Verkehrsteufel
Der Verkehrsteufel ist neben dem Verkehrskasper die zweite Hauptfigur im Verkehrstheater, einer Methode der Verkehrserziehung. Er ist der Gegenspieler des Kasper, der stets das Böse will, zu verkehrwidrigem Verhalten und Unfällen verführen möchte, in dieser Absicht aber im Zusammenspiel mit dem Publikum vom Kasper enttarnt wird. Je nach Theaterform kann der Verkehrsteufel als Handpuppe, Stabpuppe oder Marionette auftreten.
Geschichte
Der Verkehrsteufel gehört schon seit Aufkommen des Verkehrstheaters in den 1950er Jahren zum Stamm des Ensembles.[1] Als Lehrtheater brauchte der Verkehrskasper einen Kontrahenten, mit dem er sich zugunsten des angemessenen Verhaltens im Verkehr und zum Amüsement der Kinder spielerisch auseinandersetzen konnte. Die frühe Verkehrserziehung war noch vorrangig auf das Vermeiden von Unfällen ausgerichtet. Sie ging zudem auch davon aus, dass Kinder einfache Denkschemata bräuchten, um Probleme verstehen zu können. Das frühe Kasperletheater setzte deshalb auf eine Schwarz-Weiß-Zeichnung von guten und bösen Figuren. Die guten wurden von Feen, Engeln und dem Kasper verkörpert, die bösen von Zauberern, Hexen und dem Teufel. Erst mit der didaktischen Neuorientierung in den 1970er Jahren begann eine Abkehr von der strengen Typisierung und eine differenziertere Charakterzeichnung der Figuren, die auch Lernprozesse bei den auf der Bühne Agierenden zuließ.[2]
Charakteristik
Der Verkehrsteufel ist kein bloßer Verkehrssünder, wie es sie zahlreich im Verkehrstheater gibt, sondern ein bewusster Verführer. Mit Versprechungen und Verlockungen zu Vorteilen versucht er, Kinder wie Erwachsene zu verkehrswidrigem Verhalten zu verleiten. Er vertritt dabei die selbstsüchtigen Gedanken und unfallträchtigen Eigenschaften der verschiedenen Verkehrsteilnehmer und bedient das Vorteildenken, die Bequemlichkeit, die Rücksichtslosigkeit oder die Besserwisserei. Der Teufel ist böse und möchte den größtmöglichen Schaden anrichten, um sich an dem nachfolgenden Unheil zu erfreuen. Es gilt für die Zuschauer, dies zu durchschauen und den Machenschaften gemeinsam entgegenzuwirken. Der Kasper hilft dabei. Er hinterfragt die Schmeicheleien des Verkehrsteufels, gibt Denkimpulse, diskutiert mit den Beteiligten. Er will, dass alle unbeschadet und partnerschaftlich miteinander verkehren können. Solange der Kasper noch nicht auf der Bühne erscheint, findet der Teufel ein Paradies für seine Verführungskünste.[3] Das Publikum muss sich allein mit ihm auseinandersetzen. Erst wenn der Teufel die Oberhand auf der Bühne zu gewinnen beginnt und das Unheil gefährlich näher rückt, schaltet sich der Kasper ein und rettet die Situation im Verein mit den Zuschauern.[4]
Pädagogische Ausrichtung
In den frühen Jahren der Verkehrserziehung wurde der Verkehrsteufel noch unter dem Spott und dem Jubel der Kinder vom Kasper mit Bratpfanne oder Nudelholz malträtiert und von der Bühne gejagt. Das in den 1970er-Jahren mit dem Karlsruher Verkehrskasper[5] pädagogisch und didaktisch erneuerte Verkehrstheater verzichtet auf jegliche Gewaltanwendung bei der Auseinandersetzung um das angemessene Verhalten, verfemt die unpädagogische Häme und vermeidet die bis dahin weithin übliche Schwarz-Weiß-Zeichnung von Gut und Böse. Es ist wertbezogen pädagogisch ausgerichtet, stellt weniger das Unfallgeschehen als das Miteinander des Verkehrens in den Mittelpunkt und kommt immer zu einem verträglichen Ende. Der Karlsruher Verkehrskasper gibt sogar dem Teufel Gelegenheit, aus seinen Fehlern zu lernen, indem er aus einem eigenen Schaden klug wird. In einer Version bringt er sich im Übereifer seiner Verführstrategie durch eine Unvorsichtigkeit selbst in eine prekäre Lage, aus der er nur mit Not und arg zerrupft noch einmal entkommt. In einer anderen Version lernt wenigstens der Nachwuchsteufel aus den Fehlern seines unbelehrbaren Vaters: Nachdem der alte Verkehrsteufel nach einem selbst verschuldeten Verkehrsunfall humpelnd und jaulend in den Höllenschlund hinabgefahren ist, klagt der traurig auf der Bühne zurückgebliebene Jungteufel:[6]
„Ein Jammer um den schönen Schwanz!
Ach, wär’ der schöne Schwanz doch ganz!
Ich riskier nicht Schweif und Fuß,
-auch wenn ich dafür brav sein muss!“
Und der Kasper resümiert triumphierend:
„Hat man denn sowas schon gesehn:
Zum Schluss find´s auch der Teufel schön,
den zebrastreifnen Weg zu gehn!“
Literatur
- Erika Borchardt: De Verkiersdüwel oder Im Paradies des Verkehrsteufels, Theaterstück, Edition digital, Godern 2012.
- Jakob Lorey: Geschichte vom Verkehrsteufel Rrums, Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg 1956.
- F. Salzlechner: Der Verkehrsteufel, 9 Textbücher, Theaterverlag, Planegg o. J.
- August Vaupel: Kasper fängt den Verkehrsteufel und alle Kinder helfen mit, Märkischer Verlag, Lüdenscheid 1950 (bebildert von Heinz Schubert).
- K. Wagner: Verkehrserziehung damals und heute. 50 Jahre Verkehrskasper. Wissenschaftliche Staatsexamensarbeit (GHS), Karlsruhe 2002.
- Siegbert A. Warwitz: Verführer am Zebrastreifen, ein Lehrstück in sechs Szenen, In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen-Spielen-Denken-Handeln. 6. Auflage. Baltmannsweiler 2009. ISBN 978-3-8340-0563-2, S. 257–272.
- Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Kasperletheater. In: Dies.: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 5. Auflage, Schneider, Baltmannsweiler 2021 ISBN 978-3-8340-1664-5.
CDs/Alben
- Hamburger Verkehrskasper: Der Polizeikasper und seine Freunde stellen dem Verkehrsteufel ein Bein, Europa, München 1970-
- Augsburger Kasperle: Wie Kasperle den Verkehrsteufel jagt, Teil 1 + 2, Metronome Records GmbH, Gloria, Hamburg 1972, (Text Gerd von Hassler)
- Gerd von Hassler: Kasperl legt den Teufel rein, Hörspiel (LP), Verlag OPP, 1979
Einzelnachweise
- Jakob Lorey: Geschichte vom Verkehrsteufel Rrums, Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg 1956.
- K. Wagner: Verkehrserziehung damals und heute. 50 Jahre Verkehrskasper. Wissenschaftliche Staatsexamensarbeit (GHS), Karlsruhe 2002.
- Erika Borchardt: De Verkiersdüwel oder Im Paradies des Verkehrsteufels, Theaterstück, Edition digital, Godern 2012.
- August Vaupel: Kasper fängt den Verkehrsteufel und alle Kinder helfen mit, Märkischer Verlag, Lüdenscheid 1950.
- Siegbert A. Warwitz: Der Verkehrskasper kommt. In: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen-Spielen-Denken-Handeln. 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009. S. 245–248 u. S. 252–257.
- Siegbert A. Warwitz: Verführer am Zebrastreifen, ein Lehrstück in sechs Szenen, In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen-Spielen-Denken-Handeln. 6. Auflage, Baltmannsweiler 2009. S. 272.