Victor Henri

Victor Henri (* 6. Juni 1872 in Marseille; † 21. Juni 1940 in La Rochelle) war ein deutsch-französischer Physikochemiker und Psychologe russischer Abstammung. Er wurde hauptsächlich als Pionier der Enzymkinetik bekannt.

Victor Henri um 1922

Er war außerordentlich produktiv – er publizierte über 500 wissenschaftliche Artikel in verschiedenen Disziplinen wie Physikochemie, Biochemie, Physiologie und Psychologie, unter anderem auch auf Deutsch.[1]

Henri promovierte zweimal: 1897 an der Universität Göttingen auf dem Gebiet der Psychologie und 1903 in Paris über Enzymkinetik,[2] 1907 erhielt er dort Lehrbefugnis. 1920 wurde er an der Universität Zürich zum a.o. Professor für physikalische Chemie ernannt. Er leistete dort bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der Spektroskopie.[3] 1930 wurde er Professor für Physikochemie an der Universität Lüttich (Belgien). Sein Nachfolger an der Universität Zürich wurde Hans von Halban.

1902 publizierte er einen Artikel,[4] in dem er als Erster die grundlegende Gleichung der Enzymkinetik angab und auch ableitete. Diese Gleichung schrieb er folgendermaßen

Darin bezeichnet a die Anfangskonzentration des Substrats und x die Konzentration des gebildeten Produkts. Die anderen Symbole stehen für Konstanten. In heutiger Notation könnte man die Gleichung so schreiben:

wobei v die Reaktionsgeschwindigkeit bezeichnet, S die Substratkonzentration, P die Produktkonzentration, und K1 und K2 die Dissoziationskonstanten des Enzym-Substrat-Komplexes bzw. Enzym–Produkt-Komplexes bezeichnen.

Es dauerte etwa zehn Jahre, bis die Biochemiker weltweit die volle Bedeutung dieser Gleichung erkannten. Denn obwohl Henris Artikel und auch seine Doktorarbeit zu diesem Thema (1903, s. oben) vielfach zitiert wurden, haben erst Leonor Michaelis und Maud Menten mit einem bahnbrechenden Artikel im Jahre 1913[5] die Gleichung noch genauer abgeleitet und interpretiert und damit vielfältige Anwendungen ermöglicht. Insbesondere haben sie die Konstanten in der Gleichung richtig und umfassend interpretiert. Meist wird die Gleichung für den Spezialfall P = 0 verwendet und trägt üblicherweise den Namen Michaelis-Menten-Kinetik, manchmal aber auch Henri-Michaelis-Menten-Kinetik.[6]

Es wurde vorgeschlagen, die o. g. Gleichung (*), die für den allgemeineren Fall P > 0 relevant ist, Henri-Kinetik zu nennen.[7]

Einen umfangreichen biographischen Artikel über Henri hat S. Nicolas verfasst.[8]

Einzelnachweise

  1. V. Henri: Über das Gesetz der Wirkung des Invertins. In: Z. Phys. Chem. 39, 1901, S. 194–216.
  2. V. Henri: Lois générales de l’action des diastases. Hermann, Paris 1903.
  3. Vor 75 Jahren wurde das Physikalisch-Chemische Institut der Universität Zürich gegründet. (Memento vom 2. Januar 2014 im Internet Archive) (www.unipublic.uzh.ch)
  4. V. Henri: Théorie générale de l’action de quelques diastases. In: C. R. Hebd. Séances Acad. Sci. 135, 1902, S. 916–919.
  5. L. Michaelis, M. L. Menten: Die Kinetik der Invertinwirkung. In: Biochem. Z. 49, 1913, S. 333–369.
  6. Z. Bajzer, E. E. Strehler: About and beyond the Henri-Michaelis-Menten rate equation for single-substrate enzyme kinetics. In: Biochem. Biophys. Res. Commun. 417, 2012, S. 982–985.
  7. U. Deichmann, S. Schuster, J.-P. Mazat, A. Cornish-Bowden: Commemorating the 1913 Michaelis–Menten paper „Die Kinetik der Invertinwirkung“: three perspectives. In: FEBS Journal. 2013, doi:10.1111/febs.12598.
  8. S. Nicolas: Qui était Victor Henri? In: L’Année Psycholog. 94, 1994, S. 385–402.
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