Viktor de Kowa
Viktor de Kowa (auch Victor de Kowa, eigentlich Victor Paul Karl Kowarzik) (* 8. März 1904 in Hohkirch bei Görlitz, heute Przesieczany; † 8. April 1973 in West-Berlin) war ein deutscher Theater- und Filmschauspieler, Chansonsänger, Regisseur, Erzähler und Komödiendichter.
Leben
Der Sohn des Landwirts und Ingenieurs Karl Viktor Eugen Kowarzik wuchs in Dresden und von 1910 bis 1913 in der Villa „1900 am Walde“ in Seifersdorf bei Dippoldiswalde auf, wo er auch eingeschult wurde. Später wohnte er mit seiner Familie in Chemnitz. Nach der Kadettenschule besuchte er die Kunstakademie in Dresden und wurde zunächst Plakatzeichner. Dann nahm de Kowa Schauspielunterricht bei Erich Ponto, der ihm 1922 sein erstes Engagement am Dresdner Staatstheater vermittelte. 1926 gehörte de Kowa zum Ensemble der Waldbühne Sohland. Nach Stationen in Lübeck, Frankfurt am Main und Hamburg ging de Kowa nach Berlin, wo er an der Volksbühne, am Deutschen Theater und am Staatstheater bei Gustaf Gründgens spielte.
Seine erste kleine Filmrolle spielte er schon zur Stummfilmzeit in Der Herzensdieb (1927). In der UFA-Zeit (1930er und 1940er Jahre) zählte de Kowa zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Filmkomödie, um 1932/33 gelang ihm der Durchbruch zu Hauptrollen. Gelegentliche Besuche bei Goebbels zur Vorstellung eigener Projekte mögen 1939 dazu geführt haben, dass er zur Filmregie wechseln konnte. Er führte nach zwei Komödien beim NS-Propagandafilm Kopf hoch, Johannes! Regie. In diesem Jugendfilm wird der unabhängige, freiheitsliebende Junge Johannes an einer Napola-Schule, den Nationalsozialistischen Eliteinternaten, zu Disziplin und Gehorsam bekehrt. Das Statement de Kowa im Presseheft lautete: „Die Aufgabe, ein Abbild zu schaffen von dem Leben dieser jungen Generation, dieser zukünftigen Führerschaft Großdeutschlands – das ist eine Arbeit, für die man sich ehrlich und ohne Vorbehalte begeistern kann.“[1] Joseph Goebbels war von der Regieleistung de Kowas enttäuscht, der Film war ein relativer finanzieller Misserfolg und beendete dessen kurze Regiekarriere. Dennoch erhielt de Kowa später die Intendanz des Theaters und der Komödie am Kurfürstendamm. Er wurde im August 1944 von Goebbels in die Gottbegnadeten-Liste der unverzichtbaren Filmschauspieler aufgenommen, was ihn vor Kriegsdienstverpflichtungen bewahrte.[2] Für den letzten im Auftrag des NS-Regimes gedrehten Film Das Leben geht weiter von 1945, einen nie aufgeführter und nach Kriegsende verschollenen Propaganda- und „Durchhalte“-Film, wurde de Kowa als bestbezahlter Akteur verpflichtet.
Ungeachtet seiner unleugbaren, aktiven Anbiederung an das Regime hat de Kowa, wie mehrfach bezeugt ist, der Widerstandsgruppe Ernst mit Geld und Unterschlupf geholfen, er selbst will auch einmal an einer Aktion, bei der Parolen an Häuserwände geschmiert wurden, beteiligt gewesen sein. Ebenfalls half er nachweislich Ende 1944 dem Major Fritz Goes, als dieser von der Schauspielerin Marianne Simson denunziert wurde, mit einer Aussage, in der er offenbar Simson als pathologische Lügnerin abqualifizierte, wofür er mit den anderen Unterstützern des Majors auf schärfste von Reichsfilmintendant Hans Hinkel bestandpunktet wurde. Felix Moeller zufolge war Viktor de Kowa Mitglied der NSDAP[3]. Anderen Autoren zufolge ist diese Aussage unzutreffend. De Kowa selbst verneinte in allen Fragebögen aus der NS-Zeit eine Mitgliedschaft bei NS-Organisationen.[4]
De Kowa war von 1945 bis 1950 Intendant der Berliner Tribüne und von 1956 bis 1962 Mitglied des Wiener Burgtheaters. Er betätigte sich auch in Organisationen der Friedensbewegung und war 1962 bis 1966 Vorsitzender der Gewerkschaft Kunst und Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
In der Nachkriegszeit glänzte de Kowa in den Filmen Des Teufels General (1955) als SS-Gruppenführer Schmidt-Lausitz, Es muß nicht immer Kaviar sein (1961) als Loos (auch im Nachfolgefilm Diesmal muß es Kaviar sein), dem Edgar-Wallace-Film Der Fälscher von London (1961) als Dr. Wells oder in Das Haus in Montevideo (1963) als Anwalt. Seine letzte Filmrolle hatte de Kowa in dem Karl-May-Film Winnetou und sein Freund Old Firehand als spleeniger Engländer Ravenhurst.
Im Fernsehen spielte de Kowa in dem Fernsehspiel Die große Szene (1962) (neben Antje Weisgerber) und auch in der Serie Slim Callaghan greift ein (ZDF, 1964). Als Synchronsprecher war er auch die deutsche Stimme von James Stewart in der Komödie Mein Freund Harvey (Harvey, 1950) und in Die Reise ins Ungewisse (No Highway in the Sky, 1951).
Als Autor verfasste der Schauspieler Bühnenkomödien (So oder so, Heut abend um 6, Untreu, Florian ist kein schlechter Kerl, Der Tolpatsch u. a.) und übersetzte Stücke aus dem Französischen.
De Kowa war von 1926 bis 1941 mit der Schauspielerin Ursula Grabley (1908–1977) und von 1941 bis zu seinem Tod mit der japanischen Sängerin und Schauspielerin Michiko Tanaka (1909–1988) verheiratet, deren vorheriger Ehemann Julius Meinl II. Trauzeuge war.[5]
Anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums überreichte ihm Bundeskanzler Willy Brandt am 20. Februar 1972 das Große Bundesverdienstkreuz. Zu diesem Zeitpunkt war de Kowa bereits an Zungenkrebs erkrankt, eine Krankheit, die ihn sichtbar zeichnete.[6] Zudem erlitt er Anfang November 1972 einen Herzinfarkt.[7] Viktor de Kowa starb, einen Monat nach seinem 69. Geburtstag, am 8. April 1973 nach langem Leiden im West-Berliner Universitätsklinikum.[8]
Sein Grab befindet sich auf dem landeseigenen Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend. Das Grabdenkmal in Form einer Pagode schuf der Bildhauer Richard Scheibe. Dahinter stehen zwei ineinander verschlungene Kirschbäume. Beides erinnert an die fernöstliche Kultur, mit der de Kowa durch die Heirat mit Michiko Tanaka in Verbindung trat. Die Witwe wurde 1988 neben ihrem Gatten beigesetzt.[9] Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Viktor de Kowa (Grablage: 16-G-29) seit 1980 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung wurde 2001 um die übliche Frist von zwanzig Jahren verlängert.[10] Die separate Widmung als Ehrengrab für die letzte Ruhestätte von Michiko de Kowa-Tanaka, die seit 1990 bestand, lief im Jahr 2014 aus.
Filmografie
- 1928: Der moderne Casanova
- 1929: Katharina Knie
- 1930: Pension Schöller
- 1931: Die Faschingsfee
- 1931: Der wahre Jakob
- 1931: 1914, die letzten Tage vor dem Weltbrand
- 1931: Die andere Seite
- 1932: Der Stolz der 3. Kompanie
- 1932: Unheimliche Geschichten
- 1932: Tannenberg
- 1932: Der Orlow
- 1933: Der Läufer von Marathon
- 1933: Sag’ mir, wer Du bist
- 1933: Es war einmal ein Musikus
- 1933: Ein Lied geht um die Welt
- 1933: Kleiner Mann – was nun?
- 1933: Zwei im Sonnenschein
- 1933: Das Schloß im Süden
- 1933: Mädels von heute
- 1933: Wenn ich König wär!
- 1933: Polizeiakte 909 (Taifun)
- 1934: Die Finanzen des Großherzogs
- 1934: Pappi
- 1934: Was bin ich ohne Dich
- 1934: Der junge Baron Neuhaus
- 1934: Da stimmt was nicht
- 1934: Ein Kind, ein Hund, ein Vagabund
- 1934: Lockvogel
- 1935: Mein Leben für Maria Isabell
- 1935: Lärm um Weidemann
- 1936: Die große und die kleine Welt
- 1936: Skandal um die Fledermaus
- 1936: Spiel an Bord
- 1937: Die göttliche Jette
- 1937: Versprich mir nichts!
- 1937: Mit versiegelter Order
- 1938: Kleiner Mann – ganz groß
- 1938: Ich liebe Dich (auch Co-Drehbuch)
- 1938: Der Optimist
- 1938: Scheidungsreise
- 1939: Schneider Wibbel (Regie)
- 1940: Casanova heiratet (Regie)
- 1941: Kopf hoch, Johannes! (Regie)
- 1942: Die Sache mit Styx
- 1942: Wir machen Musik
- 1943: Altes Herz wird wieder jung
- 1943: Ein glücklicher Mensch
- 1945: Das Leben geht weiter
- 1946: Peter Voss, der Millionendieb
- 1946: Sag' die Wahrheit (Produktion)
- 1947: Zugvögel (Produktion)
- 1947: Und finden dereinst uns wieder (Produktion)
- 1947: Zwischen gestern und morgen
- 1949: Anonyme Briefe
- 1950: Die wunderschöne Galathee
- 1950: Melodie des Schicksals
- 1950: Skandal in der Botschaft
- 1951: Der blaue Stern des Südens
- 1952: Der Fürst von Pappenheim
- 1954: Eine Liebesgeschichte
- 1954: Hochstaplerin der Liebe
- 1955: Des Teufels General
- 1955: Der Himmel ist nie ausverkauft
- 1955: Vor Gott und den Menschen
- 1955: Musik im Blut
- 1956: Kein Platz für wilde Tiere (Sprecher)
- 1956: Ein Mädchen aus Flandern
- 1956: Nichts als Ärger mit der Liebe
- 1958: Scampolo
- 1958: Der veruntreute Himmel
- 1960: Bomben auf Monte Carlo
- 1960: Schlußakkord
- 1961: Der Fälscher von London
- 1961: Es muß nicht immer Kaviar sein
- 1961: Diesmal muß es Kaviar sein
- 1963: Das Haus in Montevideo
- 1963: Begegnung in Salzburg
- 1964: Slim Callaghan greift ein (8-teilige Fernsehserie)
- 1966: Winnetou und sein Freund Old Firehand
- 1971: Glückspilze
Hörspiele
- 1947: Was den Damen gefällt – (Hauptrolle und Regie)
- 1948: Ingeborg – Regie: Otto Kurth
- 1951: Affäre Dreyfus – Regie: Curt Goetz-Pflug
- 1955: Der Apollo von Bellac – Regie: Rolf von Goth
- 1957: Gigi (Theatermitschnitt) – Aus der Reihe Wir gehen ins Theater (Regie)
- 1959: Tod eines Nichtschwimmers – Regie: Hans Bernd Müller
- 1960: Die Reise nach Österreich – Regie: Gerlach Fiedler
- 1960: Venus im Licht – Regie: Hans Lietzau
- 1961: Ferdinand und der Kaiser – Regie: Peter Schulze-Rohr
- 1963: Minna Magdalena – Regie: Hans Deppe
- 1964: Lärm in Tripolis – Regie: Hans Dieter Schwarze
- 1972: Dämmerung mit 6 Richtigen – Regie: Günter Bommert
Auszeichnungen
- 1956: Komturkreuz des römischen Adlerordens
- 1961: Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1962: Ernst-Reuter-Plakette der Stadt Berlin
- 1963: Orden Merite Civique
- 1964: Bambi
- 1972: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
Medien
- Wilhelm Busch: Max & Moritz – Fipps, der Affe. Gesprochen von Viktor de Kowa. BMG Wort, Köln 2000, ISBN 3-89830-183-4.
- Gesangsaufnahmen auf Schallplatten wie Eine Weisse mit 'nem Himbeerschuss, Man muss auch 'mal 'nen Hupfer tun.
Werke
- Achduliebezeit. Aus dem Libretto meines Lebens Aufgeschnappt, aufgeschrieben, verdichtet und gedichtet. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1971, ISBN 3-421-01580-5.
- Als ich noch Prinz war von Arkadien. Glock & Lutz, Nürnberg 1955 (Biografie).
- Katechismus des gesunden Menschenverstandes. Pontes, Berlin u. a. 1949.
- Mullepux. Verliebt zu dritt. Ein ganz kleiner Roman. Kranich, Berlin 1941.
- Allerlei mit Pinsel und Blei. Ernste und heitere Skizzen. Kranich, Berlin 1941.
Literatur
- Rolf Badenhausen: Kowa, Victor de. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 627 f. (Digitalisat).
- Walter-Gottfried Lohmeyer: Viktor de Kowa. Die Geschichte eines Aufstiegs. Wendt, Berlin 1934.
- Herdis Pabst: Viktor de Kowa – Schauspieler. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 4, 1985.
- Hans-Joachim Schlamp: Victor de Kowa (= Künstler-Biographien. Band 9). Mölich, Berlin 1939.
- C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 393.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 4: H – L. Botho Höfer – Richard Lester. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 468 f.
Weblinks
- Werke von Viktor de Kowa im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Viktor de Kowa bei IMDb
- Viktor de Kowa bei filmportal.de
- https://www.tagesspiegel.de/kultur/ein-schauspieler-im-nationalsozialismus-wer-war-viktor-de-kowa-8935222.html
- Kurzbiografie
- Viktor de Kowa im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Viktor de Kowa In: Virtual History (englisch)
Einzelnachweise
- Presseheft der Tobis zum Film; zitiert nach: Bogusław Drewniak: Der deutsche Film 1938–1945. Ein Gesamtüberblick. Droste, Düsseldorf 1987, ISBN 3-7700-0731-X, S. 588.
- Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 332.
- Felix Moeller: Der Filmminister - Goebbels und der Film im Dritten Reich. Henschel Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-89487-298-5. S. 440.
- Armin Jäger: Ein Schauspieler im Nationalsozialismus: Wer war Viktor de Kowa? In: tagesspiegel.de. 28. November 2022, abgerufen am 31. Januar 2024.
- Michaela Bruckberger: Kaffee und Tee, Essig und Senf. In: Die Presse. 25. Januar 2008.
- „Unterhaltung ist gut, Haltung ist besser“. Zum Tode des Schauspielers Victor de Kowa. In: Hamburger Abendblatt. Montag, 9. April 1973, S. 9. Abgerufen am 16. November 2019.
- Victor de Kowa erlitt einen Herzinfarkt. In: Hamburger Abendblatt. Montag, 6. November 1972. Abgerufen am 16. November 2019.
- GESTORBEN: Victor de Kowa. In: Der Spiegel. Band 16, 16. April 1973 (spiegel.de [abgerufen am 6. Januar 2019]). Victor de Kowa gestorben. In: Hamburger Abendblatt. Montag, 9. April 1973, S. 1. Abgerufen am 16. November 2019.
- Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 489. Birgit Jochens, Herbert May: Die Friedhöfe in Berlin-Charlottenburg. Geschichte der Friedhofsanlagen und deren Grabmalkultur. Stapp, Berlin 1994, ISBN 3-87776-056-2, S. 228.
- Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: November 2018) (PDF, 413 kB), S. 46. Abgerufen am 16. November 2019. Vorlage – zur Kenntnisnahme – über die Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten namhafter und verdienter Persönlichkeiten als Ehrengrabstätten Berlins (PDF, 158 kB). Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 14/1607 vom 1. November 2001, S. 4. Abgerufen am 16. November 2019.