Wünsdorf
Wünsdorf ist ein Ortsteil der Stadt Zossen im Landkreis Teltow-Fläming im Land Brandenburg. Im März 2005 hatte er 6202 Einwohner (3060 davon männlich und 3142 weiblich). Der Ort selbst hat eine Fläche von 13,8 km², mit den Gemeindeteilen 72,92 km².
Wünsdorf Stadt Zossen | |
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Koordinaten: | 52° 10′ N, 13° 28′ O |
Höhe: | 47 m |
Fläche: | 72,92 km² |
Einwohner: | 6202 (31. Mrz. 2005) |
Bevölkerungsdichte: | 85 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 26. Oktober 2003 |
Postleitzahl: | 15806 |
Vorwahl: | 033702 |
Geografische Lage
Der Ort liegt etwa 40 Kilometer südlich von Berlin an der Bundesstraße 96. Zu Wünsdorf gehören die Gemeindeteile Neuhof und Waldstadt. Wünsdorf befindet sich am südwestlichen Rand der Wünsdorfer Platte. Der Große Wünsdorfer See und der kleine Wünsdorfer See gehören zu einer Seenkette in der Töpchiner Talung, einer glazialen Rinne der Weichsel-Kaltzeit.[1]
Politik
Wappen
Das Wappen wurde vom Heraldiker Frank Diemar gestaltet.
Eingemeindungen
- 1957 wurde der Wohnplatz Gutsbezirk Zehrensdorf zu Wünsdorf eingemeindet.
- 1970 wurde Neu-Wünsdorf Ortsteil von Wünsdorf.
- Neuhof gehört seit dem 1. April 1974 zu Wünsdorf.[2]
- Am 27. September 1998 wurde Waldstadt eingemeindet.[3] Die Gemeinde Waldstadt war am 16. Februar 1996 auf der Fläche des bis dahin gemeindefreien militärisch genutzten Gebiets gegründet worden.[4]
- Am 26. Oktober 2003 wurde Wünsdorf nach Zossen eingemeindet.[5]
Geschichte
Von der Ersterwähnung bis zum Bau des ersten Truppenübungsplatzes
„Wünsdorf“ scheint slawischen Ursprungs zu sein, da die Silbe „wun“ oder „wyn“ Wasser bedeutet. Der Bezug zu einer Ansiedlung am Wasser ist durch den See gegeben.[6]
An den Ufern des Fließes, welcher die beiden Seen verbindet, entstanden Nächst-Wünsdorf und Fern-Wünsdorf als Zwillingsdörfer „in den beyden dorffern wonsdorff“ (1501).[7] Der Name des Dorfes Nächst-Wünsdorf wandelte sich von Wustdorf, Wusttorf (1346) zu Nestwunstorff und Negst Wunsdorff (1583).[8] Das Dorf Fern-Wünsdorf findet sich erstmals urkundlich „uff dem Gerichte thu ferren Wunstorf“ im Jahre 1430.[9]
Im Jahre 1545 erfolgte eine Amtsdesignation. Danach gehörten beide Dörfer zur deutschsprachigen Seite der ehemaligen Herrschaft Zossen, beide mit einer Feldmark von 13 Hufen, 12 Hüfner mit dem Schulzen, 4 Kossäthen und Fischereigerechtigkeit.
Nächst-Wünsdorf hatte bereits 1583 eine Filialkirche von Zossen, zu welcher Fern-Wünsdorf eingepfarrt war, beide Dörfer gehörten zum Domänenamt Zossen. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Dörfer beinahe wüst, der erste namentlich bekannte Pfarrer, Andreas Hansche, wirkte von 1631 bis 1639. Der Landreiter berichtete 1652, in Nächst-Wünsdorf gab es noch acht alteingesessene Bauern (Jochim Brößigk, Hanß und Adam Balcke, Christoff Fischer, Martin Theylicke, Michel Otto und Hanß Theyle; aus Jachzenbrück Gurge Schmolle) und zwei zugezogenen Kossäten (Michel Zusche und Michel Boldenick) und in Fern-Wünsdorf zwei altansässige Bauern (Bartell Balcke und Andreaß Schultze), von auswärts der Vizeschulze Jacob Lieben, der Bauer Hanß Müller und die drei Kossäten (Andreaß Henicke, Adam und Gurge Zusch).[10] Erst um 1655 konnten die leer stehenden zwölf Bauernhöfe wieder besetzt werden. Nächst-Wünsdorf erhielt um 1662 eine neue Fachwerkkirche, die alte war durch den Krieg schwer geschädigt, jedoch musste sie 1743 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. In Nächst-Wünsdorf gab es einen Krug und außerhalb des Dorfes eine Schmiede. Zu Weihnachten 1744 wurde die neue Kirche, ein Rechteckbau mit eingezogenem Rechteckchor, eingeweiht.
Im folgenden Jahrzehnt siedelten in Nächst-Wünsdorf der Prediger und der Schulmeister, ein Lehnschulze mit zwei Hufen und Bürgeracker, elf Einhüfner, zwei Kossäten (einer der Braukrüger), ein Halbkossäte, ein Viertelkossäte, zwei Büdner, ein Schmied, ein Hirte, zwei Paare und zwei einzelne Einlieger. In Fern-Wünsdorf lebten der Lehnschulze auf zwei freien Hufen, elf Einhüfner, zwei Ganzkossäten mit etwas Acker, ein Halbkossät, zwei Büdner, drei Paar Hausleute und zwei Einliegerpaare. Um 1801 gab es in Nächst-Wünsdorf eine Windmühle, und die Einwohnerzahl war auf 163 gestiegen; in Fern-Wünsdorf lebten 111 Personen.
Ende Juni 1838 brach in Fern-Wünsdorf ein Großbrand aus, der auf Nächst-Wünsdorf übersprang und beide Dörfer fast vollständig in Schutt und Asche legte; die Kirche wurde erneut zerstört. Der damalige Propst Straube bat 1840 die königliche Regierung in Potsdam um einen Kirchenneubau: „Das Dorf Wünsdorf, zu welchem die Dörfer Neuhof, Zehrensdorf und Jauchzenbrück (heute Lindenbrück) eingepfarrt sind, entbehrt nun schon seit länger als zwei Jahren die Kirche, welche im Sommer 1838 durch den Brand zerstört ward. Der Pfarrer der Gemeinde Herr Prediger Hanf in Zossen ist sehr betrübt darüber, dass die geistlich Erbauung der Gemeinde gar sehr hierdurch leidet …“ Die Grundsteinlegung für den klassizistischen Putzbau war der 13. Mai 1841, bereits 1843 konnte die Kirche geweiht werden. Die Einwohnerzahl stieg nun sprunghaft und es gab verschiedene Handwerker in beiden Dörfern, die Kirche erhielt 1858 eine Einfriedung, die sich erhalten hat, und innerhalb dieser Fläche befand sich bis 1945 der Kirchenfriedhof. Heute zeugen noch einzelne Grabsteine von dieser Vergangenheit. Im Jahre 1860 zählten die beiden Dörfer 283 Einwohner, dazu kamen die Wohnplätze Wolziger Mühle, eine Wassermühle, und das Etablissement Schlothorst mit 18 Einwohnern.
Durch königlichen Erlass vom 24. Mai 1874 erfolgte die Vereinigung beider Dörfer. Wünsdorf wurde zur größten Gemeinde des damaligen Kreises Teltow und umfasste 2800 Morgen Acker, 670 Morgen Wiese, 914 Morgen Weide und 1483 Morgen Wald.
Bis zur folgenden Jahrhundertwende hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt, 1897 wurde ein eigener Bahnhof an der Bahnstrecke Berlin–Dresden eröffnet, 1906 erfolgte der Aufbau eines Truppenübungsplatzes und die Errichtung einer Infanterieschule, der die Ansiedlung von Beamten und Gewerbetreibenden nach sich zog.
Militärstandort 1910–1918
Bereits im Sommer 1877 war in Kummersdorf ein Artillerie-Schießplatz für die Preußische Artillerieprüfungskommission in Betrieb genommen worden. Ab 1888 wurde er mit dem Schießplatz Jüterbog durch eine Versuchs-Kleinbahn verbunden, die ab Mai 1897 durch die Verlängerung der Preußischen Militär-Eisenbahn von Schießplatz Kummersdorf nach Jüterbog-Militärbahnhof ersetzt wurde.
Im Zuge der Erweiterung der Gelände der Truppenübungsplätze Jüterbog und Kummersdorf bezog man den Bereich Zossen, Wünsdorf, Zehrensdorf und Töpchin ab 1907 mit ein und siedelte die Bevölkerung von Zehrensdorf zwischen 1909 und 1911 dauerhaft um. Ab 1910 entstanden in Wünsdorf zahlreiche Kasernenanlagen samt Truppenübungsplätzen im Forst: 1912 das Fernsprech- und Telegrafenamt und 1913 die Infanterieschule. Durch den Ersten Weltkrieg forciert – Wünsdorf wurde Sitz des Hauptquartiers des Reichsheeres – entstand die Kaiserliche Turnanstalt, die von 1914 bis 1945 existierte.
In Wünsdorf wurde während des Ersten Weltkriegs ab Herbst 1914 die erste Moschee im Deutschen Kaiserreich mit einem Imam errichtet. Das Osmanische Reich war damals der Verbündete der Mittelmächte. Der vom preußischen Militär finanzierte Bau mit dem circa 25 Meter hohen Minarett wurde in nur fünf Wochen errichtet. Die Einweihung fand am 13. Juli 1915 statt.[11] Der Imam wurde im Auftrag des Kalifen von Konstantinopel vom Osmanischen Reich an das Deutsche Kaiserreich entsandt. Im sogenannten Halbmondlager für Kriegsgefangene wurden ausschließlich feindliche Soldaten islamischen Glaubens festgehalten, die dort die Möglichkeit der Religionsausübung hatten. Nach Kriegsende noch einige Zeit von der Berliner islamischen Gemeinde genutzt, verfiel die Moschee und wurde um 1930 wegen Baufälligkeit abgerissen[12].
Militärstandort 1918–1939
Das Militärareal wurde nach Kriegsende 1918 weiterhin genutzt. In der Turnanstalt wurden vom 1. Oktober 1924 an die ersten Wehrsportlehrgänge im Rahmen der neu gegründeten Volkssportbewegung durchgeführt, die bis 1933 reichsweit durchgeführt wurden.[13] Ab 1934 wurde es in die Heeressportschule Wünsdorf, die die sportlichen Geschicke der Reichswehr in Bezug auf den Leistungssport lenkte, erneut umfunktioniert. Für die Olympiade 1936 in Berlin wurden hier die deutschen Wettkämpfer vorbereitet, während alle anderen Nationen im Olympischen Dorf untergebracht waren. Ihr erster Leiter war von 1919 bis 1924 Hans Surén. Es folgten weitere Kasernenbauten, ein Lazarett und Pferdeställe. Mit Nutzung des Areals durch die sowjetische Armee wurde das Gelände bekannt als „Haus der Offiziere“ oder auch „Lenin-Stadt“.
Der Lagerfriedhof für die Kriegsgefangenen war der Zehrensdorfer Friedhof, auf dem auch 206 indische Soldaten bestattet wurden. Ende der 1920er Jahre exhumierten die Franzosen ihre Toten und begruben sie in den großen Kriegsgräberstätten bei Verdun und Langemarck, der Friedhof verwilderte und wurde im Zweiten Weltkrieg kurze Zeit erneut genutzt, um die Toten der Luftangriffe auf Wünsdorf zu bestatten. Danach verfiel der Friedhof. 1995 wurde dieser einzigartige interkonfessionelle Friedhof unter Denkmalschutz gestellt, im Jahre 2002 begannen die Arbeiten zur Sicherung und Wiederherstellung des Friedhofs, die mit der Einweihung als Zehrensdorf Indian Cemetery 2005 abgeschlossen wurden.[14]
Nach dem Kriegsende 1918 wurden Vertriebene aus Elsaß-Lothringen und Polen in den Lagern untergebracht, das Kasernengelände von Januar 1919 bis April 1920 durch das Freikorps Lützow genutzt.
In den 1920er Jahren hatte Wünsdorf etwa 1300 Einwohner; es folgten Soldaten für die Reichswehr, in Zusammenhang mit dem Vertrag von Rapallo kam es bis 1933 zu einer Zusammenarbeit der Reichswehr mit der Roten Armee und zu dem Bau einer russisch-orthodoxen Kirche.[15]
Mit der Machtergreifung der NSDAP Ende Januar 1933 entwickelte sich Wünsdorf zu einem Zentrum in der Entwicklung der schnellen Truppen und insbesondere der Panzertruppen. Bereits 1931 war eine erste motorisierte Einheit der Reichswehr nach Wünsdorf verlegt worden, nun aber begann man, die Militäranlagen stark zu erweitern. 1933 wurde auf dem Truppenübungsplatz der erste Panzerverband der künftigen deutschen Wehrmacht, 1935 die 3. Panzer-Division in Wünsdorf neu aufgestellt sowie die Heereskraftfahrschule in den Ort verlegt. Im März 1935 bezog das Oberkommando des Heeres (OKH) sein Hauptquartier; das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) folgte 1938. Um die Angehörigen und Angestellten der Wehrmacht unterzubringen, begann man eine Waldsiedlung im Norden des Ortes zu bauen. Zur Zeit der sowjetischen Besatzung war in diesem Gebiet das 3. Militärstädtchen („Fliegerstädtchen“) untergebracht. Heute ist der Bereich öffentlich zu besichtigen und unter dem Namen „Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf“ bekannt.
Die bestehenden Militärsportanlagen wurden im Jahr 1936, im Vorfeld der Olympischen Spiele, für das Training der deutschen Mannschaft genutzt. Zur gleichen Zeit entstand die Militär-Badeanstalt, die Mitte der 1950er von den sowjetischen Streitkräften umgebaut wurde.
1937 begannen die Arbeiten für die bombensicheren und zum Teil unterirdischen Bunkeranlagen (Tarnbezeichnung „Maybach I“ und „Maybach II“) samt hochmoderner Nachrichtenzentrale „Zeppelin“ und etwa 20 Luftschutzbunker (Hochbunker der Bauart Winkel). Zur Tarnung entstand oberirdisch eine Siedlung im Landhausstil. Die Arbeiten an Maybach I waren 1939 abgeschlossen und die in bis zu 20 Metern Tiefe liegenden Anlagen wurden in Betrieb genommen.
Militärstandort 1939–1945
Wenige Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen wurde am 26. August 1939 das OKH-Hauptquartier in die Bunkeranlage „Maybach I“ verlegt. Die Bunkeranlage „Maybach II“, fertiggestellt im Frühsommer 1940, beherbergte das OKW. Bis zum April 1945 kamen aus dem „Zeppelin“-Bunker (Tarnbezeichnung „Amt 500“), einem der größten Nachrichtenknotenpunkte während des Zweiten Weltkriegs, die Befehle zu den deutschen Truppen in ganz Europa.[16] Ab 1943 wurden wegen der stärkeren Luftangriffe der Alliierten auf Berlin weitere Dienststellen der Wehrmacht nach Wünsdorf verlegt, unter anderem Teile des Heereswaffenamtes und Stellen des OKH (Oberkommando des Heeres).
Adolf Hitler verwendete den Begriff „Geist von Zossen“ für die Bedenken des OKH, Frankreich im Frühjahr 1940 anzugreifen (Westfeldzug).[17]
Nach den ersten Bombardierungen 1945 flog die 8. US-Luftflotte am 15. März 1945 mit über 580 Maschinen[18] den dritten und schwersten Angriff auf Wünsdorf. Dabei starben 120 Menschen und zahlreiche Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Am 20. April erfolgte der Einmarsch sowjetischer Truppen, Wünsdorf wurde fast kampflos übergeben. Der militärische Führungsstab des sowjetischen Marschalls Schukow nahm sein Quartier in Wünsdorf für die Schlacht um Berlin.
Militärstandort 1945–1994
Wjunsdorf (Вюнсдорф), wie der Ort von den Russen genannt wurde, blieb somit militärisch und erhielt den Sitz des Oberkommandos der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) (ab Juni 1989 unter der Bezeichnung Westgruppe der Truppen). Der Bahnhof Wünsdorf war mit eigenem Bahnhofsteil der Bahnhof der sowjetischen Truppen und damit einer der vier Sonderbahnhöfe der Alliierten in Berlin und dessen Umgebung (vgl. Bahnhof Berlin-Lichterfelde West – für die US-Truppen, Bahnhof Berlin-Tegel – für die französischen Truppen, Bahnhof Berlin-Charlottenburg – für die britischen Truppen). Es gab bis 1994 einen täglichen Zug nach Moskau.
Dem Potsdamer Abkommen entsprechend wurden die Bunkeranlagen und der größte Teil der Luftschutztürme nach der Demontage der technischen Ausrüstungen 1947 gesprengt, um sie für eine weitere militärische Nutzung unbrauchbar zu machen. Am „Amt 500“ wurde nur der Westeingangsbereich zerstört; der Baukörper selbst widerstand den Sprengungen. Im März 1953 begann die Räumung von Wohnungen und Häusern, der Post, Apotheke, Spar- und Darlehenskasse und von Geschäften östlich der Bahnlinie, die B 96 wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt. Etwa 800 Einwohner wurden umgesiedelt und 30.000 sowjetische Soldaten stationiert.
Die Wünsdorfer Bevölkerung gründete im Jahre 1955 auf den militärisch nicht genutzten Flächen die erste LPG (Typ I) mit 10 Mitgliedern und 31 Hektar und 1961 wurden die LPGen „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ und „Heimatliebe“ in Wünsdorf vereinigt. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der PGH des Dachdeckerhandwerks. Gemeinsam mit der Revierförsterei waren sie bis zur Wende die größten Arbeitgeber des Ortes.
Unter dem Oberkommandierenden Marschall Iwan Konew wurde von Wünsdorf aus der sowjetische Panzerschutz für den Bau der Berliner Mauer organisiert. Um die Luftsicherheit über der DDR zu garantieren, wurde 1974 in Wünsdorf die Vereinigte Hauptzentrale 14 gegründet, in der bis 1990 sowjetische mit Offizieren der NVA, ab der deutschen Wiedervereinigung mit Offizieren der Bundesluftwaffe, zusammenarbeiteten. Der Stab der 16. Sowjetischen Luftarmee (16. LA) mit den zuletzt geführten Tarnnamen „RANET“ bzw. „WIMPEL“ hatte ab 1977 seinen Standort in Wünsdorf. Kommandozentrale des „RANET“ war der Zeppelin-Bunker (Amt 500), den man zu diesem Zweck repariert und mit einem Schleusensystem aus Panzertüren versehen hatte.
Außer den etwa 2700 Einwohnern lebten zu Spitzenzeiten 50.000 bis 75.000 sowjetische Männer, Frauen und Kinder dort. Für Bürger der DDR war das Areal Sperrgebiet. Innerhalb des umzäunten und ummauerten Geländes befanden sich bis 1994 zahlreiche sowjetische Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Sportplätze, Schwimmbäder und Geschäfte. Das Haus der Offiziere beherbergte ein militärpolitisches Museum, dem sich 1970 ein errichteter Rotundenbau anschloss. Das dort ausgestellte großformatige Diorama „Die Schlacht um den Reichstag“ von Vinamin Sibirsky wurde mit dem Abzug der Truppen nach Schukow verbracht, wo es seit 1995 in dem nach Marschall Schukow benannten Museum wieder gezeigt wird.[19]
Der Abzug der Truppen erfolgte 1994. Sie hinterließen im September 1994 eine menschenleere Garnisonsstadt und ein Areal von 260 Hektar munitionsverdächtiger Fläche. 98.300 Stück Munition und 47.000 Stück sonstige Kampfmittel, 29,3 Tonnen Munitionsschrott und weitere Bomben- und Waffenteile wurden entsorgt. 45.000 Kubikmeter Hausmüll und Sperrmüll wurden abtransportiert; hinzu kamen tonnenweise Chemikalien, Altöle, Altfarben, Altreifen, Akkumulatoren sowie Asbestabfälle.[20]
Nachmilitärische Nutzung
Bereits 1992 wurde die Landesentwicklungsgesellschaft für Städtebau, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg mbH (LEG) einbezogen, um die Nutzung nach 1994 vorzubereiten. Ihre Hauptaufgabe lag in der Entwicklung eines wohnungspolitischen Konzeptes für Wünsdorf. Am 23. Juni 1995 wurde die Entwicklungsgesellschaft Waldstadt Wünsdorf/Zehrensdorf (EWZ) als Tochter der LEG mit Anteilen der Gemeinde Wünsdorf und des Landkreises Teltow-Fläming gegründet, „um in Wünsdorf eine modellhafte Konversion vorzuführen, um zu zeigen, wie man mit Kasernen, mit militärischem Erbe umgehen kann“.[21] So erwarb die EWZ Flächen im Raum Wünsdorf von der Brandenburgischen Boden (BBG) zu Entwicklungs- und Vermarktungszwecken. Die Gemeinden Wünsdorf und Waldstadt hätten dieses mit ihren eigenen Mitteln nicht gekonnt. Ein Konzept zur Stadtentwicklung bis zum Jahr 2005 wurde erarbeitet. Im Jahr 2001 wurde die EWZ-Geschäftsstelle in Wünsdorf aufgelöst. Die Aufgabe, 590 Hektar Fläche und rund 700 sanierungsfähige Gebäuden einer zivilen Nutzung zuzuführen, führt die EWZ aus Groß Glienicke weiter, wo die Muttergesellschaft, die LEG i.L. ihren Sitz hat. Bereits 1992 wurde mitten im ehemaligen Truppenübungsplatz die Ateliergemeinschaft Töpchin gegründet. Bildende Künstler wie Andreas Theurer, Harald Müller, Susanne Specht, Yoshimi Hashimoto, Sieghard Auer, Ralf Sander gründeten hier eine kulturelle Insel in einem ehemaligen geheimen Filmarchiv.[22] 1995 wurde in den leeren Kasernen die Kunstausstellung „Geisterstadt Geistesstatt“ von Manfred Sieloff und der Ateliergemeinschaft Töpchin organisiert.[23]
In den verlassenen Stabsgebäuden wurden zahlreiche Behörden angesiedelt, darunter das Brandenburger Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen und das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologische Landesmuseum. Die ehemaligen Kasernen wurden zum größten Teil zu Wohnhäusern umgebaut, auf freigeräumten Flächen entstanden Einfamilienhausgebiete und es wurden Nahversorgungseinrichtungen, eine Grundschule sowie Kindergärten errichtet. Diese stellen jetzt zusammen den Gemeindeteil Waldstadt dar.
Sehenswürdigkeiten
- In Wünsdorf-Waldstadt befindet sich innerhalb des ehemals von den sowjetischen Streitkräften genutzten Areals seit 1998 eines der wenigen Bücherdörfer Deutschlands, die Bücherstadt Wünsdorf.[24][25]
- Vor dem Wünsdorfer „Haus der Offiziere“ steht die größte bestehende Leninstatue in Deutschland[26]
- Die Neue Galerie im Gutenberghaus, eine Plattform für zeitgenössische Künstler der Region[27]
- Noch erhalten sind zahlreiche Bunkeranlagen der Wehrmacht, die während der Bunkerführungen der Bücherstadt Touristik GmbH besichtigt werden können, darunter auch ein Spitzbunker vom Typ Winkel. Jährlich kommen rund 20.000 Besucher.[28]
- Die Dorfkirche Wünsdorf ist eine Saalkirche im Rundbogenstil aus den Jahren 1841 bis 1843. Die Kirchenausstattung stammt einheitlich aus der Bauzeit.
- Das Radsportmuseum Wünsdorf im Gutenberghaus zeigt Exponate rund um den Radsport mit Schwerpunkt auf Berlin und Brandenburg.
- Garnisonsmuseum des Fördervereins Garnisonsmuseum Wünsdorf e.V.[29]
- Museum des Teltow[30]
- Motorradmuseum an der B 96 mit Motorrädern, Mopeds und Motorrollern, überwiegend aus DDR-Fertigung (seit 2012 geschlossen)
- „Kulturhof Wünsdorf“, typisches altes Bauerngehöft, gegründet 1839; die heute teilweise restaurierten Gebäude beherbergen eine Galerie und Werkstatt mit interessanten Foto- und Skulpturenausstellungen.
- In Wünsdorf steht das Helmut-Gollwitzer-Haus der Evangelischen Jugend Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Literatur
- Andreas Franke, Detlev Steinberg: Wünsdorf. Eine russische Stadt in der DDR. 20 Jahre nach dem Abzug der Sowjetarmee. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2014, ISBN 978-3-95462-245-0. (Bildband mit einem Nachwort von Helmut Domke; deutsch/ russisch)
- Wünsdorf. Eine Chronik in Wort und Bild. Geiger, Horb am Neckar 1992, ISBN 3-89264-695-3.
- Friedrich Beck, Margot Beck, Lieselott Enders (Bearb.), Klaus Neitmann (Hrsg.): Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil IV: Teltow. (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (Staatsarchiv Potsdam). Band 13). Weimar 1976, S. 353–356. (Neuauflage 2011, ISBN 978-3-941919-81-5)
- Willy Spatz: Der Teltow. (= Geschichte der Ortschaften des Kreises Teltow. Band 3). Rob. Rohde, Berlin 1912, S. 335–336.
- Hans Georg Kampe: 90 Jahre Militärgeschichte Zossen-Wünsdorf. Projekt + Verlag Dr. Erwin Meißler. (Computerpräsentation auf CD-ROM, drei Teile)
- Gerhard Kaiser: Sperrgebiet. Die Geheimen Kommandozentralen in Wünsdorf seit 1871. Ch. Links Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-86153-152-6.
- Gerhard Kaiser u. a.: Vom Sperrgebiet zur Waldstadt: Die Geschichte der geheimen Kommandozentralen in Wünsdorf und Umgebung. 4. Auflage. Ch. Links Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-86153-434-1.
- Stefan Wieschollek: Konversion. Ein totgeborenes Kind in Wünsdorf-Waldstadt? Probleme der Umnutzung des ehemaligen Hauptquartiers der Westgruppe der Truppen zur zivilen Kleinstadt. (Volltext (PDF) (Memento vom 13. August 2011 im Internet Archive))
Weblinks
Einzelnachweise
- Olaf Juschus: Das Jungmoränenland südlich von Berlin – Untersuchungen zur jungquartären Landschaftsentwicklung zwischen Unterspreewald und Nuthe. (= Berliner Geographische Arbeiten. 95). Dissertation, Humboldt-Universität Berlin, 2001. Berlin 2003, ISBN 3-9806807-2-X, S. 2. Siehe Abbildung 2: Platten und Urstromtalungen im Jungmoränenland südlich Berlins. (edoc.hu-berlin.de)
- Gemeinden 1994 und ihre Veränderungen seit 01.01.1948 in den neuen Ländern. Verlag Metzler-Poeschel, Stuttgart 1995, ISBN 3-8246-0321-7, Herausgeber: Statistisches Bundesamt.
- StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 1997
- StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 1996
- StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 2003
- Gerhard Kaiser, Bernd Herrmann: Vom Sperrgebiet zur Waldstadt (= Die Geschichte der geheimen Kommandozentralen in Wünsdorf und Umgebung). Ch. Links Verlag, 2007, ISBN 978-3-86153-434-1, S. 35.
- Gerhard Schlimpert: Die Ortsnamen des Teltow (= Brandenburgisches Namenbuch. Band 3; = Berliner Beitrage zur Namenforschung. Band 3). Bohlau, Weimar 1972, S. 206.
- Veröffentlichungen des Staatsarchivs Potsdam. Band 13, H. Böhlaus Nachf., Weimar 1976, S. 355.
- Adolph Friedrich Riedel: Codex diplomaticus Brandenburgensis. Teil 1, Band 24, 1863, S. 421.
- Ernst Fidicin: Die Territorien der Mark Brandenburg oder Geschichte der einzelnen Kreise, Städte, Rittergüter und Dörfer in derselben. Band 1, Selbstverlag, 1857, S. 143.
- Martin Kaule: Brandenburg 1933–1945. Der historische Reiseführer. Ch. Links Verlag, 2012, ISBN 978-3-86153-669-7, S. 81.
- Klaus Raab: Ein Zweckbau Marke Felsendom. 12. Juli 2015, abgerufen am 31. Dezember 2018.
- Arnd Krüger, Frank von Lojewski: Ausgewählte Aspekte des Wehrsports in Niedersachsen in der Weimarer Zeit. In: Hans Langenfeld, Stefan Nielsen (Hrsg.): Beiträge zur Sportgeschichte Niedersachsens. Teil 2: Weimarer Republik. (⇐ Schriftenreihe des NISH. Band 12). NISH, Hoya 1998, ISBN 3-932423-02-X, S. 124–148.
- Nicht Mekka, sondern Zehrensdorf. In: Deutschlandradio. 24. November 2006.
- Bernfried Lichtnau: Architektur und Städtebau im südlichen Ostseeraum zwischen 1936 und 1980 (= Publikation der Beiträge zur Kunsthistorischen Tagung 8. – 10. Februar 2001, veranstaltet vom Caspar-David-Friedrich-Institut, Bereich Kunstgeschichte, der Universität Greifswald). Lukas Verlag, 2002, ISBN 3-931836-74-6, S. 95.
- Niklas Maak: Die Waldstadt Wünsdorf. faz.net, 19. August 2015. (faz.net abgerufen am 19. August 2015)
- Peter Longerich: Hitler. Siedler, München 2015, ISBN 978-3-8275-0060-1, S. 710.
- WWII 8thAAF Combat Chronology. 8thafhs.org (Memento vom 2. April 2016 im Internet Archive)
- Jon Mendrala: Schlachten-Diorama: Von der Kunst, sich im Kreis zu drehen. In: Die Tageszeitung: taz. 12. September 2007, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 21. August 2021]).
- Wünsdorf – die verbotene Stadt. (Memento vom 14. August 2016 im Internet Archive)
- Entwurf für den Flächennutzungsplan für die Stadt Zossen; Steinberg, Kießlich, 2000, S. 8.
- Berliner Zeitung. 3. Juli 1996.
- Klaus Honnef, Manfred Sieloff: Geisterstadt-Geistesstatt. Konversionskunst in Wünsdorf-Waldstadt 1997. Strauss, Potsdam 1998, ISBN 3-929748-10-X.
- Bücherstadt Wünsdorf – zerplatzte Visionen? (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) 12. September 2008.
- Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf – Antiquariate. 2018.
- https://leninisstillaround.com/2015/03/09/auf-hitlers-rotem-granit/
- Neue Galerie. In: Landkreis Teltow-Fläming. Abgerufen am 26. November 2022.
- Helmut Uwer: Bunker statt Bücher. nzz.ch, 25. Februar 2014, abgerufen am 25. Februar 2014.
- Förderverein des Garnisonsmuseums Wünsdorf e. V. Abgerufen am 26. November 2022.
- Museum des Teltow. Abgerufen am 26. November 2022.