Milchlinge

Die Milchlinge (Lactarius) sind eine artenreiche Gattung von Pilzen aus der Familie der Täublingsverwandten. Während früher alle Arten der Täublingsverwandten mit milchendem Fleisch in diese Gattung gestellt wurden, werden einige Arten aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen heute zur Gattung Lactifluus gezählt.

Milchlinge

Edelreizker (Lactarius deliciosus)

Systematik
Unterabteilung: Agaricomycotina
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Täublingsartige (Russulales)
Familie: Täublingsverwandte (Russulaceae)
Gattung: Milchlinge
Wissenschaftlicher Name
Lactarius
Pers.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, um Milchlinge und Täublinge von anderen Pilzarten zu unterscheiden, ist der Stiel. Dieser lässt sich bei Milchlingen und Täublingen wie Apfelfleisch brechen. (Bild: Wolliger Milchling)
Der Stiel der meisten anderen Pilzarten lässt sich dagegen nur faserig zerteilen. (Bild: Sandröhrling)
Orangebrauner Milchling (Lactarius aurantiofulvus)
Indigoreizker (Lactarius indigo)

Merkmale

Die Milchlinge bilden in der Regel mittelgroße, zentral gestielte Fruchtkörper, mit konvexem bis trichterförmigem Hut. Die Oberfläche der Huthaut kann kahl oder flaumig, trocken, klebrig oder schleimig sein, oft ist die Hutoberfläche gezont. Der Hutrand kann gerade oder eingerollt sein. Die dichtstehenden, meist dicklichen Lamellen sind elastisch bis etwas brüchig, sind gerade bis bogig angewachsen oder am Stiel herablaufend. In Stielnähe können sie gegabelt oder durch Anastomosen verbunden sein. Zwischen den Lamellen befinden sich viele Zwischenlamellen. Ein Ring ist am Stiel nicht ausgebildet. Das weiche bis harte, immer charakteristisch apfelartig brechende Trama (Fleisch) besteht aus Hyphen, Sphaerozysten und den milchsaftführenden Hyphen (Laticiferen). Der für die Gattung charakteristische, bei Verletzungen austretende Saft („Milch“) kann wässrig klar, weiß oder farbig sein, er kann mild oder scharf schmecken. Geschmack und Farbe des Milchsaftes sowie seine Farbveränderung an der Luft sind wichtige Merkmale, die zur Artbestimmung genutzt werden. Das Sporenpulver ist weiß bis tief ocker, in einigen Fällen auch rosa gefärbt. Die Sporen sind warzig bis stachelig ornamentiert, das Ornament ist amyloid (mit Jod anfärbbar). Die Sporenform ist gedrungen elliptisch.

Ökologie

Die Milchlinge leben in Ektomykorrhiza mit Laub- oder Nadelgehölzen.

Verbreitung

Die Milchlinge sind in der temperaten Zone der Holarktis verbreitet.

Bedeutung

Einige Arten der Milchlinge, insbesondere rot milchenden Arten (Reizker), sind beliebte Speisepilze. Stark giftige Arten gibt es unter den Milchlingen nicht, allerdings können die scharf schmeckenden Arten zu gastrointestinalen Intoxikationen führen. Insbesondere in Osteuropa und Asien werden, teilweise nach entsprechender Vorbehandlung, auch Arten mit scharf schmeckender Milch gegessen. Milchlinge müssen hitzebehandelt werden, da unzureichend gegarte Pilze Vergiftungen hervorrufen können.[1]

Systematik

Die Gattung der Milchlinge umfasst weltweit weit über 500[2], in Mitteleuropa über 130 Arten. Die folgende Unterteilung nach Sektionen richtet sich nach Bon (1988), andere Einteilungen sind möglich.[3]

Die Edel- oder Blutreizker haben von Anfang an eine rötliche, bei nordamerikanischen Arten auch bläulich gefärbte Milch. Der Geschmack ist meist mild, manchmal auch unangenehm oder bitter, das Sporenpulver ist weiß. Gewöhnlich dienen nur Nadelbäume als Mykorrhizapartner. rDNA-Analysen zeigen, dass auch der Lärchen-Reizker in diese Gruppe gehört, obwohl er eine unveränderlich weiße Milch hat.
Rotorange milchende Arten
Blau milchende Arten
    • Indigo-Reizker (Lactarius indigo)
    • Blaumilchender Reizker (Lactarius hemicyaneus)
Weiß milchende Arten
  • Sektion Zonarii
Die Vertreter der Sektion haben schmierige und etwas klebrige Hüte, die mehr oder weniger gezont sind. Die Hutfarbe ist gelb, ocker, gelbbraun oder rosa. Die Milch ist weiß und verfärbt sich nicht, auch das Sporenpulver ist weiß. Die Milchlinge schmecken (oft auch erst nach einer Weile, dann aber deutlich!) bitter. Die Zonarii sind ungenießbar oder schwach giftig.
Milchlinge mit fransigem, zottigem oder wolligem Hutrand und stets weißer Milch werden in dieser Sektion zusammengefasst. Bei einigen Arten kann die Milch an der Luft deutlich gilben. Alle Arten sind ungenießbar oder schwach giftig.
Der Hasel-Milchling (Lactarius pyrogalus) ist die Typusart der Sektion Pyrogali
Die Vertreter der Sektion haben feuchte, schmierige oder klebrige Hüte. Ihre Milch ist im Normalfall weiß und verfärbt sich nicht. Beim Eintrocknen hinterlässt die Milch keine Flecken auf den Lamellen, gelegentlich kann aber eine Gilbung oder Grünlichfärbung auftreten. Alle Arten sind ungenießbar oder giftig.
Die Vertreter der Sektion haben schleimig klebrige Hüte. Ihre Milch wird an der Luft grau oder braun und verfärbt beim Eintrocknen die Lamellen. Alle Arten sind ungenießbar.
Die Veilchen-Milchlinge haben eine an der Luft violett verfärbende Milch. Der Hut ist schleimig bis klebrig. Alle Arten sind ungenießbar.
Die Vertreter der Sektion haben mehr oder weniger filzige (nicht schmierige) Hüte. Die Milch ist spärlich und/oder wässrig. Als Speisepilze sind sie bedeutungslos, der Bruchreizker gilt als giftig.
Die Vertreter der Sektion haben eine bereifte bis flaumige Huthaut. Ihre Milch ist weiß und fließt reichlich. Das Fleisch ist geruchlos oder hat nur einen unauffälligen Geruch. Alle Arten sind ungenießbar.
Ihre Hutoberfläche ist stumpf oder glatt und trüb rotbraun bis blassbraun gefärbt. Die Milch verfärbt sich auch auf einem weißen Tuch nicht.
Ähneln stark den Vertretern der Sektion Subdulces, aber ihre Hüte sind kräftiger orange gefärbt. Die milden Arten der Sektion sind essbar.
Die Vertreter haben einen glatten Hut. Ihre Milch gilbt an der Luft, was man am besten auf einem weißen Tuch erkennen kann. Die milden Arten sind essbar.
  • Sektion Plinthogali (Fuliginosi)
Die Korallenmilchlinge haben eine weiße Milch, die sich an der Luft rosa oder rötlich braun verfärbt. Ihre Hüte sind milchkaffebraun, braun bis rußig schwarzbraun. Die Hutdeckschicht ist palisadenförmig, sodass ihre ungezonte Hutoberfläche feinsamtig erscheint. Das Sporenpulver ist ocker. Alle mild schmeckenden Arten sind essbar.
In der Sektion werden dünnfleischige Arten mit matter, unebener Hutoberfläche und ungerieftem Rand vereint. Die Milch ist wässrig und der Geruch auffällig stark. Die Sporen sind mehr oder weniger kugelig und das Sporenpulver cremeocker gefärbt. Die milden Arten sind essbar.
Bei den Vertretern der Sektion handelt es sich um kleine Milchlinge mit ein bis drei Zentimeter breiten Hüten mit gerieftem Rand. Der Geruch ist unauffällig. Die Milch ist spärlich oder trocknet rasch ein. Das Sporenpulver ist weiß, die Sporen deutlich länger als breit. Die Vertreter der Sektion sind als Speisepilze bedeutungslos.

Lactifluus

2010 wurde anhand molekulargenetischer Untersuchungen festgestellt, dass die Gattung Lactarius im weiten Sinn paraphyletisch war und zwei eigenständige Linien umfasste. Die Beibehaltung des Namens Lactarius für die größere dieser beiden Gattungen wurde aus praktischen Gründen vorgeschlagen, weil so die Umbenennung wenigerer Arten erforderlich war. Eigentlich hätte der Name Lactifluus nomenklatorische Priorität gehabt; er wurde stattdessen für die kleinere Gattung mit hauptsächlich tropischen Arten vorgeschlagen.[4]

Mit den Sektionen Volemi, Pseudoalbati und Albati wurden einige bekannte Milchlinge wie der Brätling oder der Wollige Milchling in die Gattung Lactifluus überführt.

Literatur

  • Marcel Bon: Pareys Buch der Pilze. Verlag Paul Parey, Hamburg/ Berlin 1988, ISBN 3-490-19818-2.
  • Heinrich Dörfelt, Gottfried Jetschke (Hrsg.): Wörterbuch der Mycologie. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2001, ISBN 3-8274-0920-9.
  • German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder, Wulfard Winterhoff: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 2: Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3531-0.
  • E. Gerhardt: Pilze. Verlag BLV, München 2006, ISBN 3-8354-0053-3.
  • Walther Neuhoff: Die Pilze Mitteleuropas. Band 2b: Die Milchlinge. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn Obb. 1956.

Einzelnachweise

  1. Vegiftungsnotrufzentrale des Klinikums Nürnberg.
  2. Hyun Lee, Komsit Wissitrassameewong, Myung Soo Park, Annemieke Verbeken, John Eimes & Young Woon Lim: Taxonomic revision of the genus Lactarius (Russulales, Basidiomycota) in Korea. In: Fungal Diversity. 10. Mai 2019, abgerufen am 7. Oktober 2020 (englisch): „To date, 583 Lactarius species have been recorded globally“
  3. Marcel Bon (Hrsg.): Pareys Buch der Pilze. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-09970-9, S. 80 ff.
  4. B. Buyck, V. Hofstetter, A. Verbeken, R. Walleyn: Proposal to conserve ''Lactarius'' nom. cons. (Basidiomycota) with conserved type. In: Taxon. Band 118, 2010, S. 447–453.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.