Zoltán Kárpáthy (Roman)
Zoltán Kárpáthy (ungarischer Originaltitel Kárpáthy Zoltán) ist ein Roman des ungarischen Schriftstellers Mór Jókai.
Entstehungsgeschichte und historischer Hintergrund
Der Roman Zoltán Kárpáthy, im Jahre 1854 entstanden, gehört zu den Frühwerken von Mór Jókai. Er ist die unmittelbare Fortsetzung des ein Jahr zuvor entstandenen Romans Ein ungarischer Nabob, welcher durch Veröffentlichung in Tageszeitungen der damaligen Zeit dem ungarischen Leser hinreichend bekannt war. Im Roman werden die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der beginnenden Reformzeit in Ungarn geschildert, deren strahlendste Vorbilder von den Grafen István Széchenyi und Miklós Wesselényi verkörpert werden. Sie sind die Bannerträger neuer Reformen, die dem damals agrarwirtschaftlichen und rückständigen Ungarn eine bessere Zukunft verheißen sollen.
Es ist auch die Zeit der nationalen Erweckungsbewegung in Ungarn. Gleich zu Beginn des Romans wird die historisch-konkrete Szene der Eröffnung des Ungarischen Nationaltheaters im Jahre 1837[1] in Pest ausführlich geschildert und geschickt in den Roman eingebettet.
Eine ausführliche Beschreibung wird dem verheerenden historischen Donauhochwasser des Jahres 1838 in Pest[2] gewidmet, welches eines der bedeutendsten Hochwasser in der Geschichte Ungarns war. Jókai schreibt in seiner Nachbemerkung zum Roman am 23. Dezember 1854 darüber: „Bei den Szenen des Pester Hochwassers verweilte ich ein bißchen länger, als dies die Einheit des Gegenstandes verlangt hätte. Aber ich muß es mir verzeihen und hoffe, daß es mir meine Leser auch verzeihen, wenn ich dieser großartigen Szene, die für uns so viel Lehren enthält, etwas mehr Raum widmete. Die dort angeführten Dinge sind alle historisch, und in unserer jüngsten Vergangenheit gibt es kaum ein schöneres und tröstlicheres Ereignis als das, daß sich die nahezu vernichtete Hauptstadt unseres Landes aus dem Nichts wieder erhoben hat und schöner, größer und blühender geworden ist als je zuvor.“[3] (deutsche Übersetzung Georg Harmat)[4]
Der Roman Zoltán Kárpáthy gehört auch heute noch zu den meistgelesenen Büchern in Ungarn.
Inhaltsübersicht
Es ist ein planvoll konzipiertes Werk, das Jókais Fabulierfreude jedoch nicht beeinträchtigt. Für den 29-jährigen Autor war dieser Roman ein großer Erfolg. Es ist nicht der erste Roman aus Jókais Feder, sondern die organische Fortsetzung des 1853 entstandenen Werkes Ein ungarischer Nabob.
Der minderjährige Adlige Zoltán Kárpáthy, Sohn des verstorbenen János Karpáthy, wird bei dem Freund der Familie Kárpáthy, dem Grafen Rudolf Szentirmay, als Vollwaise erzogen und soll, wenn er großjährig ist, das riesige Familienvermögen übernehmen. Zoltán ist ein Idealist und tritt wie sein Pflegevater für umfangreiche Reformen in Ungarn ein; er beabsichtigt auch, später große Teile seines Vermögens dafür einzusetzen, wirtschaftliche Neuerungen in Ungarn einzuführen. Er wohnt auf dem Landgut der Szentirmays und verliebt sich in die Tochter des Hauses Katinka Szentirmay. Zoltáns Widersacher, der inzwischen heruntergekommene Abellino Kárpáthy, der einflussreiche Gerichtsrat Daniel von Köcserepy und dessen Winkeladvokat Herr Maszlaczky versuchen auch weiterhin, das Kárpáthy-Vermögen an sich zu reißen. Sie streuen ein unehrenhaftes böses Gerücht in die Welt, wonach Zoltán Kárpáthy eigentlich Szentirmays Sohn wäre, weil dieser eine außereheliche Liebesbeziehung mit Zoltáns Mutter und Herrn János’ junger Ehefrau, der unglücklichen Fanny Mayer, gehabt haben soll. Der Winkeladvokat Maszlaczky nutzt dieses Gerücht aus und so kommt es, dass Zoltán sein ganzes Vermögen verliert. Die Feinde von Zoltán gehen so weit, dass sie einen übel beleumundeten Duellanten Namens Dabroni – der in Buch als Spadassin[5] bezeichnet wird – anstiften, den jungen Kárpáthy sowie Szentirmay mit Provokationen während der Sitzungen des ungarischen Reichstages in Preßburg herauszufordern, mit dem Ziel, Zoltán umzubringen. Graf Rudolf Szentirmay wird in dem Duell mit Spadassin erschossen, zu einem Duell zwischen Dabroni und Zoltán kommt es nicht mehr, da Miklós Wesselényi den Spadassin kampfunfähig schlägt.
Vilma, die Tochter von Zoltáns größtem Feind Daniel von Köcserepy ist es, die sich bei ihrem Vater für Zoltán einsetzt. Vilma empfindet zu Zoltán eine heimliche, von Zoltán nicht erwiderte, Liebe. Sie erwirkt trotzdem, dass Köcserepy sich bereit erklärt, die usurpierten Güter von Kárpátfalva[6] an Zoltán zurückzugeben. In der Gestalt von Vilma wird eine weibliche Nebenfigur zur Lichtgestalt. Jókai schreibt in seinem Nachwort darüber: „Neben dem Romanhelden wächst eine weibliche Gestalt zum Leitcharakter hervor: die Gestalt Vilmas. Ich glaube, auch der Leser empfindet dieser Gestalt gegenüber die größte Sympathie, genau wie ich, und doch verschwindet sie, wird sie am Schluss des Romans geopfert. Wo bleibt da die Gerechtigkeit des Dichters? [...] So verstanden tritt an die Stelle der dichterischen Gerechtigkeit die dichterische Notwendigkeit. Die liebsten Gestalten leiden und sterben, nicht deshalb, weil sie es verdient haben, auch nicht aus der Laune des Schicksals oder aus Laune des Dichters heraus, sondern aus der Zwangsläufigkeit der Idee, die sie als Werkzeuge gewählt hat.“[3]
Und als Vilma im Sterben liegt besucht sie Zoltán mit seiner Braut Katinka am Sterbebett. Es entwickelte sich folgender Dialog:
- „Nicht wahr, Katinka" flüsterte die Kranke, "ihr werdet mich dort oft besuchen, auch Blumen pflanzt ihr dort, und wenn ihr an mich denkt, spottet ihr nicht über mich - weil ich so viel gelitten habe...“
- „Oh, sagen Sie das nicht, liebe Vilma!" beschwor sie Zoltán und drückte das kranke Mädchen an sich. "Sie werden gesund werden und noch lange in Glück leben.“
- „Und während er das sagte, drückte er sie immer fester an seine Brust, umarmte ihre allmählich verfallene Gestalt, seine Lippen berührten fast das Gesicht des Mädchens.“
- „Und das kranke Mädchen, wie sie so in den Armen des Jünglings lag, hob die schönen klaren Augen zu ihm empor, faltete die beiden schneeweißen Hände über der ermattenden Brust und seufzte: "Oh, ich bin jetzt am glücklichsten - am glücklichsten.“
- „Und mit einem liebenden, mit einem verklärten Lächeln schloß sie die schönen Augen...“
- „...Sei glücklich, liebes Kind... dein Glück wird durch nichts mehr gestört.“
- „Draußen verklingen die letzten Töne des Morgengeläuts.“
- „Ihr, die ihr nun um sie her steht, sinkt nieder auf die Knie und betet leise..., leise.“[7]
Zoltán Kárpáthy heiratet Katinka Szentirmay. Und nun das Ende des Buches:
- „Die zwei Liebenden stehen eng umschlungen beisammen. Beide sind sie sehr traurig - und doch so sehr glücklich!...“[8]
Deutsche Übersetzungen
Die erste deutsche Übersetzung, von Eduard Glatz, erschien 1860[9] im Pester Verlag Gustav Emich[10].
Eine weitere Ausgabe erschien im Paul List Verlag 1975 in Leipzig. Ein Nachdruck dieser Ausgabe erschien im Verlag Neues Leben in Berlin 1983. Die Übersetzung dieser Ausgabe stammt von Georg Harmat;[4] das Nachwort zu dieser Ausgabe schrieb Paul Kárpáti.
Literatur
- Mór Jókai: Zoltán Kárpáthy. Verlag Neues Leben, Berlin 1983.
Film
Der Roman wurde 1966 in Ungarn unter der Regie von Zoltán Várkonyi verfilmt. In den einzelnen Hauptrollen wirkten die namhaftesten Schauspieler Ungarns der damaligen Zeit mit: Zoltán Latinovics (als Rudolf Szentirmay), Éva Rutkai (Flóra Szentirmay), Iván Darvas (Abellino Kárpáthy), István Kovács (* 7. Mai 1944 in Budapest; als Zoltán Kárpáthy), Vera Venczel (* 10. März 1946 in Budapest, † 22. Oktober 2021 ebd.; als Katinka), Judith Halász (* 7. Oktober 1942 in Budapest; als Vilma).
Weblinks
- Jókai Mór: Kárpáthy Zoltán. OszK, Budapest, ungarische Ausgabe
- Maurus Jókai: Zoltán Karpáthi, der Sohn des Nabob. Projekt Gutenberg
Einzelnachweise
- Das Ungarische Nationaltheater in Pest wurde am 22. August 1837 eröffnet. Nach 128 Jahren wurde es auf Betreiben der damaligen kommunistischen Machthaber der Volksrepublik Ungarn, trotz des deutlichen Protestes der Bevölkerung, am 23. April 1965 in die Luft gesprengt. Als Grund wurde der Bau einer neuen U-Bahn Strecke angegeben.
- Das im März 1838 in Pest abgelaufene Donau Hochwasser gehörte zu den verheerendsten Hochwassern in der Geschichte des Landes. Das Eishochwasser stand an seinem Scheitelpunkt am 13. März über zwei Meter hoch in der Peter Innenstadt. Ganze Stadtviertel wurden gänzlich vernichtet. Das Hochwasser forderte 153 Todesopfer.
- Nachwort des Autors zum Roman Zoltán Kárpathy, S. 517f (siehe Literatur)
- Georg Harmat (* 31. Juli 1921 in Udvari, Komitat Tolna, † 24. April 2012 in Riedlingen, Baden-Württemberg) war ein freischaffender literarischer Übersetzer. Er wuchs zweisprachig auf (deutsch - ungarisch) und war auf die Übersetzung ungarischer Belletristik spezialisiert.
- Spadassin (frz.) = „gedungener Mörder“
- Kárpátfalva ist eine fiktive vom Dichter erfundene Ortschaft in Ungarn.
- Zoltán Kárpáthy. S. 491 (siehe Literatur)
- Zoltán Kárpáthy S. 515 (siehe Literatur)
- Karl Heinrich Eduard Glatz (* 16. November 1812 in Wien, † 31. Mai 1889 in Budapest). Er war der Sohn des evangelisch-lutherischen Predigers Jakob Glatz. Er besuchte das Evangelische Lyzeum in Preßburg und studierte Theologie und Philosophie in Wien und Leipzig. Er war ein Gegner der Madjarisierung und setzte sich für die Erhaltung des deutschen Bürgertums als eines notwendigen kulturellen und wirtschaftlichen Faktors in Ungarn ein. Er betätigte sich auch als Übersetzer und übersetzte mehrere Romane Jókais und prägte den Begriff 'Deutschungar'.
- Gustav Emich (* 3. November 1814 in Ofen, † 3. April 1869 in Pest) war ein ungarischer Buchdrucker und Verleger deutscher Abstammung. Sein Vater, der Bäckermeister Franz Emich wanderte Anfang des 19. Jahrhunderts aus Schlesien nach Ungarn ein. am 1. Dezember 1841 gründete Gustav am Franziskanerplatz (damals 'Kigyó tér) zu Pest den Verlag Athenaeum (ung. 'Athenaeum Könyvkiadó') mit Buchhandlung, der sich zu den bedeutendsten ungarischen Verlagen der damaligen Zeit entwickelte.