Vikunjawolle

Vikunjawolle bezeichnet die Haare des südamerikanischen Vikunja, eines Tiers der Gattung der Neuweltkamele. Sie hat den zweitgeringsten Faserdurchmesser aller genutzten Tierhaare und ist die teuerste legale Wolle.

Vikunjawolle
Vikunjawolle
Fasertyp

tierische Naturfaser

Herkunft

Vikunja

Farbe

weiß bis beige

Eigenschaften
Faserlänge 2–4 cm
Faserdurchmesser 11–13,5 µm
Produkte Textil

Eigenschaften

Vikunja

Das zur Herstellung von Vikunjawolle verwendete Wollhaar des Vikunja ist nach Shahtoosh, dem Haar der Tibetantilope, eines der feinsten Tierhaare mit einem Haardurchmesser von durchschnittlich 8–13[1] bzw. 11–13,5 Mikrometer.[2] Unter den tierischen Textilfasern haben neben Shahtoosh nur noch die verschiedenen Seiden und Byssus einen geringeren Faserdurchmesser. Die Oberflächenstruktur der Faser ist geschuppt wie bei Schafwolle.[3] Der Schuppenabstand beträgt zwischen 7 und 14 Schuppenringe pro 100 Mikrometer.[4] Die Zellanordnung der Faser ist im Transmissionselektronenmikroskop bilateral (wie auch beim Guanako), während sie beim Lama und Alpaka ungeordnet ist.[5] Daneben kann Vikunjawolle auch mit Massenspektrometrie identifiziert werden.[6] Vor der Verarbeitung wird das Wollhaar durch Sortierung vom Deckhaar getrennt.

Gewinnung und Verarbeitung

Ruana aus Vikunjawolle

Die Inka trieben Vikunjas zu Zehntausenden in Gatter, schoren die Wolle zur ausschließlichen Verwendung durch hohe Adlige und ließen die Tiere dann wieder frei.[7] Im 20. Jahrhundert wurden Vikunjas für ihre Wolle gejagt. Dadurch nahm die Population bis in die 1970er Jahre auf etwa 8000 Tiere ab,[8] woraufhin Vikunjas bis 1994 unter Artenschutz standen und im CITES Anhang I aufgeführt waren.[9] Als sich die Population teilweise erholt hatte, wurden sie in CITES Anhang II gelistet.[9] In Peru, Chile, Bolivien und Argentinien werden sie zur kommerziellen Nutzung freilaufend in Nationalparks gehalten, seltener auch in weitläufigen Gehegen (vor allem in Argentinien).[3][1] In Peru wurden 1994 drei Unternehmen lizenziert, Vikunjawolle legal zu gewinnen und zu exportieren: Loro Piana, Agnona und Incalpaca TPX.[10] Im Jahr 2009 wurden weltweit 5500 bis 6000 Kilogramm Vikunjawolle gewonnen.[4]

Die Haare des Vikunja werden heute nach einem traditionellen Zusammentreiben („chaccu“) in Gattern geschoren.[8] Dabei wird alle zwei Jahre eine Wolle mit einer durchschnittlichen Faserlänge von 2–4 cm gewonnen. Das Gewicht an geschorenen Wollhaaren beträgt alle zwei Jahre pro Tier etwa 250 g[9] bis 450 g,[1] nach Entfernung der unerwünschten Deckhaare vom Wollhaar.[1] Nach einer Entfernung von Verschmutzungen und Verfilzungen folgt eine Sortierung der Wolle zur Entfernung der Deckhaare. Anschließend werden die Wollhaare kardiert, zu einem Garn gesponnen und zu Textilien gewebt oder gestrickt. Bei gewebten Stoffen wird die Oberfläche oftmals geraut, um einen weicheren Griff, höheres Volumen und höhere Wärmeisolation zu erzeugen.[11] Die Wolle der Vikunjas gilt als die seltenste und teuerste legale Wolle der Welt, denn Shahtoosh ist zwar feiner und teurer, aber die Nutzung aufgrund des Artenschutzes nach CITES untersagt. Im Jahr 2010 wurde Rohwolle des Vikunja für etwa 7–15 Euro pro Unze gehandelt.[12] Aus sortierter und kardierter Wolle gesponnenes Garn kostet im Einzelhandel 300 Euro pro Unze. Meist wird sie naturfarben verarbeitet, da die Struktur des Vikunjahaars unter einem Bleichen oder Färben leidet.[13][14] Nördliche Populationen der Vikunjas zeigen am Rücken eine eher zimtartige Fellfarbe, südliche einen beigen Farbton; das Haar am Bauch stellt einen kleineren Teil, der deutlich heller ist.[1] Weiße Vikunjawolle erzielt höhere Preise.[15] Neben gestrickten Pullovern und Socken werden aus Vikunjawolle auch Stoffe gewebt, die zu exklusiver Maßkleidung verarbeitet werden. Ein Jackett kann bis zu 21.000 Euro kosten, ein Maßanzug beginnt bei 32.000 Euro.[10]

Reinigung

Wie alle proteinbasierten Fasern (Wolle, Seide) werden Produkte aus Vikunjawolle durch eine chemische Reinigung (wasserfrei) oder mit der Hand in lauwarmem Wasser mit einem Wollwaschmittel gereinigt. Voll- und Buntwaschmittel sind ungeeignet, da sie unter den Waschmittelenzymen auch proteinabbauende Enzyme enthalten, welche die Haarstruktur beschädigen. Bei hydrophilen Textilien wie solchen aus Wolle kann ein Wasserkontakt durch das Quellen und das beim Trocknen folgende Schrumpfen zu einer Fadenverkürzung und somit zum Einlaufen des Textils führen, in Wäschetrocknern wird die Schrumpfung verstärkt. Wegen einer Neigung zum Verfilzen sollten Textilien aus Vikunjawolle nicht gewrungen oder gerieben, können aber getupft werden.

Literatur

  • C. T. Sahley, J. T. Vargas, J. S. Valdivia: Biological sustainability of live shearing of vicuña in Peru. In: Conservation biology : the journal of the Society for Conservation Biology. Band 21, Nummer 1, Februar 2007, S. 98–105, doi:10.1111/j.1523-1739.2006.00558.x, PMID 17298515.
  • R. R. McAllister, D. McNeill, I. J. Gordon: Legalizing markets and the consequences for poaching of wildlife species: the vicuña as a case study. In: Journal of environmental management. Band 90, Nummer 1, Januar 2009, S. 120–130, doi:10.1016/j.jenvman.2007.08.014, PMID 18082928.

Einzelnachweise

  1. Carol Ekarius: The Fleece & Fiber Sourcebook. Storey Publishing, 2011, ISBN 978-1-60342-764-7, S. 381–382.
  2. Hans-Karl Rouette: Encyclopedia of textile finishing. Woodland, Cambridge 2001, ISBN 1-84569-065-6.
  3. Miguel Angel Gardetti: Handbook of Sustainable Luxury Textiles and Fashion. Springer, 2015, ISBN 978-981-287-633-1, S. 107.
  4. Subramanian Senthilkannan Muthu, Miguel Angel Gardetti: Sustainable Fibres for Fashion Industry. Springer, 2016, ISBN 978-981-10-0522-0, S. 20.
  5. Menachem Lewin: Handbook of Fiber Chemistry, Second Edition, Revised and Expanded. CRC Press, 1998, ISBN 978-0-8247-9471-2, S. 403.
  6. E. Price, D. Larrabure, B. Gonzales, P. McClure, E. Espinoza: Forensic identification of the keratin fibers of South American camelids by ambient ionization mass spectrometry: Vicuña, alpaca and guanaco. In: Rapid communications in mass spectrometry : RCM. Band 34, Nummer 23, Dezember 2020, S. e8916, doi:10.1002/rcm.8916, PMID 32770752.
  7. Detlev Kirst: DuMont Reise-Handbuch Reiseführer Peru. 5. Auflage, Dumont Reiseverlag, 2019. ISBN 9783616430904. S. 58.
  8. Paula Hammond: The Atlas of Endangered Animals: Wildlife Under Threat Around the World. Marshall Cavendish reference, 2010. ISBN 9780761478720. S. 173.
  9. Kirsten M. Silvius: People in Nature. Columbia University Press, 2012, ISBN 978-0-231-50208-5, S. 155, 164 (englisch).
  10. David Coggins: Why Does a Vicuña Jacket Cost $21,000? In: Wall Street Journal. 20. September 2013, abgerufen am 27. Oktober 2022.
  11. Thomas Meyer zur Capellen: Lexikon der Gewebe: Technik - Bindungen - Handelsnamen. 5. Auflage, dfv Mediengruppe, 2016. ISBN 9783866415034. Stichwort Karde.
  12. BBC: How Peru's 'Andean rodeo' is helping save the vicuna. In: BBC News. (2010). Abgerufen am 21. Januar 2013.
  13. Katherine Gumiel Conzelmann: Dyeing Effects on Physical Properties of Vicuña & Other Luxury Specialty Fibers. 2015, ISBN 978-1-339-26038-9.
  14. Clive Hallett, Amanda Johnston: Fabric for Fashion: The Complete Guide Second Edition. Hachette UK, 2022. ISBN 9781529419962.
  15. Thomas Rusche: Kleines SØR-Brevier der Kleidungskultur: der Ratgeber für den Herrn. LIT Verlag Münster, 1991. ISBN 9783894731014. S. 136.
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