Wasserturm (Grafenwöhr)

Der Wasserturm von Grafenwöhr ist seit seiner Errichtung Anfang des 20. Jahrhunderts das Wahrzeichen sowohl der Gemeinde in der Oberpfalz als auch des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr und bildet mit dem nahegelegenen Forsthaus ein Bauensemble. Der rund 43,5 Meter hohe Wasserturm, mitunter als „großer alter Herr des Übungsplatzes“ bezeichnet, ziert mit seiner aufgesetzten Kanonensilhouette zahlreiche Ansichtskarten, Bierkrüge und andere Souvenirs.[1] Doch die Entstehungsgeschichte des Bauwerkes muss zumindest in Teilen neu geschrieben werden.[2]

Der von Wilhelm Kemmler bis 1911 errichtete Wasserturm, heute ein Wahrzeichen von Grafenwöhr;
hier als Feldpost von einem Soldaten der Bayerischen Armee im Ersten Weltkrieg 1917 versandte Ansichtskarte (Nr. 385, Verlag P. H. B.)

Geschichte und Baubeschreibung

Ballonaufnahme vom Truppenlager Grafenwöhr“;
Ansichtskarte Nr. 1 von Hans Spahn
Der Wasserturm hinten den „Offiziers-Baracken“;
Ansichtskarte Nr. 2 von Hans Spahn
BW

Die Planungen für den Truppenübungsplatz in Grafenwöhr begannen bereits im Jahr 1907. Ursprünglich beauftragte das Bayerische Kriegsministerium den seinerzeit in Nürnberg lebenden Architekten Jürgen Sievers mit der Planung und Durchführung der notwendigen Bauvorhaben. Und nachdem der Prinzregent Luitpold von Bayern 1908 die Verfügung für den Truppenübungsplatz erlassen und die Errichtung der „Garnison Grafenwöhr“ genehmigt hatte, dauerte die vorerst endgültige Ausgestaltung des im Volksmund später lediglich als Lager bezeichneten Geländes bis 1915 an.[3] Knapp ein Jahrhundert später wurde daher auch die Planung des örtlichen Wasserturms als ein Werk ausschließlich des „Chefs der Heeresbauleitung“ Jürgen Sievers angenommen.[4] Doch die überregionale Berichterstattung in der Presse anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des Truppenübungsplatzes führten schließlich wieder zu einem genaueren Blick auf die Details: Als Ida Kopp-Schwertner aus Nürnberg, die Enkelin des 1916 verstorbenen Königlichen Militärbaurats Wilhelm Kemmler, auf Einladung des örtlichen Heimatvereins 2010 unter anderem den Wasserturm besichtigte, war auf den im Turm ausgestellten Kopien der Originalpläne des Wasserturms unter anderem zu lesen: „[...] ausgeführt vom Militärbauinspektor Kemmler in der Zeit vom 26. August 1909 bis zum 30. Juni 1911“.[2]

Die Bauarbeiten oblagen der Firma Peter Weiß aus Weiden in der Oberpfalz. Auf den Sockel, ebenso wie die Treppen und der Eingangsbogen aus regionalem Sandstein gestaltet, wurde der rund 43,5 Meter hohe Turm zum Teil mit sogenannten Reichsformat-Ziegelsteinen aufgemauert. So entstanden im zweiten und im achten Stockwerk zwei riesige Wasserbehälter – der obere für rund 450 Kubikmeter Trinkwasser –, die durch ihre Höhe den Wasserdruck für das Leitungsnetz des Truppenübungslagers sicherstellten. In der sogenannten „Schieberkammer“ führten die gusseisernen Wasserrohre zu Armaturen, Absperrschieber und Ventilen. Ein 1910 in Emaille angebrachte Gebrauchsanleitung diente der Bedienung der Absperrhähne, zum Befüllen und Entleeren der Turmbehälter und letztlich zunächst der Versorgung des Mannschaftslagers, der Kommandantur und des Stalllagers.[1]

Zur Zeit des Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkrieges wurde der Wasserturm mit einer Tarnfarbe angestrichen und entging so – ebenso wie das Forsthaus – im April 1945 wohl nur durch Zufall den durch zwei Luftangriffe der Alliierten niedergehenden Spreng- und Brandbomben, die rund um den Turm Gebäude zerstörten und tiefe Explosionskrater hinterließen.[1][5]

Nach dem Krieg – Grafenwöhr lag nun in der Amerikanischen Besatzungszone – fand die neue Hausherrin des Truppenübungsplatzes, die US-Militärregierung (OMGUS), „[...] gefallen am Lager, dem Wasserturm und den [erhaltenen] historischen Gebäuden“: Schon 1946 wurde der Turm eingerüstet und neu getüncht, das Lager nun für die US-Soldaten in Teilen neu aufgebaut oder instand gesetzt und dann jahrzehntelang gepflegt. Nach den weiteren Sanierungsarbeiten am Wasserturm im Jahr 1974 wurde der Turm 1994 wiederum überholt. Im ehemaligen Wasserbehälter in der zweiten Etage richteten die Amerikaner einen „[...] Konferenzraum mit modernster, technischer Ausstattung“ ein. Im Juli 2008 wurden die Fensterläden nach den ursprünglichen Mustern wieder vervollständigt.[1]

Im Jahr 2010 war der Wasserturm wieder eingerüstet, als die Enkelin Kemmlers dem 1. Oberpfälzer Kultur- und Militärmuseum in Grafenwöhr Teile des Nachlasses des Architekten übereignete und so vergessene, aber entscheidende Details zur Entstehungsgeschichte des Wasserturmes wieder Teil des Allgemeinwissens werden ließ.[2] In jenem Jahr wurde er, zusammen mit dem Forsthaus, in die Denkmalliste aufgenommen. 2013 wurde die Kanonensilhouette auf der Spitze des Treppenturms erneuert, und in drei Etagen entstand eine Ausstellung über die Geschichte des Militärareals.[5]

Unterdessen erfüllt der Wasserbehälter in der oberen Etage noch immer seinen ursprünglichen Zweck.[1] Für Besucher existieren regelmäßige Führungen im und auf dem Turm.[5]

Siehe auch

Commons: Wasserturm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. mor: Grafenwöhr / Wahrzeichen der Stadt und des Truppenübungsplatzes / Auch der Wasserturm, der "große alte Herr des Übungsplatzes" ist 100 Jahre alt
  2. Gerald Morgenstern: Grafenwöhr / Glücksfall fürs Museum / Nachlass von Baurat Wilhelm Kemmler dokumentiert Übungsplatz-Geschichte (Memento des Originals vom 13. Oktober 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.owz-online.de, in der Version vom 11. November 2010 auf der Seite owz-online.de, der online-Ausgabe der Oberpfälzer Wochenzeitung (wöchentliches Anzeigenmagazin des Verlagshauses Der neue Tag)
  3. mor/mm: Grafenwöhr / 100 Jahre Lager Grafenwöhr / Jubiläum wird mit einer Festwoche gefeiert - Blick in die Geschichte, in der Version vom 18. Juni 2010 auf der Seite owz-online.de
  4. So hieß es in der online-Ausgabe derselben Zeitung noch am 23. Juni 2010: „[...] Nach den Plänen des Architekten Jürgen Sievers, der Chef der Heeresbauleitung in Grafenwöhr und Planer des Truppenlagers war, wurde vom 26. August 1909 bis zum 30. Juni 1911 der Wasserturm erbaut. Die Übereinstimmung von Plan und Ausführung des Bauwerks wird auf dem noch vorhandenen Original aus der Plankammer durch den königlichen Baurat Wilhelm Kemmler am 24. Februar 1912 bestätigt.“ Vergleiche mor: Grafenwöhr / Wahrzeichen der Stadt und des Truppenübungsplatzes / Auch der Wasserturm, der "große alte Herr des Übungsplatzes" ist 100 Jahre alt vom 18. Juni 2010 auf der Seite oberpfalz.net des Medienhauses Der Neue Tag
  5. Wasserturm-Ausstellung wird größer in: Nordbayerischer Kurier vom 19. März 2021, S. 16.

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