Wilhelm Stiegeler
Wilhelm Stiegeler (* 7. Februar 1871 in Müllheim; † 6. Juli 1939 in Konstanz) war ein deutscher Kaufmann und Unternehmer.
Leben und Wirken
Wilhelm Stiegeler entstammte einer Handwerkerfamilie des Markgräflerlandes. Als Zwölfjähriger wurde er zum Besuch der Realschule nach Konstanz geschickt. 1885 begann er eine Kaufmannslehre bei Max Stromeyer, einem bedeutenden Industriellen und ehemaligen Oberbürgermeister von Konstanz, der sein Unternehmen in dieser Zeit mehrfach umstrukturierte und schließlich die „M. Stromeyer Lagerhausgesellschaft“ gründete, eine rasch wachsende Kohlenhandlung, in der Stiegeler seit 1890 als Prokurist und seit Stromeyers Tod 1902 als einziger persönlich haftender Gesellschafter tätig war. Bald unterhielt die Lagerhausgesellschaft Lagerplätze in Ruhrort, Neuss, Rheinau (Mannheim), Kehl, Straßburg, Freiburg im Breisgau und Stuttgart; hinzu kamen Auslandsvertretungen. Das Absatzgebiet der Lagerhausgesellschaft umfasste 1914 die Schweiz, Österreich, Oberitalien, Luxemburg, Frankreich und Belgien. Zum Transport der Kohlenmengen unterhielt die Lagerhausgesellschaft einen großen Schiffspark auf dem Rhein: 1911 erwarb sie die Mehrheit an der „Rheinschiffahrt Aktiengesellschaft“ in Mannheim.[1]
Im Ersten Weltkrieg war Stiegeler mit der Verwertung der belgischen Kohlenförderung befasst, wofür ihm der Titel eines Kommerzienrats verliehen wurde. Noch während des Krieges nahm Stiegeler die Fabrikation von Briketts in Werken in Kehl und Frankfurt am Main auf. Nach dem Krieg importierte er über Rotterdam Kohle für deutsche und österreichische Eisenbahn. Seit der Mitte der 1920er Jahre stieg die Lagerhausgesellschaft unter Stiegelers Leitung zur größten Kohlen- und Treibstoffhandlung Süddeutschlands auf, erweitert um den Handel mit Düngemitteln. Die Weltwirtschaftskrise brachte die Gesellschaft in Schwierigkeiten und erzwang die Aufnahme der Bergwerksgesellschaft Hibernia AG in Herne und der Bergwerks-AG Recklinghausen als Gesellschafter.
Wilhelm Stiegeler setzte sich für die Schiffbarmachung des Hochrheins ein, ein seit den 1920er Jahren aus wirtschaftlichen Gründen verfolgtes Projekt, das erst in den 1970er Jahren, nun vorrangig aus Gründen des Landschaftsschutzes, aufgegeben wurde.[2] Stiegeler war Mitglied der liberalen Staatspartei.[3] Daneben pflegte Wilhelm Stiegeler kulturelle Interessen. So gehörte er dem Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung an, in dessen Vorstand er von 1938 bis zu seinem Tod das Land Baden vertrat.[4] 1918 erwarb Stiegeler das Gelände einer ehemaligen Kiesgrube am Konstanzer Seeufer, auf dem er durch Albert Friedrich Speer eine Villa errichten und einen Landschaftsgarten anlegen ließ; das Ensemble steht heute gesamthaft unter Denkmalschutz.[5]
Wilhelm Stiegeler war seit 1898 mit Luise, geb. Noppel, verheiratet.
Literatur
- Jürgen Klöckler: Wilhelm Stiegeler. Ein Konstanzer Kohle- und Rohstoffhändler und sein Einsatz für die Schiffbarmachung des Hochrheins vom Bodensee bis Basel von 1907–1939. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Heft 140 (2022), S. 197–228.
- Tobias Engelsing: Kriegswichtige Rohstoffe: Der Unternehmer Wilhelm Stiegeler. In: ders. (Hg.): In: Die Grenze im Krieg. Der Erste Weltkrieg am Bodensee. Sonderausstellung 2014, Rosgartenmuseum Konstanz. (Konstanzer Museumsjournal 2014). Rosgartenmuseum, Konstanz, 2014, S. 264 f. ISBN 978-3-929768-31-2.
- Karl Hönn: Wilhelm Stiegeler. 7. Februar 1871–6. Juli 1939. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Band 66, 1939, S. XIII–XXVI. Digitalisat
- Karl Hönn (Bearb.): M. Stromeyer Lagerhausgesellschaft 1887–1937. Festschrift zum 50jährigen Bestehen. Konstanz 1937.
Einzelnachweise
- Gert Zang: Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Aufschwung im Kaiserreich (= Geschichte der Stadt Konstanz. Band 4.2). Verlag Stadler, Konstanz, 1990, S. 244.
- Wolfgang Ostendorp: Die Regulierung und Schiffbarmachung des Bodensees. Erfolgreicher Widerstand gegen den Machbarkeitswahn. In: Harald Derschka, Jürgen Klöckler (Hrsg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Jubiläumsband des internationalen Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 1868–2018. Thorbecke, Ostfildern 2018, S. 290 f.
- Werner Trapp: Konstanz in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Lothar Burchardt, Dieter Schott, Werner Trapp: Konstanz im 20. Jahrhundert. Die Jahre 1914 bis 1945 (= Geschichte der Stadt Konstanz. Band 5). Verlag Stadler, Konstanz, 1990, S. 145–220, hier S. 214. ISBN 3-7977-242-6 (falsch).
- Harald Derschka: Der Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Ein Rückblick auf einhundertfünfzig Jahre Vereinsgeschichte 1868–2018. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, Band 136, 2018, S. 1–303, hier S. 220.
- Homepage des Landschaftsparks der Familie Stiegeler. Abgerufen am 15. Juni 2020.