Sinkkasten (Frankfurt am Main)
Der Sinkkasten Artsclub (Eigenschreibweise: sinkkasten arts club, zwischenzeitlich auch nur Sinkkasten) war ein Musiklokal in Frankfurt am Main, das von dem „Arts Club Sinkkasten e. V.“ betrieben wurde. Der Verein wurde 1971 von Studenten als Musikclub gegründet und entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer Konzertstätte von überregionaler Bedeutung. Ende 2011 wurde das Lokal aufgrund von Insolvenz geschlossen. Seit 2012 befand sich an gleicher Stelle bis zum Verkauf des Gebäudes während der Covid-19-Epidemie Ende Dezember 2021 das Musiklokal Zoom.[1]
Geschichte
Entstehung und Grundidee
Anfang der 1970er Jahre bestanden die Beschäftigungsmöglichkeiten in Frankfurt im Wesentlichen aus konservativen und entsprechend teuren Angeboten, sowohl im kulturellen wie im Freizeitbereich. Junge Leute mussten notgedrungen nach Alternativen suchen. Am Beispiel des Jugendclubs Aquarius zeigte sich, dass es möglich war, ein von Studenten für junge Leute geschaffenes weitgehend musikalisches Angebot vorzuhalten. Betrieben wurde die Initiative von den BWL-Studenten Detlef Christoph und Werner Vogel und der Grafikerin Marianne Christoph, die in der Frankfurter Innenstadt in einem alten leerstehenden Kellergewölbe in der Mainstraße 2, nicht weit vom Aquarius, etwas ähnliches starten wollten. Dabei sollten vor allem kulturelle Veranstaltungen verschiedener Art zu moderaten Preisen angeboten werden.
Verwirklichung des Projektes
Zuerst galt es, das Kellergewölbe zu säubern und für den neuen Zweck herzurichten. Dies geschah größtenteils in Eigenarbeit mit umfangreicher Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung des New Orleans Jazz (GfN). Der damalige Oberbürgermeister Walter Möller erteilte die Genehmigung des Ordnungsamtes. Das Kulturamt unter Hilmar Hoffmann stand dem Projekt zur Seite. Mit finanzieller Unterstützung der Passavantwerke (einer Eisengießerei), die auch die als Lampen verwendeten Sinkkästen lieferten, und vieler anderer ehrenamtlicher Mitarbeiter konnte der Musikkeller des Sinkkasten Artsclubs e. V. im April 1971 geöffnet werden. Die beiden Christophs und Vogel wurden in den Vorstand gewählt. Zur Eröffnung zog die New Orleans Brassband durch Frankfurt-Sachsenhausen über die Mainbrücke bis in die Mainstraße. Ökonomische Grundlage waren damals eine für einen Monat gültige Mitgliedskarte zu 3,- DM und der Getränkeumsatz zu verhältnismäßig niedrigen Preisen, was vor allem bei den Jugendlichen begrüßt wurde und andererseits dazu führte, dass die Künstler bereit waren, zu entsprechend akzeptablen Preisen aufzutreten.
Weiterentwicklung und Umzug in neue Räume
Anfangs lieferten, beraten durch Dieter Nentwig, die örtlichen Jazzbands den größten Teil des Programms, es gab aber auch bereits Fotoausstellungen, Gemäldeausstellungen z. B. von Strafgefangenen, Gastspiele der Marionettenbühne Fulda (Gerhard Hoßner, 1940–1988), Pantomime von Duzan Parizek, ein Happening mit Otto Muehl, Auftritte meist örtlicher Rockbands, Theateraufführungen sowie Filmvorführungen von Filmen, die in den Kinos nicht gezeigt wurden. Aufgrund des auch in diversen Zeitschriften veröffentlichten Monatsprogramms nahm die Zahl der an einem Auftritt im Sinkkasten interessierten Künstler aus dem In- und Ausland rasant zu. Bald gastierten im Sinkkasten Künstler wie Rahsaan Roland Kirk, Memphis Slim und Herbie Mann.
Über dem Kellergewölbe befanden sich damals fünf Etagen mit Wohnungen. Einige davon litten unter erheblichen Lärmbelästigungen, was häufig zum Einschreiten des Ordnungsamtes führte. Das Weiterbestehen des inzwischen bekannt gewordenen Lokals wurde in Frage gestellt, zumal der wesentlichste Befürworter, Oberbürgermeister Walter Möller, überraschend verstorben war. Mit Unterstützung des Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann fand man schließlich neue Räumlichkeiten im ersten Obergeschoss der zentral gelegenen Brönnerstraße, wo zuvor bereits das Jazzlokal Storyville und der Musikclub Zoom betrieben worden waren.[2] Diese konnten aufgrund einer Mietsubventionierung seitens des Kulturamtes bzw. der Saalbau GmbH auch bezahlt werden.
Die Stadt Frankfurt honorierte das bisherige Wirken des Sinkkasten, indem sie die Räumlichkeiten zweckentsprechend und nach den Wünschen der verbliebenen Betreiber Marianne und Detlef Christoph auf eigene Kosten umbauen und ausgestalten ließ. Der Umzug erfolgte 1979. Die Sinkkastenbetreiber revanchierten sich, indem sie für das Kulturamt die Programmgestaltung der Veranstaltungsreihe Jazz im Museum ehrenamtlich übernahmen. Bereits seit Mitte der 1970er wurde dem Museumsbesucher kostenlos am Sonntagmittag Jazz- und Blueskonzerte im Innenhof des Historischen Museums näher gebracht, ganz im Sinne von Hoffmanns Leitmotiv Kultur für alle. Die technische Organisation hatte damals der im Kulturamt tätige Dieter Buroch übernommen.
Im neuen Lokal des Sinkkasten gab es weiterhin Kunstausstellungen neben dem normalen Bühnenbetrieb, es gab auch einige Modellier- und Malworkshops unter fachlicher Anleitung, und schließlich im Rahmen eines Theaterfestivals auch Pantomimenworkshops. Finanziert wurden die Projekte vom Monatsbeitrag von inzwischen 7,- DM und dem Getränkeausschank, der einen großen Teil der monatlichen Kosten deckte. Neben Bühnensaal und Ausstellungsraum gab es noch eine kleine Küche und ein lichtdurchflutetes Café, Café Treibhaus genannt. Dieses war mit antiken Möbeln und Lampen, vielen Grünpflanzen und einem Wandgemälde ausgestattet, das den Blick in den Frankfurter Palmengarten wiedergab. Das Umfeld sollte den alternativen Charakter des Sinkkasten unterstreichen. Die Betreiber versuchten bereits 1980, die Besucher vom Rauchen abzubringen. Sie ließen den Zigarettenautomaten entfernen und boten den Umtausch von Zigaretten gegen Süßigkeiten an.
Auch aufgrund des größeren Fassungsvermögens konnten nun neben Künstlern aus Deutschland viele internationale Künstler von Weltrang präsentiert werden, was dem Sinkkasten internationales Ansehen einbrachte. Der langjährige Mitarbeiter Rudolf Link übernahm 1983 die Geschäftsführung und delegierte teilweise die Programmgestaltung an andere Mitarbeiter, was neben der im Laufe der Jahre gewandelten Kulturszenerie dem Sinkkasten nach geraumer Zeit ein anderes Gepräge gab.
Im Jahr 1998 zog sich die Saalbau GmbH, die Mieter der Räume war, im Zuge der Schließung verschiedener Bürgerhäuser aus dem Mietvertrag zurück. Die Betreiber wurden nun selbst Mieter, um den Club weiterzuführen zu können. Gleichzeitig erhöhte sich der Mietzins erheblich. Eine Mietunterstützung seitens der Stadt gab es in einem geringen Umfang, bis auch diese im Jahre 2002 versandete. In den Folgejahren waren die Betreiber gezwungen, höhere Eintrittspreise pro Veranstaltung zu verlangen, um die Künstler und die Miete bezahlen zu können. Das nahm vielen unbekannten Neulingen der kulturellen Szene die Möglichkeit, sich auf der Bühne des Sinkkastens vor einem Zufallspublikum zu präsentieren. Die Diskoveranstaltungen wurden ein wesentlicher Faktor zur Steigerung der Einnahmen.
Kurz nach dem 40. Geburtstag des Sinkkastens hat „die Geschäftsleitung des Sinkkasten Arts Club am 27. Mai 2011 beim Amtsgericht Frankfurt am Main Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt“ (Detlef Kinsler, Journal Frankfurt vom 3. Juni 2011). Am 22. Dezember 2011 wurde durch den Insolvenzverwalter bekanntgegeben, dass das Lokal zum Jahresende geschlossen werde, da der Mietvertrag nicht verlängert wurde. In der Silvesternacht auf Neujahr 2012 fand die letzte Veranstaltung im Sinkkasten statt.
Gastspiele (Auswahl)
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Literatur
- Jürgen Schwab, Harald Hertel: Der Frankfurt Sound: eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n), Societätsverlag, 2004, ISBN 978-3-7973-0888-7, S. 207 ff.
- Anspruchsvoll und unprätentiös Der „Sinkkasten“ – das Urgestein der Club-Szene. In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. Januar 1998, S. 45
Weblinks
- Vom Sinkkasten (Gully) über Storyville, Zoom, Sinkkasten zurück zum Zoom Geschichte einer Kulturstätte
- Sinkkasten Eine Ära geht zu Ende, FR
- Aus für eine Frankfurter Legende – Rückblick der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Dezember 2011.
Einzelnachweise
- Club Zoom umgezogen, FAZ, 22. Mai 2022
- Neuer Betreiber: Aus Sinkkasten wird Zoom, Frankfurter Rundschau, 17. Januar 2012