Führerhauptquartier Wolfsschanze
Wolfsschanze (auch Wolfschanze) war der Tarnname für ein militärisches Lagezentrum des Führungsstabes der deutschen Wehrmacht. Es war eines der Führerhauptquartiere während des Zweiten Weltkrieges und lag in der Nähe von Rastenburg (heute Kętrzyn) beim Dorf Görlitz (Gierłoż) in Ostpreußen, heute in Polen.
Bunkersystem in Ostpreußen
Die Wolfsschanze war Teil eines Bunkersystems und von Quartieren, in denen Gefechtsstände für Stäbe der meisten deutschen Truppengattungen untergebracht waren. Im 20 km entfernten OKH Mauerwald (Mamerki) hatten von 1941 bis Januar 1945 das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres (OKH) und das Quartier des Heereshauptversorgungsdienstes ihren Sitz.[1] In der Nähe von Possessern (Pozezdrze) entstanden die verbunkerte Feldkommandostelle Hochwald für Heinrich Himmler, in Breitenheide (Szeroki Bór) das Göring-Quartier, in Goldap das Quartier und die Versuchsanstalt der Luftwaffe (Deckname Robinson), in Rosengarten (Radzieje) das Quartier des Reichskanzleichefs, in Nikolaiken die Abwehrzentrale, in Lötzen (Giżycko) in der Feste Boyen die Abwehrabteilung Fremde Heere Ost, die unter der Leitung von Reinhard Gehlen Informationen von den sowjetischen Gefangenen gewann. Außerdem hatte Außenminister Joachim von Ribbentrop im Schloss der Familie Lehndorff in Steinort (Sztynort) und am Schwenzaitsee (Jezioro Święcajty) Residenzen. Göring verfügte über ein Anwesen in der Rominter Heide, den Reichsjägerhof Rominten. Das Lazarett der Wolfsschanze befand sich in den ehemaligen Carlshöfer Anstalten.[2]
Name
Den Decknamen gab Adolf Hitler der Anlage selbst, angelehnt an das von ihm verwendete Pseudonym „Wolf“, das auf die Bedeutung seines Vornamens Adolf zurückzuführen ist und das er hauptsächlich in seiner privaten Korrespondenz der 1920er Jahre verwendet hatte.[3] Ein weiterer Tarnname des Führerhauptquartiers Ost war „Görlitz“.
Geschichte
Die Wolfsschanze wurde ab 1940 durch die Organisation Todt oberirdisch errichtet. Zum Schutz gegen Luftaufklärung lag sie in einem dichten Wald unter nichtbrennbaren Tarnnetzen und war mit einem tarnenden Mörtel versehen. Zahlreiche Flakstellungen sicherten gegen Luftangriffe.[4] Insgesamt wurden auf dem Gebiet zwischen 1940 und 1944 ca. 100 verschiedene Objekte und Gebäude errichtet. Die Baustelle hatte den Tarnnamen „Chemische Werke Askania“.[5] Seit 1941, mit Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa), war die Wolfsschanze der Hauptaufenthaltsort von Hitler.
Die Anlage umfasste insgesamt ca. 40 Wohn-, Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude sowie sieben massive und 40 leichte Stahlbetonbunker. Die Decken der Bunker waren sechs bis acht Meter dick. Die Anlage verfügte über einen Bahnanschluss und besaß einen eigenen Flugplatz. Sie war von einem 50 bis 150 Meter breiten Minengürtel und einem 10 km langen Stacheldrahtzaun umgeben. Es bestand ständige Funk- und Telefonverbindung nach Berlin und zu allen Frontabschnitten.
Hitler befand sich im Bunker Nr. 13 der spartanisch ausgelegten Anlage, im streng gesicherten Sperrkreis 1. Dort hielten sich neben den Kommandeuren der Wehrmacht auch hochrangige Vertreter der NSDAP auf. Insgesamt existierten drei Sperrkreise, für die man jeweils Passierscheine benötigte. Im Sperrkreis 2 befanden sich die aus Holzbaracken bestehenden Unterkünfte des „Führer-Begleit-Bataillons“. Im Führerhauptquartier hielten sich insgesamt über 2100 Offiziere, Soldaten und Zivilpersonen dauerhaft auf.
Die Sicherungsmaßnahmen waren jedoch nicht streng genug, um das Sprengstoffattentat am 20. Juli 1944 auf Hitler zu verhindern, das Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf dem Gelände der Wolfsschanze während einer Lagebesprechung verübte. So hatte der Wachoffizier des inneren Sperrkreises keine Befugnis zu Durchsuchungen. Die Tore waren lediglich aus Holz, die Zäune aus Maschendraht. Sofern Generäle passierten, wurde deren Begleitung ebenfalls nicht weitergehend kontrolliert. Die Überwachung des Führer-Begleit-Bataillons führten in der Regel Mitglieder der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ durch; im Verlauf des Krieges wurden hierfür zunehmend Kriegsversehrte dieser Einheit herangezogen. Seit dem 20. Juli 1992[6] erinnert eine Gedenktafel in Form eines aufgeschlagenen Buches mit geborstenem Rücken an das Attentat.
Am 20. November 1944 verließ Hitler die Wolfsschanze endgültig, als die Rote Armee weniger als hundert Kilometer entfernt stand. Die Bunker übernahm danach der Stab der 4. Armee von General Friedrich Hoßbach.
Als am 24. Januar 1945 die Rote Armee anrückte, wurden alle Objekte von der zurückweichenden Wehrmacht gesprengt. Es wird angenommen, dass für die Sprengung einzelner Bunker bis zu 8 Tonnen Sprengstoff verwendet wurden. Von 1945 bis 1955 wurden hier ca. 54.000 Minen entschärft.[7]
Die Ruinen sind seit 1959 eine Touristenattraktion in Masuren, die jährlich etwa 200.000 Personen besuchen. Mit Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von 1,6 Millionen Euro durch einen Privatinvestor im Jahr 2012 sollte die Besucherzahl auf 240.000 gesteigert werden.[8]
An einer seriösen Präsentation des Bunkergeländes mangelt es bislang. Auch über die Tatsache, dass die 57 ha Fläche der Wolfschanze als wichtiges Biotop nach der Richtlinie des Europarates (92/43/EWG) klassifiziert sind, wird nur am Rande informiert.[9]
Lageplan der Anlage
Die Nummerierung auf diesem Plan entspricht nicht der Nummerierung der Anlage, wie sie der Besucher heute vor Ort vorfindet.
Propagandistische Inszenierung der Anlage
Die „Führerhauptquartiere“ waren nicht nur Anlagen militärischer Zweckmäßigkeit, sondern standen von Beginn an im Zentrum der NS-Propaganda, die das Wort „Führerhauptquartier“ zu einem exklusiven Markenzeichen Hitlers als Oberbefehlshaber der Wehrmacht machte. Um den Hauptquartieren die Aura mythischer Orte von geschichtlicher Bedeutung zu verleihen, hielt Hitler sie auf räumlicher Distanz, insbesondere zum Oberkommando des Heeres.[10]
Der Historiker Christoph Raichle schreibt hierzu, dass der enorme Ausbau der Wolfschanze in Ostpreußen im Herbst 1944 weniger militärischen Zwecken gedient habe, sondern von Hitler, der bereits die Kriegsniederlage vor Augen gehabt habe, als ein „Bollwerk des Untergangs“ konzipiert worden sei. Hitler habe so der Nachwelt durch die Ruine, die selbst großangelegten Sprengversuchen widerstand, ein Dokument seines Kampfes gegen den Kommunismus hinterlassen wollen.[11]
Siehe auch
Literatur
- Christel Focken: FHQ „Führerhauptquartiere“ Wolfsschanze (Masuren). Helios, Aachen 2008, ISBN 978-3-938208-84-7.
- Walter Frentz: Wolfsschanze. Lempertz, Königswinter 2011, ISBN 978-3-939284-06-2.
- Martin Kaule: Wolfsschanze. »Führerhauptquartier« in Masuren. Ch. Links, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-768-7.
- Uwe Neumärker, Robert Conrad, Cord Woywodt: „Wolfsschanze“. Hitlers Machtzentrale im Zweiten Weltkrieg. (1999) 4., aktualisierte Auflage. Ch. Links, Berlin 2012, ISBN 978-3-86153-433-4.
- Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2014. (Kap. 6 Wolfsschanze, S. 425–435)
- Alfons Schulz: Drei Jahre in der Nachrichtenzentrale des Führerhauptquartiers. 2. Auflage. Christiana, Stein am Rhein 1997, ISBN 3-7171-1028-4.
- Jerzy Szynkowski: Wolfsschanze; Allgemeine Informationen, Das Attentat vom 20. Juli 1944, Fundiertes Bildmaterial, Erinnerungen von Zeitzeugen. ALGRAF s.c. Bischofsburg/ Biskupiec.
- Jan Zduniak, Agnieszka Zduniak: Wolfsschanze und Hitlers andere Kriegshauptquartiere in Wort und Bild. Kengraf, Kętrzyn 2006, ISBN 83-89119-18-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- 30 unzerstörte Bunker – Mauerwald – Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres. (Memento vom 31. März 2013 im Webarchiv archive.today)
- Boris Böhm, Hagen Markwardt, Ulrich Rottleb: „Wird heute nach einer Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Sachsen überführt“ – Die Ermordung ostpreußischer Patienten in der nationalsozialistischen Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein im Jahre 1941. Hrsg.: Leipziger Universitätsverlag. 2015, ISBN 978-3-86583-976-3, S. 41 ff.
- Im Führerhauptquartier (FHQ)
- J. Zduniak, A. Zduniak: Wolfsschanze und Hitlers andere Kriegshauptquartiere in Wort und Bild. Wydawnictwo KENGRAF, Kętrzyn 2011, S. 14 f.
- Wolfsschanze bei Rastenburg
- Karin Tomala: Gedenken in der Wolfsschanze: Eine Stimme aus Polen: Stätte der Begegnung. In: ZEIT ONLINE. 31. Juli 1992, abgerufen am 16. Februar 2020.
- Zerstörung der Wolfsschanze. (Memento vom 16. April 2013 im Webarchiv archive.today)
- Reiseportal Masuren
- Thomas Klatt: Das Grauen als Geschäft. In: General-Anzeiger Bonn. Beilage. 17./18. Oktober 2015, S. 2.
- Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2014, S. 221 ff.
- Christoph Raichle: Hitler als Symbolpolitiker. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2014, S. 431–35.