Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo
Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo (Originaltitel: Limbo) ist ein US-amerikanischer Film, den der Independentregisseur John Sayles 1999 in die Kinos brachte.
Sayles schrieb auch das Drehbuch zu dem melancholischen, introspektiven[1] Drama, das in Alaska spielt. Die Hauptrollen übernahmen Mary Elizabeth Mastrantonio, David Strathairn und Vanessa Martinez. Der Film stellt vordergründig[2] und nur in der zweiten Hälfte eine Robinsonade dar.
Handlung
In Port Henry[3] im Alaska der Gegenwart treten auf Joe Gastineau, früherer Basketballheld der Highschool (dieses scheiterte an Beschwerden mit dem Knie), jetzt wettergegerbter Fischer und Hilfsarbeiter, und die schöne Donna De Angelo, durchschnittlich glückliche Sängerin in der The Golden Nugget Lounge, beide im besten Alter. Joe konnte einen Bootsunfall nie verwinden, der schon 25 Jahre zurückliegt, und bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Noelle ist Donnas halbwüchsige Tochter und zugleich Arbeitskollegin von Joe. Sie alle sind irgendwie in biographische Sackgassen[4] geraten.
Teil eins des Films erzählt von der ersten Begegnung von Donna und Joe, ihrer zaghaften Annäherung, Noelles pubertätsbedingten Streitigkeiten mit ihrer Mutter, und einigen Einwohnern der von wirtschaftlicher Rezession geprägten[5], isoliert gelegenen[6] Ortschaft, die hofft, Teil eines Vergnügungsparks zu werden (mit möglichst viel Nervenkitzel). Zunehmend entwickelt auch der sonst zickige „Bücherwurm“ Noelle romantische Gefühle für den zuvorkommenden Joe.
Joes Bruder Bobby, der ein wenig zwielichtig wirkt, nimmt die Frischverliebten auf einen „geschäftlichen“ Bootsausflug mit. Drogenhändler ermorden ihn, weil er ihnen Geld schuldet. Joe, Donna und Noelle müssen Zuflucht auf einer unbewohnten Insel suchen, und stecken plötzlich in sehr ernsten Schwierigkeiten. Auf der Insel reduziert sich das Leben auf die Sorge um Nahrung, Wasser, Unterkunft und Wärme. Abends am Lagerfeuer liest die Tochter oft aus einem dort gefundenen, Jahre alten Tagebuch, damit die Zeit vergeht. Die Verfasserin war das Mädchen Anne Marie Hoak, etwa in Noelles Alter und mit einer eigenen Geschichte innerhalb der Geschichte[6] von traurigem Ausgang.
Jack Johannson, ein Pilot aus Port Henry, findet die „Familie“[iv 1][iv 2]. Er gibt zu, auf der Gehaltsliste der Gangster zu stehen, verspricht aber, Hilfe zu holen. Später erkennen sie ein Flugzeug am Horizont sich nähern, das ihre Situation auf die eine oder andere Weise lösen wird.
Kritiken
- „[Der Film rückt] eine irritierend-schwebende Atmosphäre des Wartens in den Mittelpunkt, die zur übergreifenden Metapher für einen existenziellen[7][iv 2] Zustand wird. Über ein aufschlussreiches Zeit- und Gesellschaftspanorama Alaskas hinaus geht es dem verhaltenen Drama vor allem um den Moment und die Bedingungen, das Gefühl des Uneigentlichen zu durchbrechen.“ (Lexikon des internationalen Films[2])
- „Sayles […] scheint sagen zu wollen: ‚Das Leben ist nicht so einfach. Hollywood lügt manchmal.‘“ (Edward Guthmann: San Francisco Chronicle[8])
- „[…] nur John Sayles macht diese Art von Erzählkino, die man altmodisch nennen würde, wenn es das denn je zuvor gegeben hätte […] seine Plots spotten jeder narrativen Konvention.“ (Ekkehard Knörer: Jump Cut[9])
- „John Sayles […] fordert uns auf, der Komplexität der menschlichen Seele und dem Geheimnis des Schicksals auf den Grund zu gehen.“ (Frederic und Mary Ann Brussat: Spirituality & Practice[10])
- „[Sayles] hat totale Authentizität geschaffen. Ich sah den Film mit Freunden, die buchstäblich vor drei oder vier Tagen aus dem Alaska-Urlaub gekommen sind, und die waren überrascht, wie echt sich alles angefühlt hat. […] Sayles hat ein erstaunliches Ohr und das perfekte Auge.“ (Moriarty: Ain’t It Cool News[1])
- „Übungen in Sachen wechselnder Szenerie, nicht komplett ausgearbeitete Geschichten.“ (Mary Elizabeth Williams: Salon.com[11])
- „Mit ein klein wenig ‚Short Cuts‘ und ein klein wenig ‚Ausgerechnet Alaska‘ betreten wir eine Welt der Figuren (und ich meine ‚Figuren‘)[12] […] Hoffen Sie nicht auf viele Auflösungen (oder auf überhaupt welche).“ (Ron Wells: Film Threat[13])
James Berardinelli fand, Strathairn war schauspielerisch „selten besser“ als hier, und schätzte Mastrantonio[14] für ihre Zurückhaltung. Er zeigte sich auch von der Photographie des zweifachen Oscar-Gewinners und insgesamt fünffach Oscar-nominierten Haskell Wexler angetan.[15] Walsh[16] und Waitz[4] loben insbesondere das Schauspiel von Vanessa Martinez.
Die Lieder „You Never Can Tell“, „Better Off without You“, „The Heart of Saturday Night“ und „Dimming of the Day“ singt Mary Elizabeth Mastrantonio selbst.[3][17][18] Armstrong[19], Walsh[16] und Ebert[6] stellen auch fest, dass sie schön singt.
Bei Rotten Tomatoes wird der Film am 21. Mai 2008 mit numerisch 72 Prozent geführt bei 36 ausgewerteten Filmkritiken. In der IMDb steht der Film am 21. Mai 2008 bei 6,9 von 10 Punkten mit den Stimmen von 3177 Zuschauern.[20]
Ty Burr vom Boston Globe diskutierte die Art der Auflösung mittels Freeze Frame noch einmal in der Kolumne Critic’s Corner: Happy Endings im DGA Quarterly Spring 2008.[21] Jon Popick schrieb 2003: „ich warte immer noch auf die letzte Filmrolle“.[22]
Hintergründe, Sonstiges
Der Datenbank Box Office Mojo am 21. Mai 2008 zufolge lag das Produktionsbudget bei 10 Millionen US-Dollar[23] (John Sayles selbst spricht von etwa 8 Millionen[iv 1]). Limbo war der erste Film im Vertrieb des wiederbelebten Unternehmens Screen Gems (Sony), das auf das middle-brow Publikum zielen sollte.
Der Film wurde in Juneau, Alaska, gedreht,[24] welches nur mit Flugzeug oder Schiff erreichbar ist. Bei der Produktion des Films wurde versucht, Nebenrollen und Statisten mit „authentischen“ Laien vor Ort zu besetzen.[25] Strathairn spielt hier das siebte Mal unter der Regie von Sayles.[15]
Von Bruce Springsteen wünschte sich Sayles ein Lied für den Abspann, das „neutral, aber sehr gefühlsbetont“ sei.[17] Michael zufolge hatte Sayles das Recht auf den Final Cut an dem Film.[iv 3] Erstaufführungsdatum in der Bundesrepublik Deutschland war der 2. September 1999, am 8. Februar 2000 startete der Film auf Video bzw. DVD. Nach Box Office Mojo spielte der Film in den USA bislang (2008) etwa 2,2 Millionen US-Dollar ein (Total Lifetime Grosses/Domestic).[23]
Es existiert ein Audiokommentar des Regisseurs.
Auszeichnungen und Nominierungen
Internationale Filmfestspiele von Cannes 1999
- Nominierung Goldene Palme für John Sayles. Der Preis ging an Rosetta von Jean-Pierre und Luc Dardenne.
Independent Spirit Awards 2000
- Nominierung in der Kategorie Bester Hauptdarsteller für David Strathairn
- Nominierung in der Kategorie Beste Nebendarstellerin für Vanessa Martinez
Las Vegas Film Critics Society Awards 2000
- Nominierung Sierra Award in der Kategorie Beste Darstellerin für Mary Elizabeth Mastrantonio
- Besondere Erwähnung „Exzellenz im Filmemachen“
Internationales Filmfestival von Seattle 1999
- Golden Space Needle Award in der Kategorie Bester Regisseur für John Sayles
Weblinks
- Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo bei IMDb
- Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo bei Rotten Tomatoes (englisch)
- Ekkehard Knörer: John Sayles: Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo bei Jump Cut
- Rüdiger Suchsland: Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo bei Artechock
- Thomas Waitz: Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo bei Schnitt
- Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo in der The New York Times (englisch)
- Philip Kemp: Limbo in Sight & Sound (englisch)
Einzelnachweise
- Moriarty: Moriarty looks at John Sayles’ Limbo, Run Lola Run, What Planet Are You From, Monkey Bone, O Brother Where Are Thou. In: Ain’t It Cool News. 7. Juni 1999, abgerufen am 25. Juli 2008 (englisch): „[…] delivered total authenticity. I watched this film with friends who literally just returned from an Alaskan vacation in the last three or four days, and they were startled by how real it all felt. […] Sayles has an amazing ear and a perfect eye“
- Wenn der Nebel sich lichtet – Limbo im Lexikon des internationalen Films
- Kemp, siehe Weblinks.
- Waitz, siehe Weblinks.
- Stephen Holden: Limbo (1999) – Film Review; Damaged, and Stranded on an Island. In: The New York Times (Online). 4. Juni 1999, abgerufen am 21. Mai 2008 (englisch).
- Roger Ebert: Limbo. In: rogerebert.com. 4. Juni 1999, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
- Holden: „But how authentic do they, or any of us really want life to be?“
- Edward Guthmann: Stranded in ‘Limbo’ – Superb acting overcomes split story line, surprise ending. In: San Francisco Chronicle. 4. Juni 1999, abgerufen am 25. Juli 2008 (englisch): „Sayles […] as if to say, „Life isn’t so simple. Hollywood sometimes lies.““
- siehe Weblinks.
- Frederic und Mary Ann Brussat: Film Review: Limbo. In: Spirituality & Practice. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2008; abgerufen am 25. Juli 2008 (englisch): „John Sayles […] challenges us to explore the complexity of the human soul and the mystery of fate“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Mary Elizabeth Williams: Limbo. In: Salon.com. 4. Juni 1999, abgerufen am 25. Juli 2008 (englisch): „[…] exercises in different scenery, not fully fleshed out stories“
- ähnlich Walsh.
- Ron Wells: Limbo. In: Film Threat. 28. Mai 1999, abgerufen am 21. Mai 2008 (englisch): „A little bit „Short Cuts“, a little bit „Northern Exposure“, we step into a world of characters (and I mean, „characters“) […] Don’t expect many (or any) resolutions“
- vgl. sehr lobend auch Richard Schickel: Paradise Regained. In: Time. 7. Juni 1999, abgerufen am 23. Mai 2008 (englisch).
- James Berardinelli: Limbo. In: Reelviews. 1999, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
- David Walsh: Der allzu umsichtige John Sayles (The all-too vigilant John Sayles). In: World Socialist Web Site. 2. Juli 1999, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
- Chris Willman: Setting Sayles. In: Entertainment Weekly. 20. Mai 1999, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
- vgl. Andy Culpepper: Mastrantonio’s acting career no longer hanging in ‚Limbo‘. In: CNN.com. 7. Juni 1999, abgerufen am 23. Mai 2008 (englisch).
- Richard Armstrong: John Sayles. In: Senses of Cinema. 2004, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
- User ratings for Limbo (1999). In: IMDb. IMDb.com, Inc., abgerufen am 21. Mai 2008 (englisch).
- Ty Burr: Critic’s Corner: Happy Endings. In: DGA Quarterly. 2008, abgerufen am 2. August 2008 (englisch): „hat mich so aufgeregt ([…] left me infuriated)“
- Jon Popick: Casa de los babys (2003). In: Planet Sick-Boy. 2003, abgerufen am 6. März 2009 (englisch, bei IMDb): „I’m still waiting on the final reel of Limbo“
- Limbo. In: Box Office Mojo. Abgerufen am 21. Mai 2008 (englisch).
- Filming locations for Limbo (1999). In: IMDb. IMDb.com, Inc., abgerufen am 21. Mai 2008 (englisch).
- Lizzie Martinez: Reaching Out – 10 Years of grassroots casting for John Sayles. In: Filmmaker Magazine Fall 2007. 2007, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).
Regisseur John Sayles im Gespräch:
- Erica Pennella: Interview: Traveling Indie-Auteur John Sayles Sails Through „Limbo“. In: Indiewire. Abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch, aus den „People“-Archiven).
- Ray Pride: John Sayles. In: Hollywood Scriptwriter. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2008; abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch): „How you identify yourself, that’s important (Sayles)“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- David Michael: Independents In Limbo? The John Sayles Interview. In: Efilmcritic.com. HBS Entertainment, Inc., 12. September 1999, abgerufen am 22. Mai 2008 (englisch).