Par-Allna

Par-Allna (auch: ParAllna[1] oder Par Allna[6]) bezeichnet einen gut 4 Kilometer langen Mündungsarm der Allna in die Lahn und gleichzeitig ein 15,4 Hektar großes[7] Biotop, das als Ausgleichsmaßnahme für den Lückenschluss der B 3A zwischen Marburg und Gießen auf dem Gebiet von Weimar (Lahn) geschaffen wurde. Die Vorsilbe Par- spielt darauf an, dass der Nebenarm parallel zur Lahn fließt.[8] Dieser Nebenarm separiert, zusammen mit der Lahn und dem Allna-Mündungslauf, eine „Insel“, auf der insbesondere das Dorf Argenstein und das alte Kerndorf Roths liegen.

Par-Allna
Die Par-Allna (westlicher Arm) bei Argenstein im Mai 2015 von der Gegenfließrichtung (Süden) aus; rechts die Zeiteninsel, im Hintergrund der Weimarsche Kopf, südlichster Berg des Marburger Rückens, mit Niederweimar an seinem Fuße

Die Par-Allna (westlicher Arm) bei Argenstein im Mai 2015 von der Gegenfließrichtung (Süden) aus; rechts die Zeiteninsel, im Hintergrund der Weimarsche Kopf, südlichster Berg des Marburger Rückens, mit Niederweimar an seinem Fuße

Daten
Lage Weimar (Lahn), Landkreis Marburg-Biedenkopf, Hessen, Deutschland
Flusssystem Rhein
Abfluss über Lahn Rhein Nordsee
Ursprung Abzweigung von der Allna bei Argenstein
50° 44′ 48″ N,  44′ 5″ O
Mündung zusammen mit dem Holzhäuser Bach gegenüber dem Röthger Pfuhl in die Lahn
50° 43′ 8″ N,  42′ 47″ O

Länge Angegeben: 4,5 km[1] 
Gemessen: 4,02 km[2]
Einzugsgebiet ca. 25,6 km²[3]
Abfluss[4][5] MQ
230 l/s
Rechte Nebenflüsse Wenkbach, Walgerbach, Holzhäuser Bach

Das auf eine Idee des Amöneburger Landespflegers Ralf Schneider (* 1947) zurückgehende und von diesem geplante und entworfene Feuchtwiesenbiotop soll in erster Linie als Rastplatz für vorbeiziehende, feuchtes Offenland bevorzugende Vögel, z. B. Kiebitz und Weißstorch, dienen. Überdies soll es auch Menschen einen Freizeitwert bieten. So entsteht nordwestlich des Dorfes Argenstein im Par-Allna-Gebiet das archäologische Freilichtmuseum Zeiteninsel, siehe unten.

Seit der Erstflutung Ende Juli 2011[9] hat die „natürliche“ Entstehung des Biotops begonnen. Nunmehr fließt der Wenkbach nicht mehr direkt in die Lahn, sondern wird, noch vor seiner Vereinigung mit dem Walgerbach und parallel zu diesem, von der Par-Allna aufgenommen. Dabei ist der letzte, lahnparallele Abschnitt des Wenkbaches vor Aufnahme des Walgerbaches heute Teilabschnitt der Par-Allna, die die südsüdwestliche Richtung dieses Abschnittes bis zur Mündung des Holzhäuser Baches beibehält, mit der sie dann der Lahn zufließt. Durchschnittlich etwa 100 l/s Wasser erhält die Par-Allna von der Allna,[5] eine noch etwas größere Menge kommt durch die drei Nebenbäche hinzu.[4]

Vorbilder

Die Par-Allna ist inspiriert durch natürliche Talrandbäche wie den Bergstraßen-Neckar, der einst nach einer mündungsnahen Bifurkation des Neckars parallel zum Rhein nach Norden floss und erst nah der Mündung des Mains mündete. Solche Talrandbäche entstehen in der Natur oftmals dadurch, dass für Nebengewässer, bedingt durch den Schwemmkegel des größeren Vorfluters, eine direkte Mündung erschwert wird und das Zufließen erst nach einiger Strecke parallelen Laufes möglich ist.

Ganz bewusst wurde das Gebiet der Par-Allna weitgehend gehölzfrei gehalten. Das Ziel waren Biotoptypen wie Schlickflächen, Röhrichte, Nasswiesen und Brachen.[1] Schlammige Ufer sind explizit erwünscht – Schneider verglich den gewünschten Typus des Biotops sogar mit dem Watt.[10]

Letztlich mutet der Begriff Renaturierung etwas paradox an. Es wurde zwar ein Biotop geschaffen, das die Natur andernorts ohne Zutun des Menschen erschafft, jedoch speziell an diesem Ort wäre es bei einem Sichselberüberlassen der Natur nie zu einer vergleichbaren Kleinlandschaft gekommen.

Die Par-Allna (östlicher Arm) von Süden, kurz nach ihrer Errichtung

Planung

Die Vorbereitungsphase blieb nicht ohne Proteste. Insbesondere die ortsansässigen Bauern waren wenig begeistert, ihre Äcker an den Bund verkaufen zu müssen.[6]

Errichtung

Der sogenannte Anstich der Par-Allna fand Mitte Juni 2010 statt.[11] Insgesamt mussten bis zur Erstflutung ein gutes Jahr später 170.000 Kubikmeter Erde bewegt werden,[12] die Baukosten beliefen sich auf etwa 2,5 Millionen Euro.[5]

Fauna

Rastende Schwarzstörche an der Par-Allna
Spielende Fuchs­welpen an der Par-Allna

Das Lahntal ist seit jeher ein wichtiges Vogelrastgebiet innerhalb der Mittelmeer-Mjösen-Zone, die eine der wichtigsten Vogelfluglinien Europas darstellt.

Zu den regelmäßigen Besuchern des Biotops Par-Allna gehören etwa der Graureiher, das Blesshuhn und der Höckerschwan, gesichtet wurden auch schon Nilgans, Grünschenkel und Waldwasserläufer.[10] Auch der mittlerweile wieder in kleinen Beständen in Mittelhessen (mit regelmäßigem Nist am ehemaligen Molkereischornstein in Rauischholzhausen seit 2007) brütende Weißstorch und der Kranich nutzen während ihres Vorbeizuges gerne Feuchtgebiete dieser Art, und gerade der Weißstorch soll über lange Sicht wieder regelmäßiger Brutvogel des Lahntals werden. Für Kiebitze sind feuchte und gleichzeitig offene Orte ganz besonders wichtig, da sie in solchen Greifvögel, besonders die wendigen Habichte und Sperber, frühzeitig erkennen können.

Projekteinordnung

Das Biotop Par-Allna ist eine von vielen Maßnahmen der Biotopbrücke Schwalm-Ohm-Lahn. Ralf Schneider, der bereits seit 1992 die Mündung der Ohm in die Lahn renaturiert hatte[13] und bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 für Ausgleichs- und Renaturierungsmaßnahmen im Landkreis Marburg-Biedenkopf zuständig gewesen war, erhielt für seine Leistungen auf diesem Gebiet den Umwelt- und Klimaschutzpreis des Landkreises Marburg Biedenkopf 2009. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Tatsache, dass durch Schneiders Arbeiten die Wiederansiedlung des Weißstorches als Brutvogel im Amöneburger Becken nach jahrzehntelanger Abstinenz mit Erfolg möglich geworden war.[14]

Zeiteninsel

Bereits seit ca. 1990 wurden im Bereich des Kieswerkes Niederweimar (nördlich der Par-Allna) archäologische Funde gemacht. Diese waren zwischen 10.000 und 2.000 Jahre alt, während Anzeichen z. B. für eine mittelalterliche Besiedelung zunächst fehlten.

Letztere wurden überraschend während der Abtragungsarbeiten zur Par-Allna gefunden. Es fanden sich Relikte einer hoch- sowie einer spätmittelalterlichen Siedlung, die auf einer ehemaligen Halbinsel bestanden haben müssen.

Am Fundort dieser Relikte entsteht in den Jahren ab 2010 das archäologische Freilichtmuseum Zeiteninsel auf einer „Insel“ zwischen Allna, Par-Allna und einer Flutrinne, im Rahmen des Konzepts „hessenArchäologie21“ des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen. Das 3,5 ha große Gelände wurde bereits modelliert, verschiedene Pflanzengesellschaften (Weichholzaue, Hartholzauwald, auch Elsbeeren, der Baum des Jahres 2011) wurden angelegt und umsäumen die verschiedenen Stationen der Zeitalter. Insgesamt wurden 250 Bäume sowie 850 Sträucher und Heister gepflanzt.[7][15][16]

Bedeutung für Umweltbildung und Tourismus

Die Par-Allna liegt direkt am Lahntalradweg zwischen den beiden Universitätsstädten Gießen und Marburg.

Einzelnachweise

  1. Ralf Schneider: Beiträge des Amts für Straßen- und Verkehrswesen (ASV) Marburg zur Renaturierung der Lahn und ihrer Auen. In: Naturkundliche Jahresberichte Marburg-Biedenkopf 2000/2001. Nr. 19/20, 2002, S. 19–41.
  2. Gewässerkartendienst des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hinweise) – im WRRL-Viewer ist die Par-Allna noch (Stand: 1. Juli 2015) nicht eingezeichnet, jedoch per Luftbild sichtbar und messbar.
  3. Das Einzugsgebiet der Allna setzt sich zusammen aus ehemaligem Allna-Einzugsgebiet (ca. 0,05 km²), Teile des Lahneinzugsgebiets 258331 (ca. 0,78 km²), Wenkbach (8,39 km²), Walgerbach (12,36 km²) und Holzhäuser Bach (ca. 4,04 km²), wobei die "ca."-Angaben Messwerte aus dem WRRL-Viewer sind und die anderen beiden die bislang amtlich verzeichneten.
  4. Wenkbach und Walgerbach liefern laut Hochrechnung des Landesamtes (siehe Bachartikel) zusammen durchschnittlich 107 l/s, hinzu kommt noch das Wasser des Holzhäuser Baches und die von der Allna abgezweigten 100 l/s.
  5. @1@2Vorlage:Toter Link/www.hessen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2016. Suche in Webarchiven) Pressemitteilung. Hessen Mobil vom 18. November 2010.
  6. Wirbel um Ausgleichsflächen der „Par Allna“. In: Oberhessische Presse. 26. Juli 2010.
  7. Ein Vogelrastplatz namens Par-Allna. In: Frankfurter Allgemeine. 28. Juli 2011.
  8. Zeitungen und Politiker, laut denen das Par- für parallel zur Allna stehen sollte, sind laut dem Namensschöpfer unzutreffend.
  9. Der erste Schwarzstorch kreist schon. In: Oberhessische Presse. 28. Juli 2011. (Zeitungsbericht und Video zur Erstflutung)
  10. Idylle an der Autobahn. In: Frankfurter Neue Presse. 16. Juli 2012.
  11. @1@2Vorlage:Toter Link/www.mittelhessen.de"Mission ParAllna" beginnt (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2016. Suche in Webarchiven), Mittelhessen.de, 17. Juni 2010.
  12. Ein Vogelrastplatz namens Par-Allna. In: Frankfurter Allgemeine. 28. Juli 2011.
  13. Ohmmündung am Cölber Eck@1@2Vorlage:Toter Link/www.coelbe.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Dokumentation einer Renaturierungsmaßnahme (PDF; 851 kB)
  14. Landrat empfiehlt Visionen. (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) In: Marburger Neue Zeitung. 1. Dezember 2009 zum Umwelt- und Klimapreis 2009 (archive.org; PDF, 714 kB; abgerufen am 20. November 2015)
  15. Zeiteninsel, Webseite des Archäologischen Freilichtmuseums, Plan und Übersicht über das Projekt (Memento vom 23. September 2013 im Internet Archive), abgerufen 26. April 2013.
  16. Bericht über die Pflanzaktion am 23. November 2011 auf der Zeiteninsel, hessenARCHÄOLOGIE
  • Fotostrecke über die archäologischen Arbeiten während der Par-Allna-Errichtung (Archäologische Denkmalpflege Marburg)
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