White-Nose-Syndrom

Das White-Nose-Syndrom (WNS; deutsch auch als „Weißnasen-Syndrom“ oder „Weißnasenkrankheit“ bezeichnet) ist eine eng mit dem Pilz Pseudogymnoascus destructans (früher Geomyces destructans genannt[1]) in Zusammenhang stehende Mykose, die mehrere Arten von Fledermäusen befällt und zu Massensterben führt. Sie wurde 2006 erstmals in den nordöstlichen USA festgestellt und breitet sich dort seitdem aus. Bis Ende 2011 fielen ihr bereits über 5,7 Millionen Tiere zum Opfer.[2] Bis Anfang 2018 wurde die Mykose in 33 US-Staaten sowie 7 kanadischen Provinzen nachgewiesen.[3]

Vom White-Nose-Syndrom befallene Fledermaus (Myotis lucifugus)

Entdeckung

Erste Beobachtungen des White-Nose-Syndroms stammen vom Februar 2006. Befallene Tiere wurden in als Überwinterungsquartier genutzten Höhlen westlich von Albany (New York) gefunden. In den folgenden Wintern vergrößerte sich das betroffene Areal; derzeit (März 2010) reicht es von New Hampshire bis Tennessee, hauptsächlich westlich des Hauptkammes der Allegheny Mountains. Im März 2010 wurde außerdem ein erster Bericht aus Kanada über eine betroffene Fledermauskolonie im Raum Bancroft (Ontario) bekannt.[4]

Merkmale

Großes Mausohr (Myotis myotis) mit Infektion durch den Pilz Pseudogymnoascus destructans

Die Krankheit befällt mehrere in Höhlen überwinternde Fledermausarten (Vertreter der Gattungen Myotis und Pipistrellus). Tote oder sterbende Tiere zeigen vielfach weißen Pilzbewuchs vor allem in der Nasenregion, zuweilen auch an anderen Körperteilen wie den Ohren oder den Flughäuten. Da die erkrankten Tiere untergewichtig sind, fehlen ihnen die für den Winterschlaf und das Überleben danach erforderlichen Fettreserven.

Ursachen

Pseudogymnoascus destructans

In engem Zusammenhang mit der Krankheit steht die zu einer Gattung bodenbewohnender Pilze gehörende, 2008 neu beschriebene Art Pseudogymnoascus destructans.[5] Der Pilz gehört zur Familie der Pseudeurotiaceae der Klasse der Dothideomycetes. Diese Art ist durch Anpassung an kühle Verhältnisse (Psychrophilie) gekennzeichnet. Da in den betroffenen Höhlen aufgefundene tote Tiere jedoch nicht immer sichtbare Zeichen von Pilzbefall tragen, war lange unklar, ob der Pilz möglicherweise nicht Primärursache, sondern Symptom einer anderen, ungeklärten Ursache des Massensterbens ist. 2011 gelang es Wissenschaftlern jedoch erstmals, den Pilz direkt als Verursacher des White-Nose-Syndroms festzustellen.[6]

In den Höhlen, in denen die Krankheit zuerst festgestellt wurde, hat die Fledermauspopulation seitdem über 90 % abgenommen. Besonders gefährdet durch die Ausbreitung des White-Nose-Syndroms erscheint derzeit die Art Myotis sodalis, deren wenige Hauptüberwinterungsquartiere bereits befallen sind. Es wird allerdings befürchtet, dass selbst häufige Arten, wie das Kleine Braune Mausohr (Myotis lucifugus), regional komplett verschwinden werden.[7]

Durch die Infektion in Nordamerika sensibilisiert, wurden seit 2009 auch in etlichen europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Ungarn, Frankreich) eindeutig mit Pseudogymnoascus destructans infizierte Fledermäuse gefunden[8][9]. Diese lebten jedoch und wiesen kein Untergewicht auf. Aus dem weiten Verbreitungsgebiet des Pilzes in Europa wird gefolgert, dass der Pilz hier schon länger verbreitet ist und für die europäischen Fledermäuse offenbar keine Gefahr darstellt[10].

Von den bisher diskutierten drei Szenarien:

  • Pseudogymnoascus destructans wurde inzwischen von Amerika nach Europa eingeschleppt.
  • Pseudogymnoascus destructans ist in Europa heimisch, führt dort aber zu keinen Massensterben, da dortige Fledermausarten – anders als in Nordamerika, wohin der Pilz aus Europa verschleppt wurde, – immun sind.
  • Pseudogymnoascus destructans ist ein opportunistischer Erreger und befällt bereits durch andere Ursachen geschwächte Tiere (vgl. auch weiter oben).

wurde mit den aktuellen Erkenntnissen das erste und dritte Szenario widerlegt und das zweite bestätigt[11].

Der United States Fish and Wildlife Service (USFWS) fordert alle Höhlenforscher auf, auf das Begehen von Höhlen in den betroffenen und angrenzenden US-Bundesstaaten zu verzichten, um die Krankheitsübertragung nicht zu fördern und die Fledermäuse nicht zusätzlich zu stören. Auf einem internationalen Symposium in Little Rock/Arkansas kündigte der USFWS am 19. Mai 2011 einen Aktionsplan an, der die weitere Ausbreitung des White-Nose-Syndroms stoppen soll.[12]

Commons: White-Nose Syndrome – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. A. Gargas, M. T. Trest, M. Christensen, T. J. Volk, D. S. Blehert: Geomyces destructans sp. nov., associated with bat white-nose syndrome. In: Mycotaxon. 2009; 108(8), 147–154.
  2. North American bat death toll exceeds 5.5 million from white-nose syndrome (Memento des Originals vom 13. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.batcon.org (PDF; 111 kB). Pressemitteilung des U.S. Fish and Wildlife Service auf den Internetseiten der Bat Conservation International, 17. Januar 2012.
  3. Whitenosesyndrome.org: "Where is WNS now" Juli 2018
  4. First case of white-nose fungus found in Ontario bat colony. (Memento vom 2. Mai 2010 im Internet Archive) In: Ottawa Citizen. 21. März 2010.
  5. Mysterious Bat Disease Decimates Colonies: Newly Identified Fungus Implicated In White-nose Syndrome. In: Science Daily. 31. Oktober 2008.
  6. Jeffrey M. Lorch, Carol U. Meteyer, Melissa J. Behr, Justin G. Boyles, Paul M. Cryan, Alan C. Hicks, Anne E. Ballmann: Experimental infection of bats with Geomyces destructans causes white-nose syndrome. In: Nature. Band 480, 2011, S. 376–378, doi:10.1038/nature10590 (englisch).
  7. Winifred F. Frick, Jacob F. Pollock u. a.: An Emerging Disease Causes Regional Population Collapse of a Common North American Bat Species. In: Science. Band 329, 2010, S. 679–682, doi:10.1126/science.1188594 (englisch, sciencemag.org).
  8. Sébastien J. Puechmaille, Pascal Verdeyroux, Hubert Fuller, Meriadeg Ar Gouilh, Michaël Bekaert, Emma C. Teeling: White-Nose Syndrome Fungus (Geomyces destructans) in Bat, France. In: Emerging Infectious Diseases. Band 16, 2010, S. 290–293, doi:10.3201/eid1602.091391 (englisch, cdc.gov).
  9. Gudrun Wibbelt, Andreas Kurth, David Hellmann, Manfred Weishaar, Alex Barlow, Michael Veith, Julia Prüger, Tamás Görföl, Lena Grosche, Fabio Bontadina, Ulrich Zöphel, Hans-Peter Seidl, Paul M. Cryan, David S. Blehert: White-Nose Syndrome Fungus (Geomyces destructans) in Bats, Europe. In: Emerging Infectious Diseases. Band 16, 2010, S. 1237–1242, doi:10.3201/eid1608.100002 (cdc.gov).
  10. Marcus Fritze, Sebastien J. Puechmaille: Identifying unusual mortality events in bats: a baseline for bat hibernation monitoring and white-nose syndrome research. In: Mammal Review. Band 48, Nr. 3, 2018, ISSN 1365-2907, S. 224–228, doi:10.1111/mam.12122.
  11. White-Nose Syndrome fungus introduced from Europe to North America. In: Current Biology. Band 25, Nr. 6, 16. März 2015, ISSN 0960-9822, S. R217–R219, doi:10.1016/j.cub.2015.01.047 (sciencedirect.com [abgerufen am 2. Januar 2019]).
  12. Mark Kinver: US publishes white-nose bat killer action plan. In: BBC News. 19. Mai 2011, abgerufen am 20. Mai 2011 (englisch).
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