Willa Thorade

Willa Thorade (* 12. November 1871 in Oldenburg; † 11. Juni 1962 ebenda) war eine Persönlichkeit der Sozialfürsorge: Sie befürwortete die Frauenrechte in Oldenburg (Land).

Leben

Willa Thorade war die älteste Tochter des Bankdirektors Carl Heinrich Thorade (* 5. September 1841; † 18. Juli 1896) und seiner Ehefrau, der Lehrerin Anna Thorade geb. Strackerjahn (27. Mai 1849 bis 18. März 1943). Ihre Geschwister waren Hedwig, Erna und Erich Thorade.[1]

Sie wohnte nach dem überraschenden Tode ihres Vaters im Jahr 1896 zusammen mit ihrer Mutter im Hause Bismarckstraße 23/Ecke Hindenburgstraße in Oldenburg, dessen Eigentümerin sie später auch wurde. Hier befand sich später auch die Geschäftsstelle des Vaterländischen Frauenvereins (siehe unten).

Willa Thorade war nicht verheiratet.[2] Sie besuchte zehn Jahre lang die Cäcilienschule Oldenburg. Einen Beruf erlernte sie nicht.

Vereins- und Verbandstätigkeiten

Der erste Vaterländische Frauenverein (VFV) des Landes Oldenburg wurde am 12. August 1870 in der Stadt Oldenburg gegründet. Im Jahr 1892 schlossen sich alle bis dahin gegründeten Frauenvereine zum Verband der vaterländischen Frauen-Vereine im Großherzogtum Oldenburg zusammen (Landesverband).[3] Auf Willa Thorades Anregung entstanden in der Folge hauptsächlich in Oldenburg zahlreiche Einrichtungen sozialer Art, so etwa Berufsschulen für Mädchen, Frauenfachschulen, Säuglingsheime und Mütterberatungsstellen. Im Jahr 1932 wurden über 50 % aller Oldenburger Kinder von diesen Einrichtungen betreut. Um die neuesten Entwicklungen auf sozialen Gebieten für die lokalen Frauenvereine nutzbar zu machen, unternahm sie regelmäßig Studienreisen, so unter anderem nach Hamburg, München, Freiburg und Mannheim.

Willa Thorade übernahm am 3. Juli 1905 den Vorsitz des Vaterländischen Frauenvereins (Zweigverein) von ihrer verstorbenen Vorgängerin Theodore Zedelius und hatte ihn bis Beginn der 1930er Jahre ununterbrochen inne. Der Vorstand des späteren oldenburgischen Landesverbandes wurde zunächst vom Vorstand des Zweigvereins Oldenburg in Personalunion gebildet.[4]

Im Ersten Weltkrieg organisierte sie neben der Fürsorgevermittlung auch den Ausbau des Pflegerinnenwesens für die drei vom Roten Kreuz in Oldenburg eingerichteten Lazarette. Nach Kriegsende arbeitete sie als einzige Frau in der oldenburgischen Demobilisierungskommission.

Als Vorsitzende des VFV unterstützte Willa Thorade die Bemühungen um die Gewährung des Gemeindebürgerrechts für Frauen im Land Oldenburg. Nach dem Hinweis der Vorsitzenden des Hauptvereins des VFV in Berlin auf die grundsätzlich ausgeschlossene politische Beteiligung der Frauenvereine zog Willa Thorade die Unterschrift unter die Forderung bezüglich des Gemeindebürgerrechts zurück.[5]

Als Mitbegründerin sowie Vorsitzenden des Frauenverbandes des Freistaates Oldenburg kümmerte sie sich in den letzten Jahren der Weimarer Republik mit der Organisation von Fortbildungskursen besonders um jugendliche weibliche Erwerbslose.

Politische Tätigkeiten

Willa Thorade gehörte zu den ersten Frauen, die sich 1918 für ein Amt als Stadtrat in Oldenburg bewarben. Sie war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Mitglied des Stadtrates Oldenburg war sie von 1919 bis 1933. Ihre Themen waren dort u. a. Theater- und Schulfragen.[6] Im Jahr 1933 legte sie ihre öffentlichen Ämter aus Protest gegen die Nationalsozialisten und ihre Methoden nieder.[7]

Sie gründete danach den privaten „Dienstags-Kreis“, der in ihrem Hause tagte. Er diente gleichgesinnten Demokraten als Austausch und Treffpunkt; so u. a. von Gertrud Bäumer, Marianne Weber und Helene Lange. Dieser Dienstags-Kreis wurden offensichtlich von der Gestapo observiert.[7]

Unmittelbar nach dem Zusammenbruch 1945 rief sie die Arbeitsgemeinschaft Oldenburger Frauen ins Leben, die sie bis 1951 leitete und deren Ehrenvorsitzende sie wurde.

Ihre Tätigkeiten umfassten die Gebiete:

  • Organisation sozialer Frauenarbeit
  • Einsatz für Frauenrechte
  • aktive politische Arbeit in der Gemeinde (Stadtrat Oldenburg)
  • journalistische Arbeit zu Frauen- und Wohlfahrtsthemen
  • Engagement für Frauenbildungs- und Volksbildungseinrichtungen
  • Entwicklung einer progressiven kulturellen Landschaft in Oldenburg.[8]

Journalistische Arbeiten

Der Beginn ihrer journalistischen Tätigkeiten ist nicht ermittelbar. Sie berichtete dem Redaktionschef der Nachrichten für Stadt und Land über Oldenburger Ereignisse und später über ihre auswärtigen Tagungen in Zusammenhang mit ihren vielfältigen Tätigkeiten. Willa Thorade war redaktionell für die Frauenbeilage der Oldenburgischen Landeszeitung mit dem Titel „Die Frau im neuen Deutschland“ verantwortlich.[7]

Willa-Thorade-Stiftung

Anlässlich ihres 25. Dienstjubiläums als Vorsitzende des VFV wurde um Spenden für eine neu einzurichtende Stiftung gebeten; hierfür wurden insgesamt 10.000 Mark gespendet.[9] Das Geld wurde in Wertpapiere angelegt und die Willa-Thorade-Stiftung am 2. April 1930 errichtet. Die Stiftung wurde am 5. Juni 1930 durch das Oldenburgische Staatsministerium anerkannt.[10] Die Stiftung wurde zunächst vom Vorstand des Oldenburgischen Roten Kreuzes verwaltet. Willa Thorade war berechtigt, solange sie einer Organisation des Roten Kreuzes angehörte, über die Zinseinkünfte des angelegten Stiftungsvermögens im Rahmen des Stiftungszwecks nach ihrem freien Ermessen zu verfügen.[10] Da durch die Änderung des DRK-Gesetzes auch eine Umstrukturierung der Stiftung notwendig war, wurden diese Änderungen im Januar 1936 umgesetzt.[11] Wie lange die Willa-Thorade-Stiftung bestand, ist nicht nachvollziehbar.

Ehrungen

Willa Thorade erhielt 1907 die Rote Kreuz-Medaille III. Klasse[12], am 26. Oktober 1914 das Friedrich-August-Kreuz II. Klasse[13], im Oktober 1915 die Preußische Rote Kreuz-Medaille II. Klasse[14], am 16. November 1917 die Rote Kreuz-Medaille (Oldenburg)[15] und wurde 1926 mit der Kaiserin Augusta-Medaille für Verdienste im Roten Kreuz ausgezeichnet.[16] Sie war Ehrenmitglied des DRK-Landesverbandes, Trägerin des Ehrenzeichens 1. Klasse des Deutschen Roten Kreuzes sowie 1955 des Bundesverdienstkreuzes[17]. Sie durfte sich als zweite Frau (nach Helene Lange) am 11. November 1951 in das Goldene Buch der Stadt Oldenburg eintragen.[18] Im Jahr 1961 erhielt sie die Goldene Stadtmedaille der Stadt Oldenburg. Im Oldenburger Stadtteil Eversten wurde 1965 eine Straße nach ihr benannt.

Nachlass

Die Landesbibliothek Oldenburg verwahrt ca. 1.000 persönliche Briefe von und an Willa Thorade aus der Zeit zwischen 1888 und 1947. Ein Großteil dieser Briefe (ca. 800 Stück) sind Briefe an ihre Eltern, später nur an ihre Mutter. Weitere Briefe an z. B. Gertrud Bäumer sind für die Jahre 1913 bis 1943 ebenfalls erhalten.[19]

Literatur

  • Willa Thorade: Erinnerungen aus dem Oldenburger Kulturleben an Hand eines Gästebuches. Oldenburg 1946
  • Willa Thorade: Marie Stein-Ranke : Ansprache bei der Eröffnung einer Ausstellung am 7. Juni 1953 im Oldenburger Kunstverein. Oldenburg 1953
  • Nordwest-Zeitung: In memoriam Willa Thorade. Oldenburg 13. Juni 1962
  • Nordwest-Zeitung: Abschied von Willa Thorade. Oldenburg 18. Juni 1962
  • Beckmann, Gabriele [Mitverf.]: Weiber-Geschichten : Frauenalltag in Oldenburg 1800–1918 Ausstellung und Katalog. Oldenburg 1988, Seite 143 ff.
  • Anneliese Niehoff: „Wir fordern einfach nur unser Recht!“ Frauen und Politik in Oldenburg 1900–1950. Oldenburg 1992, Seite 31–36
  • Heike Fleßner: Die Oldenburger Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Willa Thorade (1871–1962) : was kann regionalgeschichtliche Frauenforschung zu einer feministischen Sozialpolitik beitragen?. In: Aufbrüche – Anstöße : Frauenforschung in der Erziehungswissenschaft. Oldenburg 1995, Seite 51 ff.
  • Heike Fleßner: „Ich hatte Mühe, artig zu bleiben“ : Willa Thorade – Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin zwischen Tradition und Opposition. In: Oldenburgerinnen. Oldenburg 1995, Seite 302–334
  • Peter Haupt: Thorade, Willa. In: Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Hrsg. im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft. Isensee, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-135-5, S. 747 (online).

Einzelnachweise

  1. Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Hrsg. im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft. Isensee, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-135-5, S. 747.
  2. In memoriam Willa Thorade. In: Nordwest-Zeitung, Oldenburg 13. Juni 1962.
  3. Handbuch des Vaterländischen Frauen-Vereins, Zweite berichtigte und erweiterte Auflage. Berlin 1917, Seite 1449 ff.
  4. Satzung des Landesverbandes der Vaterländischen Frauenvereine im Großherzogtum Oldenburg, 1905.
  5. Brockmann 1988.
  6. Niehoff 1992
  7. Fleßner: „Ich hatte Mühe, artig zu bleiben.“ Oldenburg 1995, Seite 313.
  8. Fleßner: „Wir fordern einfach nur unser Recht!“, Oldenburg 1995, Seite 302
  9. Oldenburgische Landeszeitung, 23. März 1930.
  10. Gesetzblatt für den Freistaat Oldenburg, Landesteil Oldenburg; XLVI. Band, 14. Juni 1930.
  11. Gesetzblatt für den Freistaat Oldenburg, Landesteil Oldenburg; XLIX. Band, 10. Januar 1936.
  12. Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 252, 22. Oktober 1907
  13. Oldenburgische Anzeigen, Nr. 285, 5. Dzemeber 1914
  14. Nachrichten für Stadt und Land, Nr. 289, 31. Oktober 1915
  15. Oldenburgische Anzeigen, Nr. 269, 16. November 1917
  16. Nachrichten für Stadt und Land, Nr. 323, 27. November 1926
  17. Bundesanzeiger, Nr. 86, 5. Mai 1955
  18. Stadt Oldenburg: Einträge im Goldenen Buch 1921–2013 (Memento vom 3. Juli 2014 im Internet Archive)
  19. Fleßner: „Wir fordern einfach nur unser Recht!“. Oldenburg 1995, Seite 303.
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