Wilhelm Rettig
Wilhelm Rettig (* 25. Februar 1845 in Heidelberg; † 2. August 1920 in Berlin[1]) war ein deutscher Architekt, kommunaler Baubeamter, Konstrukteur und Unternehmer.
Leben
Rettig studierte von 1861 bis 1865 am Polytechnikum in Karlsruhe, wo er 1866 die zweite Staatsprüfung ablegte. Er arbeitete als Assistent von Adolph Schroedter und wurde 1867 im amtlichen Auftrag nach Paris entsandt. Bis 1871 führte mehrere größere Bauten in Heidelberg aus. Im Jahr 1872 ging er nach Berlin und begann für das Atelier von Ende und Böckmann zu arbeiten. Er übernahm anschließend die selbständige Leitung der Rheinischen Baugesellschaft in Mannheim. Kurz darauf war er wieder in Berlin, um sich mit Bootsbau zu beschäftigen, dort trat er in das Hochbaubüro des Reichstagsbaues ein und arbeitete unter Paul Wallot.
Von 1890 bis 1891 war er Stadtbaumeister in Dresden, anschließend leitete er als (städtischer) Oberbaurat die kommunale Hochbauverwaltung der Stadt München. In München gab er wichtige Impulse für die zeitgenössische Stadtplanung, konnte sich jedoch mit manchen seiner Ideen nicht gegen wirtschaftliche und kommunalpolitische Interessen durchsetzen.[2] Bereits 1896 gab er sein Amt auf und ging nach Berlin.
Rettig stellte 1895 die von ihm entwickelte Rettig-Bank für Schulen vor. Diese Schulbank wurde zunächst von dem Berliner Unternehmen P. Johs. Müller & Co. hergestellt und vertrieben, dessen Mitinhaber er war.[3] Außerdem war er Inhaber der Firma Neue Bootswerft, deren Werftanlage an der Köpenicker Landstraße in (Berlin-)Niederschöneweide lag.[4] In der Rudersport-Fachliteratur wird er vereinzelt auch als Entwickler des Rollsitzes genannt.[5] Auf der Internationalen Luftfahrtausstellung 1909 in Frankfurt am Main präsentierte er eine neuartige Bauweise für Luftschiff-Gerippe aus Holz.[6]
In seiner Freizeit war Rettig Ruderer und 1896 einer der Begründer der Berliner Rudergesellschaft Wiking e.V.[7] Er betrieb zeitweise eine eigene Bootswerft in der Stralauer Allee in Berlin, die sich mit der Entwicklung und Verbesserung des Rudergeräts, der Rollsitze, Hohlruder und Rennboote beschäftigte. Er selbst nahm bereits 1880 an Wettfahrten teil.[8]
Werk (Auswahl)
Bauten und Entwürfe
- 1876: Wettbewerbsentwurf für einen Rathaus-Neubau in Hamburg (gemeinsam mit Rosemann und Jacob)
- 1875–1881: Garnisonskirche Metz (mit Buschmann)
- 1890/91: Stufenbahn (zusammen mit Bruder Heinrich Rettig, königlicher Baurat in Posen)[9]
- 1891–1893: Markthalle Antonsplatz in Dresden (nach Vorplanung von Stadtbaurat Theodor Friedrich)
- 1891–1893: Schulgebäude an der Silbermannstraße in Dresden
- 1891 Entwurf für ein neues Realgymnasium Dreikönigschule, der jedoch nicht verwirklicht wurde.[10]
Schriften
Literatur
- Preisgekrönter Entwurf der Architekten Wilhelm Rettig und Paul Pfann zu dem Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm. Berlin 1889 OCLC 631863998.
- Personalnachrichten. In: Kunstchronik. Neue Folge, 1. Jahrgang, Nr. 1. E. A. Seemann, Leipzig 10. Oktober 1889, Sp. 9 (Textarchiv – Internet Archive).
- Korrespondenz. In: Kunstchronik. Neue Folge, 2. Jahrgang, Nr. 23. E. A. Seemann, Leipzig 23. April 1891, Sp. 387–392 (Textarchiv – Internet Archive – Ausführlicher Bericht zum Streit über den Bau des Realgymnasiums in der Dresdner Neustadt und dem Rücktritt des Stadtbaumeisters Rettig 1891.).
- Rettig, Wilhelm. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 28: Ramsden–Rosa. E. A. Seemann, Leipzig 1934, S. 192 (biblos.pk.edu.pl – ohne Erwähnung seiner Tätigkeit in München und seiner unternehmerischen Aktivitäten).
Einzelnachweise
- Stefan Fisch: Stadtplanung im 19. Jahrhundert: Das Beispiel München bis zur Ära Theodor Fischer. R. Oldenbourg, München 1988, ISBN 978-3-486-54211-0, S. 221 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Uli Walter: Der Umbau der Münchener Altstadt (1871–1914). Magisterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität München, 1987. (überarbeitete online-Fassung).
- Adreßbuch für Berlin und seine Vororte 1897. S. 879.
- Adreßbuch für Berlin und seine Vororte 1897. S. 899.
- H. Hänel: Rudern. Vom Skull zum Riemen. Ein Lehrbuch für Lehrende und Lernende, für Ausbilder und Ruderer. Frankfurt am Main 1963, S. 17. – Andere Quellen benennen für die Entwicklung des Rollsitzes Haege, Bruncke, Eggenstein und Rauscher.
- Rudolf Wolf: Maybach-Motoren und Automobile im Rhein-Neckar-Dreieck und der Pfalz. 5., überarbeitete Auflage, Books on Demand GmbH, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8334-8938-9, S. 205 f.
- Geschichte der Rudergesellschaft Wiking (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive).
- 100 Jahre Rudersport in Berlin. 1976, S. 2–5 (Textarchiv – Internet Archive).
- Julius Mandl: Die Stufenbahn der Gebrüder Rettig. In: Wochenschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines, Jahrgang 1891, Nr. 16/1891 (XVI. Jahrgang), S. 156. (online bei ANNO).
- Deutsche Bauzeitung. Stuttgart 9. Mai 1891, S. 224–225 (Textarchiv – Internet Archive).