Vinylsulfonsäure
Vinylsulfonsäure ist der einfachste Vertreter ungesättigter Sulfonsäuren.[7] Die aktivierte Doppelbindung bedingt die hohe Reaktivität gegenüber nucleophilen Agentien und die ausgeprägte Polymerisationsneigung, insbesondere bei der Verwendung als Comonomer mit funktionellen Vinyl-[8] und (Meth)Acrylsäureverbindungen.[9]
Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Name | Vinylsulfonsäure | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
Ethylensulfonsäure | |||||||||||||||||||||
Summenformel | C2H4O3S | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farblose Flüssigkeit, die sich an der Luft rasch gelb-braun färbt[1] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 108,12 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig[1] | |||||||||||||||||||||
Dichte |
1,392 g·cm−3[2] | |||||||||||||||||||||
Siedepunkt | ||||||||||||||||||||||
Brechungsindex |
1,4499 (20 °C)[5] | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Gewinnung und Darstellung
Vinylsulfonsäure kann durch Dehydratisierung von Isethionsäure mittels Phosphorpentoxid hergestellt werden:[10]
![Vinylsulfonsäure via Isethionsäure](../I/Vinylsulfons%C3%A4ure_via_Isethions%C3%A4ure.svg.png.webp)
Die Sulfochlorierung von Chlorethan nach Reed, Dehydrohalogenierung zum Vinylsulfonylchlorid und anschließende Hydrolyse des Säurechlorids führt ebenfalls zu Vinylsulfonsäure.
![Vinylsulfonsäure durch Reed-Sulfochlorierung](../I/Vinylsulfons%C3%A4ure_durch_Reed-Sulfochlorierung.svg.png.webp)
Technisch relevant ist ausschließlich die alkalische Hydrolyse von Carbylsulfat mit anschließendem Ansäuern des entstehenden Natriumvinylsulfonats:[1]
![Vinylsulfonsäure aus Carbylsulfat](../I/Vinylsulfons%C3%A4ure_aus_Carbylsulfat.svg.png.webp)
Die Reaktion ist mit einer Reaktionsenthalpie von 1.675 kJ/kg stark exotherm und erfordert die exakte Einhaltung von Temperatur und pH-Wert bei der Hydrolyse. Mit Calciumhydroxid als Hydrolysemedium resultiert eine Lösung von Calciumvinylsulfonat, aus der beim Ansäuern mit konz. Schwefelsäure schwerlösliches Calciumsulfat ausfällt und eine farblose Vinylsulfonat-Lösung erhalten wird.
Eigenschaften
Reine Vinylsulfonsäure ist eine farblose, viskose und wasseranziehende Flüssigkeit, die sich an der Luft rasch gelb-braun bis dunkelrot verfärbt.[11] Reinigung durch Entfärbung mit Aktivkohle und Vakuumdestillation, sowie Stabilisierung der oxidationsempfindlichen Substanz, z. B. mit MEHQ erfordern erheblichen Aufwand, sind aber zur Erzielung hoher Molgewichte bei der (Co)Polymerisation[11] oder beim Einsatz in Elektronikmaterialien[12] unerlässlich. Wässrige Vinylsulfonsäure-Lösungen reagieren stark sauer.
Verwendung
An die aktivierte Doppelbindung der Vinylsulfonsäure können leicht Nucleophile addiert werden; so entsteht mit Ammoniak Taurin und mit Methylamin N-Methyltaurin, das als Ausgangsmaterial für die Tensidklasse der Tauride dient. Vinylsulfonsäure wird als reaktionsfähiges Monomer zur Herstellung von stark sauren bzw. anionischen Homo- und Copolymeren eingesetzt, die in der Elektronikindustrie in Photoresists, als leitfähige Polymere und in Polymerelektrolymembranen (PEM) für Brennstoffzellen Verwendung finden. So bildet Polyvinylsulfonsäure transparente Membranen mit hoher Ionenaustauschkapazität und Protonenleitfähigkeit.[13] Vinylsulfonsäure kann auch auf polymere Träger, wie z. B. Polystyrol gepfropft werden, wobei stark saure Ionenaustauscher erhalten werden, die sich als Katalysatoren für Veresterungen und Friedel-Crafts-Acylierungen eignen.[14] Wo die Sulfonsäurefunktionalität nicht unbedingt erforderlich ist, wird die wesentlich anwenderfreundlichere alkalisch-wässrige Lösung des Natriumvinylsulfonats eingesetzt, das bei der alkalischen Hydrolyse des Carbylsulfats direkt anfällt.
Einzelnachweise
- Patent US3872165: Manufacture of vinyl sulfonates and vinylsulfonic acid from carbylsulfate. Angemeldet am 30. November 1971, veröffentlicht am 18. März 1975, Anmelder: BASF, Erfinder: Roland Dahlinger, Walter Schenk, Dieter Stockburger.
- Eintrag zu Vinylsulfonsäure bei ChemBlink, abgerufen am 6. August 2012.
- Eintrag zu Vinylsulfonsäure. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 26. Mai 2014.
- H.C. Haas, M.S. Simon: Reactivity ratios of some monomer pairs in J. Polymer Sci. 9 (1952) 309–314, doi:10.1002/pol.1952.120090403.
- Le Berre u. a.: Bulletin de la Societe Chimique de France 1970, 954–957.
- Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
- H. Distler: Zur Chemie der Vinylsulfonsäure in Angew. Chem. 77 (1965) 291–311, doi:10.1002/ange.19650770704.
- Patent EP0643081: Polymers of vinylsulfonic acid. Veröffentlicht am 15. März 1995, Anmelder: Hoechst AG, Erfinder: H. Hoffmann et al..
- Patent US2011017954: VINYL SULFONIC ACID, POLYMER THEREOF, AND PRODUCTION METHOD THEREOF. Veröffentlicht am 27. Januar 2011, Erfinder: H. Akikaze et al..
- Patent US2597696: Preparation of ethylenesulfonic acid. Angemeldet am 18. März 1948, veröffentlicht am 20. Mai 1952, Anmelder: American Cyanamid, Erfinder: J.A. Anthes, J.R. Dudley.
- Patent US3312735: Purification of ethylenesulfonic acid. Angemeldet am 30. September 1963, veröffentlicht am 4. April 1967, Anmelder: Dow Chemical, Erfinder: Robert C. Medford, Charles R. Pfeifer.
- Patent EP2128131: PROCESS FOR PRODUCING VINYLSULFONIC ACID. Veröffentlicht am 2. Dezember 2009, Anmelder: Asahi Kasei Finechem Co. Ltd., Erfinder: H. Akikaze et al..
- Teruyuki Okayasu, Toshiyasu Hibino, Hiroyuki Nishide: Free Radical Polymerization Kinetics of Vinylsulfonic Acid and Highly Acidic Properties of its Polymer. In: Macromolecular Chemistry and Physics. Band 212, Nr. 10, 17. Mai 2011, S. 1072–1079, doi:10.1002/macp.201000773.
- T. Okayasu, K. Saito, H. Nishide, M.T W. Hearn: Poly(vinylsulfonic acid)-grafted solid catalysts: new materials for acid-catalysed organic synthetic reactions. In: Green Chem. Band 12, 2010, S. 1981–1989, doi:10.1039/C0GC00241K.