Wire Train Bus
Der Wire Train Bus (WTB) ist ein Feldbus für die Datenkommunikation zwischen den einzelnen Schienenfahrzeugen eines Zuges. Er ist dabei Teil des Train Communication Network (TCN).
Entstehungsgeschichte
Bei der Eisenbahn werden zur Steigerung der Produktivität des rollenden Materials zunehmend Triebzüge und Wendezüge eingesetzt, im Güterverkehr Doppeltraktion statt Vorspannbetrieb, wodurch die zweite Lokomotive nicht mit einem Triebfahrzeugführer besetzt sein muss. Auch in Eisenbahnfahrzeugen werden immer mehr rechnergesteuerte Komponenten eingesetzt, die untereinander in Verbindung stehen. Das sind unter anderem die Heizung und Klimaanlage, der Bordnetzumrichter und die geschlossenen Toilettenanlagen. Moderne Schienenfahrzeuge stellen daher erhöhte Anforderungen an die Informationsübertragung, welche mit den bis dahin üblichen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen nicht mehr abgedeckt werden konnten.
Zur Sicherstellung der Interoperabilität der einzelnen Fahrzeuge im internationalen Verkehr und der Austauschbarkeit von Komponenten untereinander erarbeitete in den 1990er Jahren der Internationale Eisenbahnverband (UIC) zusammen mit der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) in Genf einen Standard zum Datenaustauschs zwischen den Fahrzeugen eines Zuges und innerhalb von Fahrzeugen. Dieser erstmals 1999 als internationale Norm IEC 61375 publizierte Standard definiert den Train Communication Network-Feldbus. Als Teil des Train Communication Networks wurde der WTB entwickelt.[1]
Das parallel entwickelte UIC-Merkblatt 556 stellt hierbei das Bindeglied zwischen den Funktionen der technischen Anwendungen und dem Train Communication Network dar.[2]
Anwendung
Der WTB ist in vielen modernen Eisenbahnfahrzeugen eingebaut, insbesondere wenn diese über eine automatische Kupplung verfügen. In Deutschland ist er z. B. in den Triebzügen ICE 3, ICE-T, ICE-TD, Baureihe 423,[3] Baureihen 640–644, aber auch bei Straßenbahnen (Stadtbahn Stuttgart) im Einsatz. Er dient in mehrteiligen Triebwagenzügen[4] der Kommunikation zwischen den Triebzugeinheiten (z. B. den Halbzügen beim ICE 3). Innerhalb einer Triebzugeinheit bindet dagegen der Multifunction Vehicle Bus (MVB) die einzelnen rechnergesteuerten Komponenten an die Zentralsteuergeräte (ZSG) an.
Lokbespannte Züge mit WTB gibt es in Deutschland seit Inbetriebnahme des Metropolitan Express Train (MET). Die MET-Wagenzüge sowie vier Lokomotiven der Baureihe 101 wurden mit dem WTB-MET ausgestattet. Die ICE L sind mit WTB-ÖBB ausgestattet.
Die Version WTB-IC für Intercity-Züge wurde bei den DB AG-Lokomotiven der Baureihe 101 in der Ausführung „S“, später auch in der Ausführung „E“ für das Fahrgastinformationssystem (FIS) und die seitenselektive Türsteuerung nachgerüstet.
Bei Fahrzeugen, die nicht in festen Zugverbänden laufen, wird für den WTB meist die 18-polige doppelt gekuppelte UIC-Leitung verwendet. Die Adernpaare 17 und 18 dienen dabei der WTB-Signalübertragung zwischen den Fahrzeugen. Diese Anwendungsform wird in der Schweiz bei Pendelzügen mit Lokomotiven der Baureihe Re 460 und EW-IV-, EC- oder IC2000-Wagenmaterial verwendet.
Technische Parameter
Der Wire Train Bus kann elektrisch per Twisted Pair oder optisch per Glasfaser vermittelt werden. Die Standardausführung per UIC-Verbinder hat eine Shielded-Twisted-Pair-Verkabelung. Physisch wird eine digitale RS-485 Übertragung mit 1 Mbit/s Datenrate verwendet. Die Kodierung erfolgt per Manchester-II-Kanalcode und HDLC-Blocksicherung. Maximal können 32 Knoten auf einer Länge von maximal 860 Metern (ohne Repeater) verbunden werden. Der Aufbau mit maximal 1024 bit Nutzdaten je Telegramm erlaubt Antwortzeiten von typisch 100 µs.[5]
Telegrammstruktur
Informationen, welche mithilfe des Wire Train Bus übertragen werden, werden in zwei verschiedene Telegramm-Typen verpackt:[2]
- R-Telegramme: regelmäßige Telegramme, die alle 100 ms von einem Fahrzeug an alle anderen gesendet werden.
- E-Telegramme: ereignisorientierte Telegramme werden einmalig aufgrund eines auslösenden Ereignisses übertragen. Sie können sowohl im bilateralen Verkehr zwischen zwei Zugbusteilnehmer oder an mehrere bzw. alle Zugbusteilnehmer gesendet werden.
Das UIC-Merkblatt 556 legt den Inhalt der Telegramme fest. Zusätzlich wird aber auch die Möglichkeit geboten, in einem nationalen Freiraum Informationen zu übertragen. Diese Möglichkeit wird beim ÖBB Fernsteuerkonzept genutzt.[6]
Insbesondere bei der Wendezugsteuerung über WTB hat sich die Protokollvariante WTB nach ÖBB-Fernsteuerkonzept (kurz ÖBB-WTB) durchgesetzt und ist eine Standardanforderung in Ausschreibungen in Österreich, Deutschland, Niederlande und Belgien (Stand 2022).[7] ÖBB-WTB kann vier Führerstände (für Wendezug-Doppelgarnituren) anbinden.[8]
Einzelnachweise
- Matthias Wollbert, Gerhard Weiß: Train Communication Network: Neue Standards für die Zugvernetzung. In: Eisenbahn Technische Rundschau. Nr. 10. Eurailpress, Oktober 2016, S. 49–51.
- UIC-Merkblatt 556, Informationsübertragung im Zug (Zugbus), 2009.
- Daniel Riechers: S-Bahn-Triebzüge – Neue Fahrzeuge für Deutschlands Stadtschnellverkehr. 1. Auflage. transpress, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-71128-1, S. 60.
- Jürgen Janicki, Horst Reinhard, Michael Rüffer: Schienenfahrzeugtechnik (DB-Fachbuch). Bahn Fachverlag, abgerufen am 23. September 2022.
- Hubert Kirrmann: Train Communication Network IEC 61375-4 Wire Train Bus. (Powerpoint; 1,0 MB) École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), 20. Januar 1999, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 16. Juni 2011; abgerufen am 7. Oktober 2011 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Friedrich Leitenberger: Die Verbreitung des UIC-Zugbus bei den Österreichischen Bundesbahnen. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Nr. 03, März 2007, S. 141–145.
- Wird ÖBB-WTB „Standard“ im Fernverkehr? Rail Business, August 2022 .
- Nicolas Baumhauer: ÖBB-Fernsteuerkonzept. I. Erste Schritte. 24. November 2017 .
Quellen
- Bedienderhandbuch IC2000 und FDV