Von Parish Kostümbibliothek
Die Von Parish Kostümbibliothek ist eine in München ansässige wissenschaftliche Spezialbibliothek und museale Sammlung zur Mode- und Kostümgeschichte. Sie gehört weltweit zu den größten und thematisch umfassendsten Fachsammlungen ihrer Art. Sie trägt den Namen ihrer Stifterin Hermine von Parish (1907–1998) und befindet sich in der Nymphenburger Jugendstilvilla in der Kemnatenstraße 50, in der Hermine von Parish ihr Leben verbrachte.[1] Die Kostümbibliothek ist Bestandteil der Sammlungen des Münchner Stadtmuseums.
Von Parish Kostümbibliothek | |
---|---|
Gründung | 1970 |
Bibliothekstyp | wissenschaftliche Spezialbibliothek |
Ort | München |
ISIL | DE-M458 |
Betreiber | Münchner Stadtmuseum/Landeshauptstadt München |
Leitung | Esther Sophia Sünderhauf |
Website | https://www.muenchner-stadtmuseum.de/sammlungen/mode-/-textilien-/-kostuembibliothek/von-parish-kostuembibliothek |
Sammlungsgebiete
Im Zentrum der Sammlung steht die europäische Kostümgeschichte. Darüber hinaus sind Bücher und Abbildungen von nahezu jeglicher Bekleidung und Körpergestaltung weltweit und aus allen Epochen vorhanden. Thematische Schwerpunkte sind zudem europäische Volkstrachten, Modedesign, Berufskleidung, Accessoires, Sportbekleidung, Jugendmode, Bühnenbekleidung für Theater und Film sowie Textilkunde, Textiltechniken und Schnittmuster. In der Dokumentation werden Einzelabbildungen, Zeitungsartikel, Postkarten, Kaufhauskataloge, Firmenprospekte, Schnittmuster u. a. m. gesammelt.
Umfang der Sammlung
Die beständig wachsende Sammlung umfasst derzeit ca. 10.000 Bücher und 2.000 Zeitschriftenbände, zudem 3.500 Stehsammler mit Einzelheften. Ein Großteil davon sind reich illustrierte Werke aus dem 16. bis 19. Jahrhundert. Der Bestand von 1.500 verschiedenen Zeitschriftentiteln, beginnend mit teils raren Ausgaben aus dem 18. Jahrhundert, ist von weltweitem Rang. 30 internationale Modejournale sind fortlaufend abonniert. Ein zentraler Bestandteil der Sammlung ist das Bildarchiv mit 40.000 Grafiken und 30.000 Fotos. Die Dokumentation umfasst 4.000 Archivschachteln mit rund 1,5 Mio. Einheiten, die chronologisch und systematisch geordnet sind. Zusammen mit der bereits 1899 öffentlich zugänglich gemachten Lipperheideschen Kostümbibliothek in Berlin zählt die Von Parish Kostümbibliothek damit zu den weltweit größten Spezialbibliothekent zur Kostümgeschichte.
Überdies wird in der Von Parish Kostümbibliothek ein umfangreiches Familienarchiv verwahrt, darunter der künstlerische und persönliche Nachlass des Malers Emanuel Spitzer, eines Großvaters Hermine von Parishs.
Geschichte der Sammlung
Den Grundstock der heutigen Sammlung legte in den 1850er Jahren Hermine von Parishs Urgroßvater mütterlicherseits, Rudolf Marggraff. Er war von 1841 bis 1855 Generalsekretär der Königlichen Akademie der Bildenden Künste und verfasste u. a. das erste Verzeichnis der Gemälde in der Alten Pinakothek (München 1865). Seine Enkelin Hermine Viktoria von Parish, Mutter von Hermine von Parish, baute diese erste Kostümbildsammlung aus, als ihr dafür durch die Heirat mit dem begüterten Edmund von Parish ab 1906 die finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Nach dem Tod ihres Mannes 1916 sammelte sie kontinuierlich weiter und führte ihre damals neunjährige Tochter Hermine an dieses Gebiet heran. 1936 erfolgte der Umzug in die Villa Kemnatenstraße 50 (damals Wotanstraße), die Hermine von Parish sen. bereits Ende 1916 aus dem Erbe ihres Mannes erworben hatte.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Wohnhaus beschädigt. Kostümbildsammlung und Bibliothek wurden daher 1944 mit Hilfe des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege evakuiert und auf sieben verschiedene Orte in Bayern verteilt. Der wertvollste Teil, aufbewahrt in der von den Behörden als „sicher“ eingestuften Lazarettstadt Bad Tölz, wurde in den Nachkriegswirren vollständig geplündert und verheizt.
In den 1950er Jahren wurde aus der privaten Kostümbildsammlung und Bibliothek das „Institut für Kostümforschung“. Seit 1959 unterstützt die durch Hermine von Parish selbst ins Leben gerufene gemeinnützige „von Parish-Gesellschaft zur Förderung der Kostümforschung e. V.“ die Arbeit des Hauses. 1970, im Alter von 63 Jahren, verkaufte Hermine von Parish ihre Villa mit Grundstück der Stadt München, blieb jedoch darin wohnen; Bibliothek und Sammlung wurden in Form einer Schenkung übereignet.
Seitdem ist das Haus dem Münchner Stadtmuseum als externe Abteilung angeschlossen, die Hermine von Parish selbst mit Hilfe wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen bis zu ihrem Tod 1998 leitete. Die hohe Leibrente der Stadt München, die sie für das Nachbargrundstück Kemnatenstraße 48 erhielt, hatte sie bis dahin komplett in den Ankauf neuen, besonders wertvollen Sammlungsguts investiert. In ihrem Testament vermachte sie der Stadt auch noch diesen seit 1970 erworbenen Bestand mit der Auflage, die Sammlung auf Dauer in ihrem Haus Kemnatenstraße 50 zu belassen.
Für ihre Verdienste erhielt Hermine von Parish 1980 die Medaille „München leuchtet“ in Gold und posthum 2007 für ihr Lebenswerk den „Preis zur Bewahrung Europäischen Kulturerbes“. 2018 ehrte sie die Stadt München mit der Benennung der Hermine-von-Parish-Straße in Pasing-Obermenzing.
Seit 1998 wird in bescheidenem Maße weiter angekauft und gesammelt, um den Bestand fortlaufend zu aktualisieren und systematisch zu ergänzen.
Gebäude
Das Haus Wotanstraße 50 (so der damalige Straßenname) in Nymphenburg ließ der Offizier und Tonkünstler Friedrich von Schirach (1870 Philadelphia–1924 München) 1900/1901 bei der Münchner Baugesellschaft Gebrüder Rank in Auftrag geben. Bereits 1916 hat er es an Hermine von Parishs Mutter verkauft, die dort 1936 mit ihrer Tochter einzog. Die originale Innenraumgestaltung von 1901 hat sich in großen Teilen erhalten und wurde 2019/2020 bei einer Sanierung auf die Erstfassung zurückgeführt. Das historistische Wohnambiente der Familie von Parish wird im Erdgeschoss mit Diele, Salon, Familienbibliothek und Speisezimmer als historisches Ensemble bewahrt. In allen übrigen Räumen befinden sich Bibliothek, graphische Sammlung, Dokumentation, Archiv und Büroräume. Für die geglückte Renovierung erhielt die Von Parish Kostümbibliothek 2022 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 20 000 Euro.[2]
Ausstellungen
- 1974: „Kostüme – erdacht und getragen“, Münchner Stadtmuseum, 25. Januar – 3. März 1974
- 1976: „Allongeperücke und Schleppenkleid 1670 bis 1730. Kostüme aus der Zeit des Max Emanuel“, Münchner Stadtmuseum, 5. August – 3. Oktober 1976
- 1989: „Die Bekleidung ist ein Ausdruck des Zeitgeistes. Seltene Bilder und Bücher des v. Parish-Kostümforschungsinstituts“, München, Institut Français, 5. Juni – 27. Juli 1989
- 1992: „Der Laufsteg kam zuletzt. Modedarstellungen aus 5 Jahrhunderten“, München, Modehaus Maendler, 9. April – 4. Mai 1992 (organisiert von der Von-Parish-Gesellschaft)
- 2000: „Kostümbücher, Spottschriften, Modebreviere.“ Ausstellung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Von-Parish-Kostümbibliothek, München, Von-Parish-Kostümbibliothek, 11. April – 5. Mai 2000
- 2007: „Hermine von Parish – zum 100. Geburtstag,“ Musikinstrumentenmuseum im Münchner Stadtmuseum, 18. April – 29. April 2007
Würdigung als "Kosmos der Mode"
"Die unweit des Nymphenburger Schlosses gelegene Von Parish Kostümbibliothek, Außenstelle des Münchner Stadtmuseums, ist eine wissenschaftliche Spezialbibliothek zur Mode- und Kostümgeschichte. Sie gehört weltweit zu den größten und thematisch umfassendsten Fachsammlungen ihrer Art. Das Haus ist vom Keller bis zum Dach mit Büchern, Zeitschriften, Grafiken, Fotografien und einer Dokumentation zur Bekleidung aller Erdteile und Epochen gefüllt. Ein Kosmos der Mode! Allein die Jugendstilvilla mit den musealen Wohnräumen der Familie von Parish ist einen Besuch wert."[3]
Weblinks
- Von Parish Kostümbibliothek. In: Münchner Stadtmuseum.de
- Bibliothek des Kostümforschungsinstituts von Parish. In: Handbuch der historischen Buchbestände (Fabian-Handbuch) online
- Barbara Hordych: Schatzhaus der Moden. In: Süddeutsche Zeitung vom 15. September 2022 (abgerufen am 29. Dezember 2022).
Einzelnachweise
- Von Parish Kostümbibliothek. muenchner-stadtmuseum.de, abgerufen am 6. September 2022.
- Sabine Reithmaier: Säulen der Erinnerung. Süddeutsche Zeitung, vom 28. Dezember 2022 (abgerufen am 29. Dezember 2022).
- Vintage Fashion 2024: Insider-Tipp KOSMOS DER MODE Katalog Auktionshaus Neumeister, München 2024 (abgerufen am 4. März 2024).