Wolfgang Scheler

Wolfgang Scheler (* 27. Juni 1935 in Gera als Wolfgang Giebner) ist ein deutscher Philosoph, Friedensforscher und ehemaliger Kapitän zur See der Nationalen Volksarmee.

Er wirkte als Hochschullehrer (1965) und Ordentlicher Professor (1978) an der Militärakademie Friedrich Engels (MAFE)[1] der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik in Dresden (1965–1990).[2]

Leben

Herkunft und Ausbildung

Wolfgang Scheler wurde als Wolfgang Giebner am 27. Juni 1935 in Gera geboren. Sein Vater, Hermann Scheler, war als antifaschistischer Widerstandskämpfer im Zuchthaus; es wurde ihm verwehrt, dem Sohn seinen Familiennamen zu geben. Wolfgang beendete die Schule mit dem Abitur.

Militärische Laufbahn

Im Jahr 1953 trat er in die Kasernierte Volkspolizei (KVP) der DDR ein, wurde Offiziersanwärter an der Kfz.-Schule und schloss diese im Jahr 1955 mit der Ernennung zum ersten Offiziersdienstgrad ab. Im Januar 1956 wurde Wolfgang Giebner in die Nationale Volksarmee übernommen und als Kfz.-Zugführer in das Motorisierte Schützenregiment 1 (MSR-1)[1] versetzt.

Im Jahr 1957 war er als Kfz.-Zugführer an der Artillerie-Schule eingesetzt. Nach einem Jahreslehrgang an der Politschule der NVA wurde er als Stellvertreter des Kompaniechefs für politische Arbeit („Politstellvertreter“) in die Kfz.-Kompanie im Kommando der Seestreitkräfte (ab 1960 – Volksmarine) der NVA versetzt.

Am 21. März 1960 nahm er den väterlichen Familiennamen Scheler an.

In den Jahren 1961–1963 studierte Wolfgang Scheler an der Politschule Berlin-Treptow und an der Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden. Mit einer Fahrenszeit (1963–1965) in der Landungsabteilung der Volksmarine in der Funktion als Oberoffizier für Propaganda schloss er seine Flottendienstzeit ab.

Wissenschaftlicher Werdegang

Der Diplom-Gesellschaftswissenschaftler (Dipl.-Ges.) Scheler begann im Herbst 1965 seine wissenschaftliche und Hochschullehrer-Laufbahn mit einem Lehrauftrag als Fachlehrer für Dialektischen Materialismus und philosophische Probleme des Krieges und der Streitkräfte an der Militärakademie „Friedrich Engels“ in Dresden.

Nach planmäßiger Aspirantur (1969–1973) am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED wurde Scheler zum ersten akademischen Titel Doktor der Philosophie (Dr. phil.) promoviert (1973).[3]

Danach war Scheler als Hauptfachlehrer für Historischen Materialismus an der Militärakademie „Friedrich Engels“ eingesetzt und wurde dort im Jahr 1974 Leiter des Lehrstuhls Marxistisch-leninistische Philosophie.[2]

Im Jahr 1975 wurde er in den Wissenschaftlichen Rat für marxistisch-leninistische Philosophie der DDR berufen.[4]

Seine Promotion B (1977) zum Doktor der Philosophischen Wissenschaften (Dr. sc. phil.) nach einer Gemeinschaftsarbeit mit Erich Hocke – zu philosophischen Problemen von Krieg und Frieden in der Gegenwart[5] – begründete eine Denkrichtung der Friedensforschung, die in der NVA und im geistigen Leben der DDR Einfluss erlangte.

Im Jahr 1978 wurde er zum Ordentlichen Professor für Dialektischen und Historischen Materialismus berufen. Im Jahr 1979 erfolgte die Berufung in den Wissenschaftlichen Rat der Militärakademie.[4]

Wolfgang Scheler war einer der Vordenker zum Problemkreis Frieden – Krieg – Streitkräfte. Er gehörte zu den ersten Wissenschaftlern in der NVA, die erkannten und thematisierten, dass im Atom-Zeitalter Krieg zum Untergang der Menschheit führen kann und daher als Mittel der Politik untauglich geworden ist.

Seit Beginn der 1980er Jahre trug er maßgeblich zur Überwindung des alten militärischen und Sicherheitsdenkens bei. Scheler wurde im Jahr 1988 in den Wissenschaftlichen Rat für Friedensforschung an der Akademie der Wissenschaften der DDR berufen.

In den Jahren 1989/90 war Kapitän zur See Wolfgang Scheler einer der Initiatoren der demokratischen Militärreform in der DDR.

Im Februar 1990 wurde Wolfgang Scheler in den von Rolf Lehmann an der Militärakademie initiierten Interdisziplinären Wissenschaftsbereich Sicherheit[spolitik] (IWBS) berufen, der als Vorläufer für ein zu schaffendes Institut für Sicherheitspolitik konzipiert war. Dessen Arbeitsergebnisse, darunter Beiträge von Scheler, wurden in der Schriftenreihe der Militärakademie Arbeitspapiere IWBS öffentlich publiziert.[6]

Im März 1990 wurde Scheler zum Mitglied des Konzils und des Senats der Militärakademie gewählt.

Mit der Auflösung der Nationalen Volksarmee im Zuge der staatlichen Einheit Deutschlands wurde er am 30. September 1990, vor der Außerdienststellung der NVA, entlassen. (KptzS a. D.)

Friedenspolitisches Wirken

Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst blieb Wolfgang Scheler auch ohne die Wirkungsmöglichkeiten einer akademischen Institution gesellschaftlich, wissenschaftlich und publizistisch aktiv.

Im Oktober 1990 war Scheler aktives Gründungsmitglied der Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik e. V. (DSS), war Vorstandsmitglied (1990–1993), langjährig Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden (1994–2005), wirkte als ihr Vorsitzender (2005–2015) und als einer der Liquidatoren bei Auflösung des Vereins (DSS i. L., 2016–2017). Scheler publizierte eine Vielzahl eigener Beiträge in 48 Heften der DSS-Arbeitspapiere und unterstützte aktiv das sicherheits- und friedenspolitischen Wirken der Studiengemeinschaft in der Öffentlichkeit.

Im Jahr 1991 beteiligte er sich an der Gründung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e. V. und nachfolgend bis zum Jahr 2005 an der Leitungstätigkeit des Arbeitskreises Dresden der Stiftung, speziell zur inhaltlichen Gestaltung und Organisation philosophischer und friedenspolitischer Veranstaltungen.

Im Jahr 1993 regte Wolfgang Scheler gemeinsam mit Ernst Woit an, für die Studiengemeinschaft eine breitere Publizität für Friedensforschung zu gewinnen und öffentliche Veranstaltungen in Dresden inhaltlich zu gestalten. Das geschah in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Friedensinitiative Dresden, u. a. als Dresdner Friedenssymposium (1993–2010) und als jährliches Podium zum Weltfriedenstag (1993–2013). Wolfgang Scheler förderte als Vereinsvorsitzender die Organisation der Dresdner Symposien „Für eine globale Friedensordnung“ (1996–2013), an denen namhafte in- und ausländische Wissenschaftler mitwirkten und Scheler regelmäßig einer der Referenten war.[7]

Auszeichnungen

  • 1989 „Nationalpreis der DDR“, dritter Klasse im Kollektiv, für seine Beiträge zur marxistisch-leninistischen Theorie über Frieden, Krieg und Streitkräfte.[8]
  • 1985 „Friedrich-Engels-Preis“ der DDR, erster Klasse, für hervorragende Leistungen zum Nutzen der sozialistischen Landesverteidigung als Mitglied eines Kollektivs (Autorenkollektiv des Buches Die Philosophie des Friedens im Kampf gegen die Ideologie des Krieges.)[9]
  • 1978 „Friedrich-Engels-Preis“ der DDR, dritter Klasse für hervorragende Leistungen zum Nutzen der sozialistischen Landesverteidigung als Mitglied eines Kollektivs.[7]

Literatur

Schriften (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Abkürzung in: ZMSBw: Standortdatenbank NVA und GT/DDR.
  2. Siehe Biografische Daten von Wolfgang Scheler. In: Joachim Klopfer (Red.): Vorwort zur Festschrift – Wolfgang Scheler zum 65. Kurzporträt. In: Für eine Welt ohne Krieg. (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 55, Dresden 2000, S. 2. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-339745
  3. Zur Dialektik von materiellen Verhältnissen und Moral beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Dissertation A. (Hrsg.) Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Berlin 1973.
  4. Siehe Wahl/Berufung von Offizieren des Lehrstuhls in wissenschaftliche/gesellschaftliche Gremien der DDR. In: Alwin Loose/ Wolfgang Scheler: Philosophen an der Militärakademie. Der Philosophie-lehrstuhl an der Militärakademie „Friedrich Engels“. Reminiszenzen ehemaliger Mitglieder. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 109, Dresden 2014, Anlage 3, S. 338. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340221
  5. Wolfgang Scheler/ Erich Hocke: Die Einheit von Sozialismus und Frieden. Zu philosophischen Problemen von Krieg und Frieden in der Gegenwart. Dissertation B, Gemeinschaftsarbeit, Dresden 1977, III, 307 und 33 S. Auch im Dietz Verlag, Berlin 1977.
  6. Siehe Arbeitspapiere IWBS. (Hrsg.) Militärakademie "Friedrich Engels", Heft 1 bis 3, Dresden 1990. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-341704
  7. Siehe Der Lehrstuhl im gesellschaftlichen Umbruch. In: Alwin Loose/ Wolfgang Scheler: Philosophen an der Militärakademie. Der Philosophielehrstuhl an der Militärakademie „Friedrich Engels“. Reminiszenzen ehemaliger Mitglieder. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 109, Dresden 2014, S. 164 ff. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340221
  8. Siehe Promotionen, Berufungen und Wissenschaftspreise. In: Alwin Loose / Wolfgang Scheler: Philosophen an der Militärakademie. Der Philosophielehrstuhl an der Militärakademie „Friedrich Engels“. Reminiszenzen ehemaliger Mitglieder. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Dresden 2014, Heft 109, S. 267. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340221}
  9. Siehe Promotionen, Berufungen und Wissenschaftspreise. In: Alwin Loose/ Wolfgang Scheler: Philosophen an der Militärakademie. Der Philosophielehrstuhl an der Militärakademie „Friedrich Engels“. Reminiszenzen ehemaliger Mitglieder. In: (Hrsg.) Dresdener Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik (DSS) e. V., DSS-Arbeitspapiere, Heft 109, Dresden 2014, S. 258. urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-340221
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