Zikkurat

Eine Zikkurat oder Ziqqur(r)at (auch Schiggorat, Zikkurrat und Ziggurat; babylonisch für „hoch aufragend/aufgetürmt, Himmelshügel, Götterberg“) ist ein gestufter Tempelturm in Mesopotamien.

Zikkurat von Ur nach der Rekonstruktion

Herkunft

Die Zikkurats sind wahrscheinlich aus einer Terrasse mit einem Tempel an der Spitze entstanden. Mehrheitlich wird eine Entwicklung im südlichen Mesopotamien seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. angenommen. Frühere Formen von Tempelterrassen bestanden jedoch neben den Zikkurats weiter. Zikkurats aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends sind auch in Elam im Südwest-Iran nachgewiesen.[1] Ausgrabungen in der südöstlichen Gegend des Irans in der Provinz Kerman brachten in einer dort entdeckten Siedlung zwei Hügel/Terrassen (Konar Sandal A und B) ans Tageslicht, wobei es sich bei Sandal B um eine Zikkurat-Anlage aus der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends handeln dürfte.[2]

Verbreitung

Die mittelelamische Zikkurat[3] von Tschoga Zanbil
Zikkurat Tappe Sialk

Ungefähr 25 Ruinenstätten von Zikkurat-Bauwerken lassen sich in Mesopotamien, vor allem in Babylonien, nachweisen.[4] Die berühmteste Zikkurat, die des Mondgottes Nanna, befindet sich in Ur auf dem Gebiet des heutigen Irak. Die Architektur einer Zikkurat ist am besten an der Zikkurat der kassitischen Residenzstadt Dur Kurigalzu nachvollziehbar, wo sich ein Zikkuratkern besonders gut erhalten hat. Auch im benachbarten Elam wurden Zikkurats erbaut, die sich dadurch von den sumerisch-babylonischen unterschieden, dass sie durch Innentreppen erschlossen wurden. Auch bautechnisch gibt es einige Besonderheiten. Der älteste Bau steht in Tappe Sialk und wird auf 2900 v. Chr. datiert, der besterhaltene in Tschoga Zanbil (elamisch Dur Untash) hat heute eine Resthöhe von 25 m (einstmals um 50 m) und eine Seitenlänge von 105 m.

Merkmale

Unter der Südecke der babylonischen Zikkurat aus Aššur aus der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus gefundene Gründungsbeigaben: Schneckengehäuse, Perlen aus Quarzkeramik und Glasstäbe aus aller Welt (Vorderasiatisches Museum Berlin)

Die Gemeinsamkeiten, die alle Zikkurate (in Babylonien, Assyrien und Elam) zeigen, sind die Stufenform (von zwei bis zu sieben[5] solcher Stufen, sich nach oben jeweils verkleinernd) sowie ihre beiden Hauptbaukörper, bestehend aus einem Mantel (Backsteine) und einem Kern (ungebrannte luftgetrocknete Lehmziegel mit Strohmattenlagen).

Ob jeweils ein Tieftempel sowie ein Hochtempel existierten, lässt sich heute nur noch schwer nachweisen. Zumindest in Babylon und Borsippa erscheint die Existenz einer solchen Zweiteiligkeit des Heiligtums seit der spätbabylonischen Zeit nachgewiesen.

  • Babylon: Etemenanki (Hochtempel) – Esagila (Tieftempel)
  1. É-TEMEN-AN-KI – „Haus der Fundamente von Himmel und Erde“
  2. É-SA-GIL – „Haus des erhobenen Hauptes (Marduk)“
  • Borsippa: Euriminanki (Hochtempel) – Ezida (Tieftempel)
  1. É-ÙR-IMIN-AN-KI – „Haus der sieben Dächer des Himmels und der Erde“
  2. É-ZIDA – „Haus der Wahrheit“

Zumindest bei diesen beiden Bauten scheint es sich im Fall des Hochtempels nicht um einen eigenen Tempel auf der Spitze des Turmes zu handeln, sondern um einen „aufgeklappten“ Tieftempel, der vertikal alle Einzelheiten, die auch zur ebenen Erde existierten, widerspiegelt. Somit befindet sich an der Spitze des Turmes lediglich das Allerheiligste (Cella).

An den hauptsächlich rechteckigen südbabylonischen Zikkuraten wurde meist eine zentrale Mitteltreppe in Rampenform nachgewiesen. Zusätzliche und beidseitig seitliche Treppenaufgänge, an die Mitteltreppenkonstruktion angelehnt, bestanden ebenfalls. Die zeitliche Einordnung gerade dieser Hauptmerkmale erweist sich zum Teil als unmöglich, da sie zu allen Zeiten neu überbaut wurden.

Einige Zikkurate

Aufbau und Architektur einiger Zikkurat

Nachwirkung

Nach verbreiteter Ansicht ist das schraubenförmige Minarett der Moschee von Samarra nach dem Vorbild der Zikkurat erbaut worden. Als Beispiel einer Zikkurat mit einer äußeren Wendelrampe ist der Turmbau von Khorsabad anzuführen.[6] Wie im Fall der siebenstöckigen quadratischen Zikkurat von Khorsabad für die altorientalische Zeit nachgewiesen, gelangt man zur Spitze des Minarett ebenfalls über eine spiralförmige Außenrampe.[7]

Sonstiges

Die biblische Überlieferung des Turmbaus zu Babel geht nach heutiger Erkenntnis auf einen solchen Bau zurück. Die frühsumerische Dichtung Enmerkar und der Herr von Aratta[8] erwähnt ebenfalls eine Sprachverwirrung in Zusammenhang mit großen Bauvorhaben.

Dubai plant gegenwärtig unter der Bezeichnung Zikkurat die Entwicklung einer neuen Art von riesiger Wohnpyramide. Federführend ist die in Dubai angesiedelte Firma für Umweltdesign Timelink.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Wilfried Allinger-Csollich: Birs Nimrud I. Die Baukörper der Ziqqurat von Borsippa, ein Vorbericht. In: Baghdader Mitteilungen. 22, 1991, ISSN 0418-9698, S. 383–499.
  • Wilfried Allinger-Csollich: Birs Nimrud II. Tieftempel – Hochtempel. Vergleichende Studien Borsippa-Babylon. In: Baghdader Mitteilungen 29, 1998, ISSN 0418-9698, S. 95–330.
  • Evelyn Klengel-Brandt: Der Turm von Babylon. Leipzig 1982.
  • Arno Kose: Die Wendelrampe der Ziqqurrat von Dur-Šarrukin: keine Phantasie vom Zeichentisch. (PDF; 5,1 MB) In: Baghdader Mitteilungen. 30, 1999, S. 115–137.
  • André Parrot: Ziggurats et ‚Tour de Babel‘. Paris 1949.
  • Hansjörg Schmid: Der Tempelturm Etemenanki in Babylon. (Baghdader Forschungen 17) von Zabern, Mainz 1995, ISBN 3-8053-1610-0.
  • Kyle Dugdale: Babel’s Present. Hrsg. v. Reto Geiser u. Tilo Richter, Standpunkte, Basel 2016, ISBN 978-3-9523540-8-7 (Standpunkte Dokumente. No. 5).
Commons: Zikkurat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Zikkurat – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Evelyn Klengel-Brandt: Turm von Babylon. Koehler & Amelang, Leipzig 1982, (auch Schroll, Wien/München 1982, ISBN 3-7031-0559-3), S. 52–56.
  2. Volkert Haas, Heidemarie Koch: Religionen des Alten Orients. Band I: Hethiter und Iran. (Grundrisse zum Alten Testament) Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 25–28.
  3. Erika Bleibtreu: Iran von prähistorischer Zeit bis zu den Medern. Kurzer Einblick in sechs Jahrtausende iranischer Kulturgeschichte. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 40–53, hier: S. 40 und 43.
  4. Parrot zählt 27 (Ziggurats, 53–54) und Schmid 23 Zikkurats (Tempelturm, Pl. I). Es kommen aber einige neu entdeckte im Iran hinzu.
  5. Leonard Woolley: Ur in Chaldäa. Zwölf Jahre Ausgrabungen in Abrahams Heimat. Brockhaus, Wiesbaden 1956, S. 210.
  6. A. Kose: Wendelrampe der Ziqqurrat von Dur-Šarrukin, S. 115–137.
  7. Parrot: Ziggurats. 59; J. Burton-Page: Manāra. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Bd. VI, Leiden 1991, S. 364–5.
  8. Enmerkar und der Herr von Aratta.
  9. Das Zikkurat-Projekt in Dubai. (englisch)
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