboten, sowohl im kulturellen wie im Freizeitbereich. Junge Leute mussten notgedrungen nach Alternativen suchen. Am Beispiel des Jugendclubs Aquarius zeigte sich, dass es möglich war, ein von Studenten für junge Leute geschaffenes weitgehend musikalisches Angebot vorzuhalten. Betrieben wurde die Initiative von den BWL-Studenten Detlef Christoph und Werner Vogel und der Grafikerin Marianne Christoph, die in der Frankfurter Innenstadt in einem alten leerstehenden Kellergewölbe in der Mainstraße 2, nicht weit vom Aquarius, etwas ähnliches starten wollten. Dabei sollten vor allem kulturelle Veranstaltungen verschiedener Art zu moderaten Preisen angeboten werden.

Verwirklichung des Projektes

Zuerst galt es, das Kellergewölbe zu säubern und für den neuen Zweck herzurichten. Dies geschah größtenteils in Eigenarbeit mit umfangreicher Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung des New Orleans Jazz (GfN). Der damalige Oberbürgermeister Walter Möller erteilte die Genehmigung des Ordnungsamtes. Das Kulturamt unter Hilmar Hoffmann stand dem Projekt zur Seite. Mit finanzieller Unterstützung der Passavantwerke (einer Eisengießerei), die auch die als Lampen verwendeten Sinkkästen lieferten, und vieler anderer ehrenamtlicher Mitarbeiter konnte der Musikkeller des Sinkkasten Artsclubs e. V. im April 1971 geöffnet werden. Die beiden Christophs und Vogel wurden in den Vorstand gewählt. Zur Eröffnung zog die New Orleans Brassband durch Frankfurt-Sachsenhausen über die Mainbrücke bis in die Mainstraße. Ökonomische Grundlage waren damals eine für einen Monat gültige Mitgliedskarte zu 3,- DM und der Getränkeumsatz zu verhältnismäßig niedrigen Preisen, was vor allem bei den Jugendlichen begrüßt wurde und andererseits dazu führte, dass die Künstler bereit waren, zu entsprechend akzeptablen Preisen aufzutreten.

Weiterentwicklung und Umzug in neue Räume

Anfangs lieferten, beraten durch Dieter Nentwig, die örtlichen Jazzbands den größten Teil des Programms, es gab aber auch bereits Fotoausstellungen, Gemäldeausstellungen z. B. von Strafgefangenen, Gastspiele der Marionettenbühne Fulda (Gerhard Hoßner, 1940–1988), Pantomime von Duzan Parizek, ein Happening mit Otto Muehl, Auftritte meist örtlicher Rockbands, Theateraufführungen sowie Filmvorführungen von Filmen, die in den Kinos nicht gezeigt wurden. Aufgrund des auch in diversen Zeitschriften veröffentlichten Monatsprogramms nahm die Zahl der an einem Auftritt im Sinkkasten interessierten Künstler aus dem In- und Ausland rasant zu. Bald gastierten im Sinkkasten Künstler wie Rahsaan Roland Kirk, Memphis Slim und Herbie Mann.

Über dem Kellergewölbe befanden sich damals fünf Etagen mit Wohnungen. Einige davon litten unter erheblichen Lärmbelästigungen, was häufig zum Einschreiten des Ordnungsamtes führte. Das Weiterbestehen des inzwischen bekannt gewordenen Lokals wurde in Frage gestellt, zumal der wesentlichste Befürworter, Oberbürgermeister Walter Möller, überraschend verstorben war. Mit Unterstützung des Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann fand man schließlich neue Räumlichkeiten im ersten Obergeschoss der zentral gelegenen Brönnerstraße, wo zuvor bereits das Jazzlokal Storyville und der Musikclub Zoom betrieben worden waren.[2] Diese konnten aufgrund einer Mietsubventionierung seitens des Kulturamtes bzw. der Saalbau GmbH auch bezahlt werden.

Die Stadt Frankfurt honorierte das bisherige Wirken des Sinkkasten, indem sie die Räumlichkeiten zweckentsprechend und nach den Wünschen der verbliebenen Betreiber Marianne und Detlef Christoph auf eigene Kosten umbauen und ausgestalten ließ. Der Umzug erfolgte 1979. Die Sinkkastenbetreiber revanchierten sich, indem sie für das Kulturamt die Programmgestaltung der Veranstaltungsreihe Jazz im Museum ehrenamtlich übernahmen. Bereits seit Mitte der 1970er wurde dem Museumsbesucher kostenlos am Sonntagmittag Jazz- und Blueskonzerte im Innenhof des Historischen Museums näher gebracht, ganz im Sinne von Hoffmanns Leitmotiv Kultur für alle. Die technische Organisation hatte damals der im Kulturamt tätige Dieter Buroch übernommen.

Im neuen Lokal des Sinkkasten gab es weiterhin Kunstausstellungen neben dem normalen Bühnenbetrieb, es gab auch einige Modellier- und Malworkshops unter fachlicher Anleitung, und schließlich im Rahmen eines Theaterfestivals auch Pantomimenworkshops. Finanziert wurden die Projekte vom Monatsbeitrag von inzwischen 7,- DM und dem Getränkeausschank, der einen großen Teil der monatlichen Kosten deckte. Neben Bühnensaal und Ausstellungsraum gab es noch eine kleine Küche und ein lichtdurchflutetes Café, Café Treibhaus genannt. Dieses war mit antiken Möbeln und Lampen, vielen Grünpflanzen und einem Wandgemälde ausgestattet, das den Blick in den Frankfurter Palmengarten wiedergab. Das Umfeld sollte den alternativen Charakter des Sinkkasten unterstreichen. Die Betreiber versuchten bereits 1980, die Besucher vom Rauchen abzubringen. Sie ließen den Zigarettenautomaten entfernen und boten den Umtausch von Zigaretten gegen Süßigkeiten an.

Auch aufgrund des größeren Fassungsvermögens konnten nun neben Künstlern aus Deutschland viele internationale Künstler von Weltrang präsentiert werden, was dem Sinkkasten internationales Ansehen einbrachte. Der langjährige Mitarbeiter Rudolf Link übernahm 1983 die Geschäftsführung und delegierte teilweise die Programmgestaltung an andere Mitarbeiter, was neben der im Laufe der Jahre gewandelten Kulturszenerie dem Sinkkasten nach geraumer Zeit ein anderes Gepräge gab.

Im Jahr 1998 zog sich die Saalbau GmbH, die Mieter der Räume war, im Zuge der Schließung verschiedener Bürgerhäuser aus dem Mietvertrag zurück. Die Betreiber wurden nun selbst Mieter, um den Club weiterzuführen zu können. Gleichzeitig erhöhte sich der Mietzins erheblich. Eine Mietunterstützung seitens der Stadt gab es in einem geringen Umfang, bis auch diese im Jahre 2002 versandete. In den Folgejahren waren die Betreiber gezwungen, höhere Eintrittspreise pro Veranstaltung zu verlangen, um die Künstler und die Miete bezahlen zu können. Das nahm vielen unbekannten Neulingen der kulturellen Szene die Möglichkeit, sich auf der Bühne des Sinkkastens vor einem Zufallspublikum zu präsentieren. Die Diskoveranstaltungen wurden ein wesentlicher Faktor zur Steigerung der Einnahmen.

Kurz nach dem 40. Geburtstag des Sinkkastens hat „die Geschäftsleitung des Sinkkasten Arts Club am 27. Mai 2011 beim Amtsgericht Frankfurt am Main Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt“ (Detlef Kinsler, Journal Frankfurt vom 3. Juni 2011). Am 22. Dezember 2011 wurde durch den Insolvenzverwalter bekanntgegeben, dass das Lokal zum Jahresende geschlossen werde, da der Mietvertrag nicht verlängert wurde. In der Silvesternacht auf Neujahr 2012 fand die letzte Veranstaltung im Sinkkasten statt.

Gastspiele (Auswahl)

Programmplakate in der Brönnerstraße (2007).
Alter Sinkkasten, Mainstraße 2
Champion Jack Dupree & Mickey Baker im alten Sinkkasten
Lester Bowie Group
Modern Jazz und Blues
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1971, 1973, 1977Big Joe WilliamsUSA
1971, 1974Memphis SlimUSA
1972Baby Boy Warren & Boogie Woogie RedUSA
1972Lightnin’ SlimUSA
1972Little Brother MontgomeryUSA
1972, 1983, 1985,
1986, 1988
Jan GarbarekNorwegen
1972–1987Champion Jack DupreeUSA
1973Homesick JamesUSA
1973PassportDeutschland
1973, 1975Oscar BentonNiederlande
1973, 1975, 1976Slide HamptonUSA
1973, 1975, 1977,
1978, 1982
Blind John DavisUSA
1973, 1976Sonny Terry & Brownie McGheeUSA
1973, 1976, 1977,
1979
Albert MangelsdorffDeutschland
1974Bukka WhiteUSA
1974Cousin Joe PleasantUSA
1974Eddie TaylorUSA
1974Herbie MannUSA
1974Roosevelt SykesUSA
1974, 1975, 1977,
1979
Willie MabonUSA
1974, 1976Inge BrandenburgDeutschland
1974, 1977Eddie Boyd BluesbandUSA
1975, 1977Eddie VinsonUSA
1975, 1977, 1980,
1983
Dexter GordonUSA
1975, 1978Sunnyland SlimUSA
1976Charles MingusUSA
1976Rahsaan Roland KirkUSA
1976Robert Pete WilliamsUSA
1976, 1977, 1981Pharoah SandersUSA
1976, 1978, 1980Chet BakerUSA
1976, 1978, 1980,
1981
Elvin JonesUSA
1976, 1978, 1981,
1984
Joe HendersonUSA
1977, 1978Cecil TaylorUSA
1977, 1978, 1979,
1981
Art BlakeyUSA
1977, 1979Yusef LateefUSA
1977, 1979, 1980Johnny GriffinUSA
1977, 1980Archie SheppUSA
Modern Jazz und Blues
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1977, 1982Louisiana RedUSA
1977–1985Abdullah IbrahimSüdafrika
1977–1991Alphonse MouzonUSA
1978Clark TerryUSA
1978Floyd DixonUSA
1978, 1979Little Willie LittlefieldUSA
1978, 1981, 1986Carla Bley BigbandUSA
1978, 1982Art Ensemble of ChicagoChicago
1979Freddie HubbardUSA
1979Leon ThomasUSA
1980Albert CollinsUSA
1980Albert KingUSA
1980Alexis KornerGroßbritannien
1980Sonny StittUSA
1980World Saxophone QuartetUSA
1980, 1981Otis RushUSA
1980, 1983Charlie MarianoUSA
1980, 1983, 1984,
1985, 1986, 1987
Luther AllisonUSA
1980, 1984, 1985,
1986
Airto MoreiraBrasilien
1981Billy CobhamPanama
1981Buddy GuyUSA
1981Don CherryUSA
1981Junior WellsUSA
1981Koko TaylorUSA
1981Ray BarrettoUSA
1981Taj MahalUSA
1981, 1983Manu DibangoKamerun
1981, 1983, 1984Lester BowieUSA
1981, 1985, 1991James Blood UlmerUSA
1982Eddie HarrisUSA
1982, 1983, 1985Dudu Pukwana’s ZilaSüdafrika
1983Clarence Gatemouth BrownUSA
1983Lou DonaldsonUSA
1984, 1985Sun Ra ArkestraUSA
1985Bo DiddleyUSA
1985Jimmy WitherspoonUSA
1985Katie WebsterUSA
1988Johnny CopelandUSA
Gil EvansKanada
Herbie HancockUSA
Jimmy DawkinsUSA
Long John BaldryGroßbritannien
New-Orleans-Jazz
1971Barry Martyn JazzbandLondon
1971–1987Bob Kerr’s Whoopee BandLondon
1972Geoff Bull’s Olympia Jazz BandAustralien
1972–1980Barrelhouse JazzbandFrankfurt a. M.
1973, 1974Louis NelsonLondon
1973, 1978Benny WatersUSA
1974, 1975Old Merry Tale JazzbandHamburg
1975Pasadena Roof OrchestraGroßbritannien
1975The Louisiana ShakersUSA
1976, 1982Hagaw AssociationPolen
Rockjazz
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1971–1979Dieter SeelowDeutschland
1975SaharaDeutschland
1975–1989MombasaUSA
1982, 1983, 1984,
1986
Fisherman’s WalkbandDeutschland
ShivanandaSchweiz
Folk
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1971, 1973, 1975John PearseGroßbritannien
1972Derroll AdamsUSA
1972, 1973Eddie & Finbar FureyIrland
1972, 1973, 1976Schnuckenack ReinhardtDeutschland
1972, 1974, 1975,
1976, 1981
Häns’che Weiss QuintettDeutschland
1974, 1981Marion Williams: The Stars of FaithUSA
1975Sebastião TapajósBrasilien
1976Zipflo Reinhardt Violin ImpressionDeutschland
1976, 1977The Tannahill WeaversSchottland
1977The Bothy BandIrland
1980, 1981Julian DawsonGroßbritannien
1980, 1987PiirpaukeFinland
1981, 1992Richie HavensUSA
1982Barry McGuireUSA
1983Sanjukta PanigrahiIndien
1989Arlo GuthrieUSA
1994Al StewartGroßbritannien
Fairport ConventionGroßbritannien
Rock, Pop, Salsa, Reggae
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1972Ton Steine ScherbenDeutschland
1975Keith TippettGroßbritannien
1975–1983Jim KahrUSA
1976–1981Beatles Revival BandFrankfurt a. M.
1978Jutta WeinholdDeutschland
1979Dillinger (Musiker)Jamaica
1979Tim CurryGroßbritannien
1979, 1980Spider Murphy GangMünchen
1980Kiev Stingl StereolisaDeutschland
1980, 1987Johnny and the HurricanesUSA
1982Achim ReichelDeutschland
1982Peter HammillEngland
1982Wilfrido VargasDominikanische Republik
1982, 1988Herman BroodNiederlande
1983The Touch (Band)Deutschland
1983, 1988, 1990,
1992
Mitch RyderUSA
1984Spencer DavisGroßbritannien
1984Radio ZebraUSA
1986ScrifisDeutschland
1987, 1988The Pretty ThingsGroßbritannien
1987, 1990, 1992,
1994
Canned HeatUSA
1988Junior Walker AllstarsUSA
1989Rare EarthUSA
Peter GreenGroßbritannien
RosenstolzBerlin
Rufus ThomasUSA
Theater und Show
AuftrittsjahreKünstlerHerkunft
1972, 1973, 1977,
1981, 1983
Junge Bühne 57Frankfurt a. M.
1972Ken Campbell’s RoadshowLondon
1972, 1974, 1977RationaltheaterMünchen
1972, 1974Kellertheater SandkornKarlsruhe
1978Footsbarn TheatreGroßbritannien
1979, 1983, 1985,
1987
Jango Edwards & the Friends BandUSA
1979Hallucination CompanyWien
1981–1988Johnny MelvilleGroßbritannien
1978, 1979, 1980Shusaku Dormu DancetheatreJapan
1979, 1980Erste Allgemeine VerunsicherungÖsterreich
1979, 1983Bette Bourne’s BloolipsGroßbritannien
Carl Napp’s ChaostheaterDeutschland
1982, 1983BadesalzHessen
1982DrahdiwaberlWien
1983Gardi HutterSchweiz
1991Helge SchneiderDeutschland
MundstuhlFrankfurt a. M.
Kabarett
Auftrittsjahr(e)KünstlerHerkunft
1973, 1974Franz HohlerSchweiz
1977Rolf LinnemannDeutschland
Franz Josef BognerDeutschland
1977, 1982, 1987Evelyn KünnekeDeutschland
1977Konstantin WeckerDeutschland
Kuretisch & VirchDeutschland
1978, 1979, 1982Hanns Dieter HüschDeutschland
1980Philipp SonntagDeutschland
1980Bruno JonasDeutschland
1982Tschiersch & FischerDeutschland
1987Die 3 TornadosDeutschland
Autorenlesungen
Auftrittsjahr(e)Autor
1973Theodor Weißenborn
1973, 1975Gerhard Zwerenz
1975Peter Turini
1975Alice Schwarzer
1975Volker Spengler

Literatur

  • Jürgen Schwab, Harald Hertel: Der Frankfurt Sound: eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n), Societätsverlag, 2004, ISBN 978-3-7973-0888-7, S. 207 ff.
  • Anspruchsvoll und unprätentiös Der „Sinkkasten“ – das Urgestein der Club-Szene. In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. Januar 1998, S. 45
Commons: Sinkkasten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Club Zoom umgezogen, FAZ, 22. Mai 2022
  2. Neuer Betreiber: Aus Sinkkasten wird Zoom, Frankfurter Rundschau, 17. Januar 2012
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