Yusra Mardini

Yusra Mardini (arabisch يسرى مارديني, DMG Yusrạ̄ Mārdīnī; * 5. März 1998 in Damaskus, Syrien) ist eine nach Deutschland geflüchtete syrische Schwimmsportlerin. Sie floh während der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 aus Syrien und nahm für das Team Refugee Olympic Athletes an den Olympischen Sommerspielen 2016 teil, was sie weithin bekannt machte.

Yusra Mardini
Yusra Mardini 2016
Persönliche Informationen
Name:Yusra Mardini
Nation:Syrien Syrien
Verein:Wasserfreunde Spandau 04
Geburtstag:5. März 1998
Geburtsort:Damaskus
Größe:1,68 m
Gewicht:53 kg
2016

Jugend

Mardini wuchs mit ihren Eltern, ihrer drei Jahre älteren Schwester Sarah und deren jüngster Schwester Shahed in Darayya auf, einem Vorort von Damaskus. Ihr Vater ist Schwimmtrainer und begann, sie im Alter von drei Jahren zu trainieren.[1]

2012 nahm sie mit 14 Jahren an den Kurzbahnweltmeisterschaften in Istanbul teil und stellte einen syrischen Landesrekord über 400 m Freistil auf.[2] Wenige Monate zuvor war das Haus der Familie im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien von Artilleriefeuer zerstört worden. Nachdem zwei ihrer Schwimmkollegen gestorben waren und unter anderem auch die Schwimmhalle von einer Bombe getroffen worden war, entschloss sich Mardini 2015, Syrien zu verlassen.[1]

Flucht nach Deutschland

Am 12. August 2015 flohen Yusra und Sarah Mardini – ebenfalls syrische Nationalschwimmerin – zusammen mit Cousins ihres Vaters nach Istanbul und kontaktierten dort einen Schmuggler. Von Izmir setzten sie mit weiteren 18 in einem für sieben Personen ausgelegten Schlauchboot über die Ägäis auf die griechische Insel Lesbos über, die mindestens neun Kilometer vom Festland entfernt ist. Während der Überfahrt versagte der Außenbordmotor und das überfüllte Schlauchboot drohte zu sinken. Die beiden Schwestern und ein oder zwei weitere Personen, die schwimmen konnten, zogen das Boot mit 18 Insassen über mehrere Stunden bis an das rettende Ufer der Insel Lesbos. Über die Balkanroute kam sie schließlich über Ungarn, Wien und München nach Berlin.[3][4]

Sport, Olympia und UNO

In Berlin wurde der Sportverein Wasserfreunde Spandau 04 auf sie aufmerksam und ließ sie erstmals nach langer Pause wieder trainieren. Seitdem startet sie für die Wasserfreunde bei Wettkämpfen. Im Oktober 2015 nahm der Verein sie und ihre Schwester Sarah in Trainingsgruppen auf und unterstützte sie auch in anderen Lebensbereichen. Trainer Sven Spannekrebs war in dieser Zeit alleiniger Ansprechpartner für beide.[3]

Im Juni 2016 benannte das Internationale Olympische Komitee Mardini als eine von zehn Personen, die bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro für das Olympische Team der Flüchtlingsathleten antraten. Sie nahm an den Wettbewerben über die 100 m Freistil sowie 100 m Schmetterling teil.[5]

Ihren Vorlauf über 100 m Schmetterling gewann sie mit einer Zeit von 1:09,21 Minuten und erreichte damit Rang 40.[6] Über 100 m Freistil belegte sie Rang 45 in einer Zeit von 1:04,66 Minuten.[7]

Bis zum Abschluss der Olympischen Spiele trainierte Mardini allein mit Sven Spannekrebs. Seit der Saison 2016/2017 wird sie von diesem gemeinsam mit Ariel Rodriguez trainiert. Sie besuchte als Gastschülerin die Poelchau-Oberschule, eine Eliteschule des Sports im Berliner Olympiapark. An den Schwimmweltmeisterschaften 2017 in Budapest nahm sie gemeinsam mit ihrem Landsmann Rami Anis als FINA-Team teil.[8] Im August 2018 verließ sie ihren Verein Wasserfreunde Spandau und Berlin, um nach Hamburg zu ziehen.[9] Seither trainiert sie am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein.[10]

In einem Interview berichtete sie, mit dem Ziel einer Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio weiter Schwimmen als Leistungssport betreiben zu wollen.[11] Während der Eröffnungsfeier war sie, gemeinsam mit dem Leichtathleten Tachlowini Gabriyesos aus Eritrea, die Fahnenträgerin des zum zweiten Mal nach Rio de Janeiro 2016 bei Sommerspielen gestarteten Olympischen Flüchtlingsteams. Sie nahm wieder am Wettkampf 100 m Schmetterling teil und erreichte mit 1:06,78 Minuten den 33. Rang.

Seit 2022 lebt sie in den USA und studiert Kommunikationswissenschaft.

Rekorde

  • Syrischer Landesrekord in 400 m Freistil (Kurzbahn) in 4:56,66 min, 14. Dezember 2012 in Istanbul.

Ehrungen

Medien

Im Mai 2018 erschien im Knaur-Verlag Mardinis Biografie Butterfly, die sie zusammen mit Josie Le Blond verfasst hatte.[15] Medien hatten zuvor außerdem schon berichtet, das Mardinis Lebensgeschichte verfilmen solle.[16] Ein von Stephen Daldry produzierter biographischer Film über Mardini von Sally El Hosaini wurde im November 2022 bei Netflix unter dem Titel „Die Schwimmerinnen“ präsentiert.[17][18]

Prozess gegen Sarah Mardini

Nachdem sie politisches Asyl in Deutschland erhalten hatte, kehrte Sarah Mardini im Herbst 2016 auf die Insel Lesbos zurück. Dort arbeitete sie sechs Monate lang als freiwillige Übersetzerin für eine griechische Nichtregierungsorganisation, die Flüchtlinge mit ähnlichen Schicksalen wie sie selbst und ihre Schwester Yusra unterstützt. Am 17. Februar 2018 wurden Sarah Mardini und Seán Binder, ein ausgebildeter Rettungstaucher und Freiwilliger bei derselben NGO, neben zwei Mitarbeitern der NGO von den griechischen Behörden der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, des Menschenhandels, der Geldwäsche und des Betrugs beschuldigt.[19] Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft kamen sie gegen Kaution frei und konnten Griechenland Richtung Berlin verlassen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bezeichneten die Anschuldigungen als erfunden und Verstoß gegen die Menschenrechte.

Nach mehr als vier Jahren seit der Untersuchungshaft von Mardini und Binder begann am 10. Januar 2023 der Prozess gegen sie und die anderen beschuldigten Mitglieder von ERCI. Die inzwischen 27-jährige Sarah Mardini konnte daran nicht zu ihrer Verteidigung teilnehmen, da die griechischen Behörden ihre Einreise verboten hatten und sie laut einem Bericht der Tagesschau „offiziell als Bedrohung für die nationale Sicherheit gilt“.[20]

Commons: Yusra Mardini – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Charly Wilder: She Swam to Escape Syria. Now She’ll Swim in Rio. In: newyorktimes.com. 1. August 2016, abgerufen am 26. Juli 2017.
  2. 11th FINA World Swimming Championships (25m) - Results Summary (Memento des Originals vom 18. Dezember 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/omegatiming.com
  3. Sven Spannekrebs: Yusra Mardini lebt ihren Olympiatraum bei den Wasserfreunden. (PDF) In: Newsletter Februar 2016. Wasserfreunde Spandau 04, abgerufen am 7. Dezember 2018.
  4. Lars Spannagel: Yusra Mardini: Die Rettungsschwimmerin. In: Der Tagesspiegel. 19. März 2016 (online).
  5. Yusra Mardini auf rio2016.com (Memento des Originals vom 6. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rio2016.com
  6. Results Women's 100m Butterfly (Memento vom 7. August 2016 im Internet Archive), rio2016.com
  7. Results Women’s 100m Freestyle (Memento des Originals vom 27. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rio2016.com, rio2016.com
  8. The girl who never gives up. 25. Juli 2017, abgerufen am 26. Juli 2017.
  9. Sebastian Kayser: Yusra Mardini geht nach Hamburg. In: Bild. 16. August 2018, abgerufen am 12. Januar 2019.
  10. Alexander Josefowicz: Syrische Schwimmerin Mardini will in Hamburg trainieren. In: Hamburger Abendblatt. 16. August 2018, abgerufen am 12. Januar 2019.
  11. Olympia-Schwimmerin Yusra Mardini: „Mir geht es darum, das Bild zu korrigieren, das viele Menschen von Flüchtlingen haben“, Yusra Mardini im Gespräch mit Jessica Sturmberg, Sendung vom 21. Oktober 2018 in der Reihe Sportgespräch im Deutschlandfunk
  12. Global Goals Awards honour champions for women’s and girls’ rights. In: UNICEF. (unicef.org [abgerufen am 22. November 2016]). Global Goals Awards honour champions for women’s and girls’ rights (Memento des Originals vom 25. Juni 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.unicef.org
  13. The 30 Most Influential Teens of 2016, In: TIME. 19. Oktober 2016
  14. deutschlandfunk.de: Yusra Mardini - Vom Flüchtlingsteam zur UN-Botschafterin. Abgerufen am 12. Januar 2023.
  15. DNB 1144208335
  16. David Crossland: Yusra Mardini: Syrian girl who swam to freedom sheds light on horror of refugee crisis in book. In: The National. 7. April 2018, abgerufen am 7. April 2018 (englisch).
  17. Everything You Need to Know About ‘The Swimmers’. Abgerufen am 25. November 2022 (englisch).
  18. maike.karr: "Die Schwimmerinnen": Die wahre Geschichte des Netflix-Films. 28. November 2022, abgerufen am 29. November 2022.
  19. Lars Spannagel: Sarah Mardini: Eine Flüchtlingshelferin, die im Gefängnis landete. In: Der Tagesspiegel Online. 6. September 2018, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 11. Dezember 2022]).
  20. Lesbos: Prozess gegen 24 Seenotretter beginnt. In: Der Spiegel. 11. Januar 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 11. Januar 2023]).
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