Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) (französisch: Commission Centrale pour la Navigation du Rhin (CCNR); niederländisch: Centrale Commissie voor de Rijnvaart (CCR)) ist eine Internationale Organisation mit Sitz in Straßburg (Frankreich). Ihre Aufgabe ist in erster Linie die Erarbeitung und Fortentwicklung der von den Mitgliedstaaten der revidierten Rheinschiff­fahrtsakte zu erlassenden Verordnungen zu allen Fragen der Schifffahrt auf dem Rhein, sie prüft daneben alle Beschwerden, die ihr wegen der Anwendung der revidierten Rheinschiff­fahrtsakte sowie der Durchführung der gemeinsam von den Vertragsstaaten erlassenen Verordnungen vorgelegt werden. Ihre Berufungskammer kann bei Berufungen gegen Urteile der nationalen Rheinschiff­fahrtsgerichte angerufen werden. Darüber hinaus wirkt die Kommission auf die Weiterentwicklung des Binnenschiff­fahrtsrechts hin und initiiert hierzu weitere internationale Übereinkommen.

Flagge der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt.
Palais du Rhin
Haupteingang des Palais du Rhin mit alter ZKR-Flagge
Sitzungssaal der Kommission im Palais du Rhin

Geschichte

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt wurde mit der Schlussakte des Wiener Kongresses von 1815 geschaffen als diplomatische Konferenz zur Erarbeitung der Rheinschiff­fahrtsakte.[1] Sie trat erstmals am 5. August 1816 in Mainz zusammen. An den Verhandlungen nahmen die Vertreter Frankreichs, der Niederlande, Preußens, Badens, Hessens, Bayerns und Nassaus teil. Die Verhandlungen zogen sich lange hin, da Preußen und die Niederlande darum stritten, ob die Freiheit des Rheins bis ins offene Meer oder nur bis zu den Mündungshäfen gelte, ob also die Niederlande Zölle für ein- und ausgehende Seeschiffe verlangen dürfe; der preußische Vertreter Daniel Heinrich Delius blieb den Verhandlungen deshalb von 1825 bis 1829 fern.[2] In den Folgejahren erarbeitete die Zentralkommission die Mainzer Akte, die am 31. März 1831 verabschiedet wurde.

Mit Inkrafttreten der Akte wurde die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt zu einer internationalen Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Mainz. 1861 wurde die Kommission nach Mannheim verlegt.[2]

Am 17. Oktober 1868 wurde die Mannheimer Akte von den sechs Mitgliedern (Nassau war 1866 von Preußen annektiert worden) verabschiedet, die die Regelungen von 1831 ersetzte und noch heute als Grundlagendokument für die Rheinschifffahrt Bestand hat. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 annektierte das neu gegründete Deutsche Reich Elsaß-Lothringen und damit das gesamte Rheinufer Frankreichs. Frankreich schied aus der ZKR aus. Das Deutsche Reich wurde hingegen nicht Mitglied der ZKR, sondern die bisherigen Mitglieder bleiben als Gliedstaaten des Reiches sowie zusätzlich neu das Reichsland Elsaß-Lothringen Mitglieder der ZKR.[2]

Nach dem Ersten Weltkrieg regelte der Versailler Vertrag in den Artikeln 354 ff. die Arbeit der Zentralkommission neu. Frankreich wurde führendes Mitglied mit ständigem Vorsitz, das Deutsche Reich ersetzte seine Gliedstaaten als Mitglied. Belgien trat der Mannheimer Akte bei. Das Vereinigte Königreich (Austritt zum Ende des Jahres 1993) und Italien (Austritt 1937) wurden als Nichtuferstaaten und Nichtunterzeichner der Mannheimer Akte Mitglieder der ZKR. Auch die Schweiz erhielt ohne Unterzeichnung der Mannheimer Akte Sitz in der ZKR, während die Niederlande die Änderung der Mannheimer Akte durch den Versailler Vertrag in einem Zusatzprotokoll 1923 akzeptierten.[2] In der Folge wurden der Sitz der Kommission 1920 nach Straßburg verlegt und im dortigen Palais du Rhin ein ständiges Sekretariat eingerichtet.

1936 erklärte das Deutsche Reich durch die Note über die deutschen Wasserstraßen vom 14.11.1936[3] einseitig, nicht mehr an das internationale Regime über den Rhein und andere Flüsse gebunden zu sein.[2]

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die ZKR im Herbst 1945 ihre Arbeit wieder auf. Ein Teil der Revision durch die Versailler Verträge wurde einvernehmlich aufgehoben und die Vereinigten Staaten (Austritt 1964) wurden zuerst in Wahrnehmung der Besatzungsrechte aufgenommen. Bereits 1950 wurde auch Deutschland (genauer die Bundesrepublik) zur ZKR wieder zugelassen.[2]

1963 erfolgte mit dem Übereinkommen zur Revision der Revidierten Rheinschiff­fahrtsakte die letzte größere Überarbeitung der Vorschriften, bei der die Schweiz dem Abkommen beitrat. Seither wurden weitere sieben Zusatzprotokolle vereinbart.

Die Zentralkommission ist die erste internationale Organisation weltweit und zugleich die älteste noch heute bestehende.

Aufgaben

Zu den Aufgaben der Zentralkommission gehören die Sicherstellung der Freiheit des Rheins als Wasserstraße, die Sicherheit des Rheinverkehrs sowie die wirtschaftliche Förderung des Schiffsverkehrs auf dem Rhein.

Dazu gehören insbesondere:

  • die Weiterentwicklung der Rheinschifffahrts­polizeiverordnung (RheinSchPV), die Verkehrsregeln enthält sowie Vorschriften über die Schiffe, deren Größen, Kennzeichnung und Ausrüstung, den Gewässerschutz und die Abfallbeseitigung
  • Technische Vorschriften für Binnenschiffe (Rheinschiffsuntersuchungsordnung – RheinSchUO)
  • Vorschriften über Besatzung und Berufsqualifikationen (Rheinschiffspersonalverordnung – RheinSchPersV)
  • Vorschriften zur Beförderung gefährlicher Güter

Diese Vorschriften werden in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet, einstimmig verabschiedet und gelten danach unmittelbar im jeweiligen nationalen Recht, ohne dass ein Übernahmeakt der Mitgliedsstaaten nötig ist. Die Einhaltung der Vorschriften wird durch die Wasserschutz- und Schifffahrts­polizeien der Rheinuferstaaten überwacht.[4] Deutschland und Frankreich haben dazu für ihre gemeinsame Strecke auf dem Oberrhein seit 2012 eine gemeinsame deutsch-französische Wasserschutzpolizei (Compagnie fluviale de gendarmerie du Rhin) mit dem Sitz in Kehl und Außenstellen in Gambsheim und Vogelgrun eingerichtet.[5]

In Rheinschifffahrtssachen kann neben den Rheinschifffahrts­obergerichten optional auch die Zentralkommission als Berufungsgericht angerufen werden.[6]

Das Sekretariat der ZKR unterstützt die Umsetzung des Übereinkommens über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) von 1996, zu dessen Vertragsparteien neben den fünf Mitgliedstaaten der ZKR auch Luxemburg gehört.

Außerdem nimmt das Sekretariat der ZKR Aufgaben für die Verwaltungsstelle für die soziale Sicherheit der Rheinschiffer (CASS) wahr, deren Vereinbarungen über die Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts für die fünf Mitgliedstaaten der ZKR sowie für Luxemburg und Liechtenstein verbindlich sind.

Literatur

  • Karl-Heinz Bauer: Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Strassburg. In: Peter Hanau, Egon Lorenz, Hans-Christoph Matthes (Hrsg.): Festschrift für Günther Wiese zum 70. Geburtstag. Neuwied, Kriftel: Luchterhand, 1998. ISBN 3-472-03458-0. S. 1–9.
  • Adriaan Bos: Reflections on the provision of the Act of Mannheim enshrining the right of complaint to the Central Commission for the Navigation of the Rhine. In: Niels Blokker, Sam Muller (Hrsg.): Towards More Effective Supervision by International Organizations: Essays in Honour of Henry G. Schermers. Volume I. Dordrecht: Martinus Nijhoff, 1994. ISBN 0-7923-3159-1. S. 205–215.
  • Dale S. Collinson: The Rhine Regime in Transition: Relations between the European Communities and the Central Commission for Rhine Navigation. In: Columbia Law Review 72 (1972) S. 485–516.
  • W. E. Haak: Experience in the Netherlands regarding the case-law of the Chamber of Appeal of the Central Commission for Navigation on the Rhine. In: Netherlands Yearbook of International Law 19 (1988) S. 3–51.
  • Günter Hoog: Flüsse und Kanäle der Bundesrepublik Deutschland. In: AVR 25 (1987) S. 202–231.
  • Anne Schulte-Wülwer-Leidig: Wie Flüsse Menschen und Landschaften verbinden: Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit am Rhein im Bereich Gewässerschutz. In: Xuewu Gu (Hrsg.): Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa. Baden-Baden: Nomos, 2002. ISBN 3-7890-7777-1. S. 105–121.
  • Anne Schulte-Wülwer-Leidig, Koos Wieriks: Grenzüberschreitender Gewässerschutz am Rhein: Entwicklung eines ganzheitlichen, nachhaltigen Gewässerschutzes in internationaler Kooperation. In: Jörg Barandat (Hrsg.): Wasser – Konfrontation oder Kooperation: Ökologische Aspekte von Sicherheit am Beispiel eines weltweit begehrten Rohstoffs. Baden-Baden: Nomos, 1997. ISBN 3-7890-4829-1. S. 298–315.
  • Guido Thiemeyer, Isabel Tölle, Supranationalität im 19. Jahrhundert? Die Beispiele der Zentralkommission fuer die Rheinschifffahrt und des Octroivertrages 1804–1832, in: Journal of European Integration History, Vol. 17 (2011), S. 177–196.
  • Jean-Marie Woehrling, Sylvain Schirmann, Martial Libera u. a. ZKR 200 Jahre Geschichte, Straßburg 2015, ISBN 979-10-90735-20-0

Einzelnachweise

  1. Johann Ludwig Klüber: Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815. Verlag J. J. Palm und Ernst Enke, Erlangen 1815, Bd. 3: Acten der Congreß-Commission für die Freiheit der Fluß-Schifffahrt.
  2. Adalbert Rittmüller: 180 Jahre Zentralkommission für die Rheinschiffahrt. In: Auswärtiger Dienst. Nr. I, 1996, S. 77 ff. (ccr-zkr.org [PDF]).
  3. RGBl. II, S. 361
  4. Schifffahrtspolizei / Verkehrsregeln auf der Website der Zentralkommission.
  5. Station der Wasserschutzpolizei Kehl ist eine deutsch-französische Erfolgsgeschichte (Memento vom 8. Februar 2015 im Internet Archive) auf der Website des Stadtanzeigers der Ortenau
  6. Informationen zu Funktion, Ablauf des Verfahrens und Besetzung der Berufungskammer auf der Internetseite des ZKR: Berufungskammer, abgerufen am 24. Februar 2021.

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