Weihnachtsoratorium

Weihnachtsoratorium nennt man ein Werk der Kirchenmusik, das die biblische Geschichte der Geburt Jesu (Lk 2 , Mt 2 ) oder andere mit Weihnachten verbundene religiöse Texte in der Art eines Oratoriums musikalisch-dramatisch verarbeitet. Wird schon der Begriff des Oratoriums als musikalischer Gattungsbegriff uneinheitlich verwendet, so gilt dies umso mehr für den Begriff des Weihnachtsoratoriums.[1][2] Wie in den Oratorien üblich, handelt es sich um Vertonungen, die für nicht-szenische Aufführungen mehrere Sätze im Wechsel von Chorsätzen, Rezitativen und Arien mit instrumentaler Begleitung zu einem Werk verbinden. Sie können ganz oder auch in Ausschnitten aufgeführt werden oder auch von Predigten unterbrochen werden.[3] Teilweise werden die Begriffe Weihnachtshistorie oder Musikalisches Krippenspiel synonym gebraucht. Die Übergänge zur Weihnachtskantate sind fließend.

Verbreitung

In der Fachliteratur wird deutlich, dass der Begriff stark geprägt ist vom Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Über 80 Prozent der Fachliteratur zum Stichwort „Weihnachtsoratorium“ bezieht sich auf dieses Werk.[4]

Zu den bekannteren früheren Werken gehört die Historia der Geburt Christi von Heinrich Schütz, die ebenfalls als Weihnachtsoratorium bezeichnet wird.[5] Die Form wurde auch im 19. und 20. Jahrhundert weiter kompositorisch genutzt und aufgeführt.[6][7] Zu den bekannteren Werken gehört hier das Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns.

Unter anderem sind von folgenden Komponisten Weihnachtshistorien und -oratorien überliefert:

Komponist / AutorWerkJahr
Thomas TallisMissa, Puer natus est nobis1554
Rogier MichaelHistoria von der Geburt unsers Herren Jesu Christi: Weihnachtsgeschichte1602
Thomas SelleEs begab sich aber zu der Zeit op. 10
Heinrich SchützHistoria der Geburt Christi1660
Marc-Antoine CharpentierPastorale sur la naissance de N.S. Jésus-Christ1670 (ca.)
Johann SchelleActus Musicus auf Weyh-Nachten1683
Johann MatthesonMehrere Werke werden als „Weihnachts-Oratorium“ bezeichnet, darunter Die heilsame Geburt und Das größte Kind1715 bzw. 1720
Johann Sebastian BachWeihnachtsoratorium, das bekannteste Weihnachtsoratorium1734
Gottfried Heinrich StölzelWeihnachtsoratorium[8]1728
Johann Christoph Friedrich BachDie Hirten bei der Krippe Jesu verschollen[9]bis 1773
Georg Gebel d. J.Weihnachtsoratorium (HKR 843)1748
Johann Heinrich RolleOratorium auf Weihnachten1769
Georg Philipp TelemannDie Hirten bei der Krippe zu Bethlehem1759
Gottfried August HomiliusDie Freude der Hirten über die Geburt Jesu
Carl Heinrich GraunOratorium in Festum Nativitatis Christi
Jakub Jan RybaMissa solemnis Festis Nativitatis D.J.Ch. accomodata in linguam bohemicum musicam, Böhmische Weihnachtsmesse1796
Antonio Casimir CartellieriPer celebrare la festività del Santissimo (auch La celebre Natività del Redentore), Weihnachtsoratorium1806 (Wien)
Hector BerliozL’enfance du Christ1853–1854
Camille Saint-SaënsOratorio de Noël1858
Friedrich NietzscheWeihnachtsoratorium[10]1860–1861
Franz Lisztals erster Teil des Christus-Oratoriums1862–1866
Joseph Gabriel RheinbergerDer Stern von Bethlehem op. 164, Weihnachtskantate1867?
Heinrich von HerzogenbergDie Geburt Christi op. 90, Oratorium1894
Engelbert HumperdinckBübchens Weihnachtstraum EHWV 136, melodramatisches Krippenspiel1906
Richard WetzEin Weihnachts-Oratorium auf Alt-Deutsche Gedichte1929
Frank MartinCantate pour le temps de Noël1929–1930
Hugo DistlerDie Weihnachtsgeschichte op. 101933
Benjamin BrittenA Ceremony of Carols1942
Arthur HoneggerUne Cantate de Noël1953
Wilhelm Hohn
Giselher KlebeWeihnachtsoratorium[11]1989
Matthias DrudeWeihnachtsoratorium1995–1996
Martín PalmeriOratorio de Navidad2003
Michael StenovWeihnachtsoratorium op. 112011

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Loos: Weihnachten in der Musik. Schröder, Bonn 1992, ISBN 3-926196-15-7.
Wiktionary: Weihnachtsoratorium – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Günther Massenkeil: Das Oratorium. Arno Volk Verlag, Köln 1970. S. 7
  2. Hans Joachim Marx: Römische Weihnachtsoratorien aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Archiv für Musikwissenschaft. Steiner, Stuttgart, 1992, S. 163–199
  3. Günther Massenkeil: Oratorium, Zur Terminologie und Vorgeschichte. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 7 (Myanmar – Quellen). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1997, ISBN 3-7618-1108-X, Sp. 741–811 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  4. Répertoire International de Littérature Musicale. International Musicological Society, New York
  5. Hans Joachim Moser: Zum Weihnachtsoratorium von Heinrich Schütz. In: Musik & Kirche: Zeitschrift für Kirchenmusik, Band 25, 1955, S. 292–293; Bärenreiter, Kassel [u. a.].
  6. Helmut Loos: Weihnachtsoratorien des 19. und 20. Jahrhunderts: Die christliche Tradition im Wettstreit mit dem bürgerlichen Festgedanken. In: Musica sacra: Zeitschrift für katholische Kirchenmusik, offizielles Cäcilien-Verbands-Organ im Dienste der Liturgie und des kirchenmusikalischen Apostolats, Band 121, 2001, 6 (Nov./Dez.), S. 5–8; Bärenreiter, Kassel.
  7. Volker Hagedorn: Weihnachtsoratorium: Es muss nicht immer Bachs Glanz und Gloria sein zu Weihnachten. Zeit Online, 7. Dezember 2014; abgerufen am 8. März 2020.
  8. Christian Ahrens: Vom accompagnirten und vollstimmigen Recitativ: Mehrstimmige Rezitative in Gottfried Heinrich Stoelzels Weihnachtsoratorium (1728). In: Beiträge zur musikalischen Quellenforschung. VI: Beiträge der Kolloquien 2002–2003. Forschungs- und Gedenkstätte Heinrich-Schütz-Haus, Bad Köstritz, 2005, S. 209–228.
  9. Peter Wollny: Bach, Johann Christoph Friedrich, Werke, Vokalmusik. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 1 (Aagard – Baez). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1999, ISBN 3-7618-1111-X (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  10. Aufführung. In: Badische Zeitung, 16. Dezember 2016. Abgerufen am 8. März 2020
  11. Maria-Elisabeth Brockhoff: Giselher Klebes Weihnachtsoratorium op. 101 (1989). In: Festschrift Klaus Hortschansky zum 60. Geburtstag. Schneider, Tutzing 1995, ISBN 3-7952-0822-X, S. 581–592
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