Werner Göttsch

Werner Theodor Göttsch (* 23. Oktober 1912 in Kiel; † 2. Mai 1983 ebenda[1]) war ein deutscher SS-Führer. Er beging während der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Morde im Auftrage seiner Vorgesetzten.

Leben

Ausbildung

Göttsch war der Sohn des Baumeisters Theodor Göttsch und seiner Ehefrau Bothilde, geborene Larsson. Nach dem Besuch der Mittelschule in Kiel wurde Göttsch zwei Jahre lang an der höheren Handelsschule in seiner Heimat ausgebildet. Die Prüfung für die Obersekundareife bestand er an der staatlichen Realschule in Kiel-Wellingdorf.

Von März 1930 bis Dezember 1931 absolvierte Göttsch eine praktische Lehrzeit für das Studium an der Handelshochschule bei der Konfektionsfirma „Hettlage und Lampe“ in Kiel. Von Dezember 1931 bis Oktober 1932 war Göttsch arbeitslos. Ein Studium konnte er sich aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten seines Vaters in der Weltwirtschaftskrise nicht leisten.

Karriere im Nationalsozialismus

Göttsch trat bereits zum 1. Januar 1931 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 459.389) und schloss sich am 15. März 1931 der SS (SS-Nummer 10.238) an, wo er dem SS-Sturm 2/III angehörte.[2][3] Am 1. Oktober 1932 übernahm ihn in Kiel der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS. Am 1. April 1933 war Göttsch am Lynchmord an dem angesehenen Kieler Rechtsanwalt Friedrich Schumm beteiligt.[4] Diese Tat schien Göttsch für höhere Aufgaben zu qualifizieren. Er wurde noch im Sommer 1933 nach Berlin in den sogenannten SD-Oberabschnitt Ost in Berlin versetzt. Später war er im SD-Hauptamt, und dort insbesondere in der Zentralabteilung III 3, tätig.

Während des sogenannten Röhm-Putsches im Juli 1934 will Göttsch eigenen Angaben zufolge zusammen mit anderen den Auftrag erhalten haben, nach Prag zu reisen und Otto Strasser zu ermorden. Der Auftrag sei nicht zur Verwirklichung gelangt, da die Aktion schlecht vorbereitet gewesen sei und sie Strasser nur einmal aus der Ferne gesehen hätten.[5]

Beim Versuch der Zerstörung eines Untergrundsenders der Schwarzen Front in der Nähe von Prag ermordete Göttsch in der Nacht des 23. Januar 1935 zusammen mit Alfred Naujocks bei einer Schießerei den deutschen Ingenieur Rudolf Formis.[6][7]

Nach dem deutschen „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 bewachte Göttsch zeitweise die österreichischen Reichskleinodien. Außerdem will er von Franz Six den Befehl erhalten haben, den Philosophen Othmar Spann zu erschießen, den er aber nicht ausgeführt habe, da er ihm unqualifiziert erschienen sei.[8] Dafür lieferte er Spann im Konzentrationslager ab, wo dieser schwer misshandelt wurde. Die Ermordung des Wilhelm Freiherr von Ketteler in diesen Tagen durch vermutlich den Standartenführer Horst Böhme war für Göttsch 1938 kein unbekanntes Ereignis.

Später wurde er Hauptabteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt. Außerdem war er weiterhin einer der bevorzugten Spezialisten Heydrichs zur Bekämpfung von Regimegegnern im Ausland. 1939 soll Göttsch eigenen Angaben zufolge zur Teilnahme an dem vom SD inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz vorgesehen gewesen sein, jedoch auf Grund von Differenzen mit Herbert Mehlhorn im letzten Augenblick aus der Kommandogruppe ausgeschlossen worden sein. 1940 war Göttsch an der als Venlo-Zwischenfall bekannt gewordenen Entführung britischer Agenten aus den Niederlanden nach Deutschland beteiligt. Während des Krieges war er u. a. als SS-Obersturmbannführer in der Balkan-Abteilung des SD tätig.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Werner Göttsch wurde am 11. Mai 1945 in Österreich verhaftet[9] und war von 1945 bis 1948 in amerikanischer Untersuchungshaft in Freilassing, Wiesbaden, Schwarzenborn, Stuttgart, Ludwigsburg und Dachau. Er floh unter unklaren Umständen aus dem Lager in Dachau und war von 1949 bis 1950 in französischer Untersuchungshaft in Innsbruck. In den Jahren 1963 bis 1967 wurde durch die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Brandstiftung bei der Zerstörung des Untergrundsender der Schwarzen Front in einem Hotel bei Prag gegen ihn ermittelt.[10][11] In dieser Zeit war er als kaufmännischer Angestellter in Kiel tätig. Im Februar 1967 wurde eine Anklage wegen Brandstiftung, nicht aber wegen des Mordes an Formis durch den leitenden Oberstaatsanwalt verkündet. Im März 1967 wurde aber durch das Landgericht Hamburg auf die Eröffnung eines Hauptverfahrens verzichtet, da die Zuständigkeit nicht gegeben sei.[12] Im Mai 1967 bot er an, in die norddeutsche NPD als V-Mann einzutreten, da er häufiger von dieser und anderen Organisationen Angebote erhalte und er die NPD für eine Gefahr für die Demokratie halte.[13][14][15]

Beförderungen

  • 1. Februar 1933: SS-Truppführer
  • 15. Februar 1934: SS-Sturmführer
  • 20. Juni 1934: Obersturmführer
  • 24. Januar 1935: Sturmhauptführer
  • 30. Januar 1939: Sturmbannführer
  • 9. November 1943: Obersturmbannführer

Literatur

  • Florian Altenhöner: Der Mann, der den 2. Weltkrieg begann. Alfred Naujocks: Fälscher, Mörder, Terrorist, Prospero Verlag, Münster/Berlin 2010. ISBN 978-3-941688-10-0. Enthält u. a. Biographien Kieler SS-Mitglieder, die im SD Berlin Karriere machten.
  • Goettsch, Werner. archive.org, 12. Januar 2016, abgerufen am 18. Oktober 2020 (Dutzende Aktenstücke der CIA zu Werner Göttsch. Etwas umständlicher auf der CIA-Seite zu finden.).

Einzelnachweise

  1. Lutz Hachmeister: Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, 1998, S. 344.
  2. Bundesarchiv R 9361-III/526725
  3. Eintrag Werner Göttsch auf www.dws-xip.pl
  4. Gerhard Paul: „Von Judenangelegenheiten hatte er bis dahin keine Ahnung“. Herbert Hagen, der Judenreferent des SD aus Neumünster. In: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte Heft 33/34.
  5. Ronald M. Smelser: Das Sudetenproblem und das Dritte Reich, 1933-1938, 1980, S. 154.
  6. Bernhardt Burkhardt: Rudolf Formis. Rundfunktechniker aus Stuttgart. In: Michael Bosch, Wolfgang Niess (Hrsg.): Der Widerstand im deutschen Südwesten 1933–1945. (= Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Band 10), Kohlhammer, Stuttgart 1984, ISBN 3-17-008365-1, S. 311–317.
  7. Interrogation Report of Werner GOETTSCH, dated 24 July 1945. (PDF) In: cia.gov. CIA, Mai 1967, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, CIA-Akte. Kopie von 1967 des Verhörprotokolls von 1945. Er sagte demnach am 24. Juli 1945 aus, dass er nicht im Raum war und erst reinstürmte, als er Schüsse hörte (siehe PDF, S. 7).).
  8. Karl Dietrich Bracher: Widerstand im Dritten Reich, 1984, S. 182.
  9. Goettsch, Werner. (PDF) In: cia.gov. CIA, 22. Mai 1967, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, Zusammentragung (1967) von älteren Einträgen zu Göttsch. Aus seiner CIA-Akte, die im Jahr 2006 freigegeben wurde. Der angegebene Ort der Verhaftung (Alt Ausee) ist wohl Altaussee.).
  10. Goettsch, Werner. (PDF) In: cia.gov. CIA, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, Zusammenfassender Eintrag aus der CIA-Akte, die im Jahr 2006 freigegeben wurde.).
  11. Goettsch, Werner. (PDF) In: cia.gov. CIA, archiviert vom Original am 23. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, CIA-Akte. Bemerkung (siehe Nr. 18) zur Flucht aus Dachau. Dort wird vermutet, die Franzosen hätten ihm zur Flucht verholfen.).
  12. Anklage erhoben. (PDF) In: Staatliche Pressestelle Hamburg. 10. Februar 1967, archiviert vom Original am 1. März 2017; abgerufen am 18. Oktober 2020 (CIA-Akte. Siehe PDF, S. 5–6. Dort auch (PDF, S. 3–4) die Ablehnung vom 17. März 1967 sowie (PDF, S. 7–8) ein kopierter Zeitungsartikel der Hamburger Morgenpost zu der Anklage: Der Sendeleiter lag tot im Hotel (4. Februar 1976) von Walter Krug.).
  13. Call Cart. Potential penetration of the NPD in North Germany. (PDF) In: cia.gov. CIA, 8. Mai 1967, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, CIA-Akte. Dort: „Subject, despite his Nazi past, states he believes NPD (...) poses a threat to german democracy.“).
  14. Classified Message. (PDF) In: cia.gov. CIA, 11. Mai 1967, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, CIA-Akte.).
  15. Call Cart. (PDF) In: cia.gov. CIA, 22. Mai 1967, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2020; abgerufen am 18. Oktober 2020 (englisch, CIA-Akte.).
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