Wilhelmine von Hessen-Darmstadt
Wilhelmine Luise von Hessen-Darmstadt (* 25. Juni 1755 in Prenzlau; † 15. Apriljul. / 26. April 1776greg. in Sankt Petersburg) war unter dem Namen Natalia Alexejewna russische Thronfolgerin.
Leben
Wilhelmine war eine Tochter des Landgrafen Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (1719–1790) und seiner Gemahlin Henriette Karoline (1721–1774), Tochter des Pfalzgrafen und Herzogs Christian III. von Zweibrücken-Birkenfeld. Über ihre Schwester Friederike von Hessen-Darmstadt war sie Schwägerin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II.
Die Prinzessin wurde in Prenzlau geboren, wo ihr Vater in preußischen Diensten stationiert war, und wurde von ihrer Mutter, der sogenannten „Großen Landgräfin“, in Buchsweiler erzogen. Im Auftrag der russischen Zarin Katharina der Großen erschien Achatz Ferdinand von der Asseburg, der nach einer Braut für den russischen Thronfolger Ausschau halten sollte, 1772 am Darmstädter Hof. Landgräfin Henriette Karoline wurde mit ihren Töchtern Wilhelmine, Amalie und Luise nach St. Petersburg eingeladen, wo sich Zarin Katharina, angeblich schon beim Eintreffen der Reisegesellschaft, für Wilhelmine entschied. Als Reisemarschall fungierte Johann Heinrich Merck. Auch Friedrich der Große hatte das Heiratsprojekt unterstützt, das seinen Thronfolger mit dem russischen Hof verschwägerte.
Am 9. Juli 1773 erhielt die Prinzessin den Sankt-Katharinen-Orden. Wilhelmine konvertierte am 15. August 1773 unter dem Namen Natalia Alexejewna zur Russisch-orthodoxen Kirche und heiratete am 10. Oktober 1773 in St. Petersburg den nachmaligen Zaren Paul I. Das russische Eheprojekt konsolidierte die maroden Finanzverhältnisse des Landes Hessen-Darmstadt außerordentlich.
Natalia, als liebenswürdig und geistvoll beschrieben, beherrschte ihren Gemahl fast vollständig und drängte auf Mitregierung. Sie unterhielt eine Liebesbeziehung zu Andrei Rasumowski, einem Neffen des heimlichen Ehemanns der Zarin Elisabeth.
Natalia starb bereits drei Jahre später, nach der Geburt ihres ersten Kindes, welches ebenfalls nicht überlebte, im Wochenbett. Ausländische Diplomaten spekulierten, dass der Vater des Kindes Andrei Rasumowski gewesen sei, ein Freund des Zarewitsch und französischer Agent. Ebenso ging das Gerücht, Zarin Katharina habe Natalja jeglichen medizinischen Beistand versagt.[1] Offiziell stand die Zarin ihrer Schwiegertochter bei. Wilhelmine wurde unter Anwesenheit des gesamten Hofes im Alexander-Newski-Kloster beigesetzt, und Paul bewahrte seiner ersten Gemahlin ein liebevolles Angedenken.
Zarin Katharina wählte als Nachfolgerin Wilhelmines als Gemahlin Pauls Sophie Dorothee von Württemberg, die zu jener Zeit eigentlich mit Wilhelmines Bruder Ludwig verlobt war.
Nachkommen
- Tochter (*/† 24. April 1776)
Vorfahren
Ernst Ludwig Landgraf von Hessen-Darmstadt (1667–1739) | |||||||||||||
Ludwig VIII. Landgraf von Hessen-Darmstadt (1691–1768) | |||||||||||||
Dorothea Charlotte von Brandenburg-Ansbach (1661–1705) | |||||||||||||
Ludwig IX. Landgraf von Hessen-Darmstadt (1719–1790) | |||||||||||||
Johann Reinhard III. von Hanau (1665–1736) | |||||||||||||
Charlotte von Hanau-Lichtenberg (1700–1726) | |||||||||||||
Dorothea Friederike von Brandenburg-Ansbach (1676–1731) | |||||||||||||
Wilhelmine von Hessen-Darmstadt | |||||||||||||
Christian II. von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld (1637–1717) | |||||||||||||
Christian III. von Pfalz-Zweibrücken (1674–1735) | |||||||||||||
Katharina Agathe von Rappoltstein (1648–1683) | |||||||||||||
Karoline von Pfalz-Zweibrücken (1721–1774) | |||||||||||||
Ludwig Kraft von Nassau-Saarbrücken (1663–1713) | |||||||||||||
Karoline von Nassau-Saarbrücken (1704–1774) | |||||||||||||
Philippine Henriette zu Hohenlohe-Langenburg (1679–1751) | |||||||||||||
Archivinformationen
Natalias Briefe an ihre Mutter, Karoline von Pfalz-Zweibrücken, die zwischen 1773 und 1774 vom russischen Hof verfasst wurden, werden im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt.[2] Natalias Briefe an ihren Vater, Ludwig IX., Landgraf von Hessen-Darmstadt, ebenfalls aus Russland verfasst, werden im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt.[3] Darüber hinaus ist im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt auch Natalias Verwandtenkorrespondenz, die zwischen 1773 und 1776 vom russischen Hof verfasst wurde, aufbewahrt.[4]
Literatur
- Alan Palmer: Alexander I., ISBN 3-453-55114-1
- Zoe Oledenburg: Katharina II., ISBN 3-453-55018-8
- Helmut Riege (Hrsg.): Klopstock Briefe S. 1791
- Jürgen Rainer Wolf: Die russische Heirat der Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt.. In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, NF 55, 1997
- Carl Friedrich Günther: Anekdoten, Charakterschilderungen und Denkwürdigkeiten aus der Hessischen … S. 180
- Samuel Sugenheim: Russlands Einfluss auf, und Beziehungen zu Deutschland vom Beginne der … S. 43
- Alexa-Beatrice Christ: „Die Wahl ist getroffen...“ Darmstädter Prinzessinnen in St. Petersburg. Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-87390-356-2.
- Eckhart G. Franz (Hrsg.): Haus Hessen. Biografisches Lexikon. (= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission N.F., Bd. 34) Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-88443-411-6, HD 54, S. 326–327 (Eckhart G. Franz).
Weblinks
- Grab von Natalia Alexejewna
- Russland, Natalja Alexejewna Großfürstin von. Hessische Biografie. (Stand: 28. Februar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Ulrike Leuschner (Hrsg.): Briefwechsel Von Johann Heinrich Merck S. 380
- Briefe der Großfürstin Wilhelmine (Natalija) an ihre Mutter [Karoline]. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
- Korrespondenz des Landgrafen Ludwig IX. mit seiner Tochter Großfürstin Natalija von Russland, seinem Schwiegersohn Großfürst Paul und dem russischen Hof. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
- Korrespondenz der Großfürstin Natalija mit ihren Verwandten. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt