Heereswaffenamt

Das Heereswaffenamt (HWA) war die Zentralstelle für die technische Entwicklung und Fertigung von Waffen, Munition und Gerät des deutschen Heeres (Rüstungsforschung). Dort arbeiteten etwa 5000 Beamte und Offiziere.

Ehemaliges Heereswaffenamt Jebensstraße/Hertzallee, Berlin
Hof des ehemaligen Heereswaffenamtes
Die frühere Militärtechnische Akademie, der Cranzbau (1904/05) an der Hertzallee auf dem Gelände des ehemaligen HWA

Geschichte

Vorläufer der Organisation war das Quartiermeisterwesen, die rückwärtigen Dienste sowie die Gewehr-Prüfungskommission und die Artillerie-Prüfungskommission. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die vorgenannten Prüfungskommissionen aufgelöst und am 8. November 1919 wurde das Waffenamt (Inspektion für Waffen und Gerät) im Reichswehrministerium unter Oberst (später Generalleutnant) Wurtzbacher gegründet. Die Behörde erhielt am 5. Mai 1922 die Bezeichnung Heereswaffenamt (HWA).

Es war in Friedenszeiten dem Oberbefehlshaber des Heeres unmittelbar unterstellt, seit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 jedoch dem Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres Friedrich Fromm.

Der Hauptsitz des HWA war in Berlin, Hardenbergstraße 29. Das Gebäude wurde während der Luftangriffe auf Berlin zerstört und später abgetragen. Auch der Gebäudekomplex Jebensstraße/Hertzallee wurde vom HWA genutzt.

Bei den Heeresversuchsanstalten Kummersdorf und Peenemünde sowie an weiteren Standorten wurden Waffen, Gerät und Ausrüstung erprobt.

Am 30. April 1942 wurde ein „Industrierat des OKH“ zur Beratung des Heereswaffenamtes gebildet. Ihm gehörten an: Walter Rohland als geschäftsführender Vorsitzender, Albert Vögler, Edmund Geilenberg, Wilhelm Zangen, Erich Müller, Ferdinand Porsche, Arthur Tix, Direktor Karl Lange, Erich Matthias (WASAG), Generaldirektor Paul Müller (Dynamit Nobel AG), Generaldirektor Wolff.[1]

Gliederung zum 3. Januar 1939

Heereswaffenamt (Wa A)

  • Stab
  • Wehrmachtzeitschriftenabteilung (Ztschr)
  • Vorschriftenabteilung (Wa Vs)
  • Forschungsabteilung (Wa F)
  • Amtsgruppe für Entwicklung und Prüfung (Wa Prüf)
    • Ballistische und Munitonsabteilung (Wa Prüf 1)
    • Infanterieabteilung (Wa Prüf 2)
    • Artillerieabteilung (Wa Prüf 4)
    • Pionier- und Festungspionierabteilung (Wa Prüf 5)
    • Kraftfahr- und Motorisierungsabteilung (Wa Prüf 6)
    • Nachrichtenabteilung (Wa Prüf 7)
    • Abteilung für Optik, Meßwesen und Heereswetterdienst (Wa Prüf 8)
    • Gasschutzabteilung (Wa Prüf 9)
    • Abteilung für Sondergerät (Wa Prüf 11)
    • Abteilung für Versuchsplätze (Wa Prüf 12)
  • Amtsgruppe für Industrielle Rüstung (Wa I Rü)
    • Kampfgeräteabteilung (Wa I Rü 1)
    • Waffenabteilung (Wa I Rü 2)
    • Munitionsabteilung (Wa I Rü 3)
    • Pionier- und Festungspioniergerätabteilung (Wa I Rü 5)
    • Kraftfahrgerätabteilung (Wa I Rü 6)
    • Nachrichtengerätabteilung (Wa I Rü 7)
    • Organisationsabteilung (Wa I Rü 8)
    • Pulver- und Sprengstoffabrikationsabteilung (Wa I Rü 9)
    • Betriebswirtschaftliche Abteilung (Wa I Rü 10)
  • Heeresabnahmeabteilung (Wa Abn)

Das Heereswaffenamt wurde während des Krieges mehrfach umorganisiert. Am 1. Juli 1944 bestand es aus dem Stab mit Forschungsabteilung und sechs Amtsgruppen:

  • Zentralaufgaben
  • Entwicklung und Prüfwesen
  • Chefingenieur
  • Industrielle Rüstung Waffen und Gerät
  • Industrielle Rüstung Munition
  • Abnahme

Aufgaben

Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wuchs die Bedeutung des HWA:

  • Entwicklung neuer Waffen, Geräte und Munition (Entwicklungs- und Prüfwesen)
  • Logistik und Massenbeschaffung und Nachschub von Waffen, Geräten und Munition (industrielle Rüstung)
  • Technische Grundlagen, sowie Vorbereitung und Einrichtung von Massenfertigung bei der Industrie
  • Abnahme der fertigen Waffen, Geräte und Munition
  • Erfassung und Katalogisierung von Beutewaffen in „Kennblätter fremdes Gerät“

Chefs des Heereswaffenamtes

Porträt Name von bis
Generalleutnant
Ludwig Wurtzbacher
(1870–1926)[2]
1. Juni 19201. März 1925
Generalmajor
Erich von Botzheim
(1871–1958)
2. März 192528. Februar 1926
Generalleutnant
Max Ludwig
(1871–1961)
1. März 192630. Mai 1929
Generalleutnant
Alfred von Vollard-Bockelberg
(1874–1945)
1. Juni 192930. November 1933
Generalleutnant
Kurt Liese
(1882–1945)
1. Dezember 193328. Februar 1938
General der Artillerie
Karl Becker
(1879–1940)[3]
1. März 19388. April 1940
General der Artillerie
Emil Leeb
(1881–1969)
16. April 19401. Februar 1945
General der Infanterie
Walter Buhle
(1894–1959)
1. Februar 19458. Mai 1945
HWA-Abnahmestempel 1939

Situation 1945

Die vom Chef der Heeresrüstung, General der Infanterie Walter Buhle, zum 15. Januar 1945 angeordnete Erweiterung des Heereswaffenamtes zum Wehrmachtwaffenamt kam wegen der sich zuspitzenden Lage an den Fronten über Ansätze nicht hinaus. Mitte April 1945 wurde der größte Teil des Heereswaffenamtes, nebst dessen Chef, nach Südbayern verlegt und durch Befehl vom 27. April 1945 endgültig aufgelöst.

Berühmte Entwicklung des HWA war das Eisenbahngeschütz „Dora“. Vor der Einrichtung der Versuchsanstalt in Peenemünde wurden hier erste Forschungen in der Raketentechnik betrieben.

Literatur

  • Peter Zimmermann: Technik für Rüstung und Krieg. 4. Wehrtechnik und Wehrwissenschaft zwischen den Weltkriegen. (Mitteilungen aus dem Institut für Mechanik 89, 1.) Neubiberg 1989.
  • Helmut Maier: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900–1945/48. 2 Bände. Wallstein, 2007, ISBN 978-3-8353-0109-2.
  • Günter Nagel: Wissenschaft für den Krieg. Die geheimen Arbeiten der Abteilung Forschung des Heereswaffenamtes, Stuttgart 2012, ISBN 3-515-10173-X.
  • Rüdiger vom Bruch, Brigitte Kaderas (Hrsg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Steiner, Stuttgart 2002, ISBN 3-515-08111-9.
  • Michael Heidler: Deutsche Fertigungskennzeichen bis 1945, Visier-Edition, VS-Medien GmbH, Bad Ems, ISBN 3-9811018-7-1.
  • Hans-Henning Podzun: Das Deutsche Heer 1939. Gliederung, Standorte und Verzeichnis sämtlicher Offiziere am 3.1.1939, Verlag Podzun, Bad Nauheim 1953.

Einzelnachweise

  1. Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft. Berlin 1985, Band 2, S. 71.
  2. Helmut Maier: Forschung als Waffe. S. 267 (s. Literatur).
  3. Burkhard Cielsa: Karl Becker. In: Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. S. 263 (s. Literatur).
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