Verband Österreichischer Archivarinnen und Archivare

Der Verband Österreichischer Archivarinnen und Archivare (VÖA) (Association of Austrian Archivists) ist die Berufsorganisation für das österreichische Archivwesen mit Sitz in Wien. Er wurde 1967 als Verband Österreichischer Archivare gegründet und hat gegenwärtig (2023) rund 500 Mitglieder aus allen Archivsparten.

Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählen die Rolle als Koordinator in der dezentralisierten Archivorganisation Österreichs, die Interessensvertretung und Mitsprache in Berufsfragen für seine Mitglieder, die Herausgabe der Fachzeitschrift Scrinium, die Organisation des Österreichischen Archivtags, die Unterstützung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, die Zusammenarbeit mit fachverwandten Berufsvereinigungen im In- und Ausland sowie die Förderung des Austausches von Informationen und persönlicher Kontakte zwischen den Mitgliedern.

Geschichte

Die Gründung des Verbandes erfolgte am 4. September 1967 im Rahmen des 7. Österreichischen Archivtages in Linz auf Initiative einer Gruppe von Archivaren als Berufsvereinigung zur Förderung des österreichischen Archivwesens und seiner wissenschaftlichen Belange sowie der Interessen seiner Mitglieder. An der konstituierenden Sitzung nahmen rund 70 Archivare teil.

Im Rahmen des 1969 in Graz abgehaltenen Archivtags organisierte der VÖA erstmals einen eigenen Verbandstag, der erste vom Verband mitveranstaltete Archivtag fand 1973 in Bregenz statt. Ebenfalls 1969 erschien das erste Scrinium-Heft. Waren es in den ersten Jahren vor allem Fragen der archivarischen Ausbildung, der Standespolitik und des Berufsbildes, welche die Diskussionen in Verband prägten, und standen in der Verbandszeitschrift zunächst Bestandsbeschreibungen und historische Beiträge im Zentrum, so wurden ab den 1980er-Jahren vermehrt unterschiedliche Aspekte der Archivwissenschaft in den Blick genommen.

Ab der Jahrtausendwende kam es zu einer bewussten stärkeren Ansprache von in kleineren Archiven aller Archivsparten Tätigen durch den Verband, 2005 wurde die Möglichkeit der Einrichtung eigener Fachgruppen für einzelne Archivsparten geschaffen. Seit 2007 wird vom Verband meist jährlich ein einwöchiger Grundkurs für Archivarinnen und Archivare angeboten, der eine Ausbildung für all jene darstellt, die in einem Archiv arbeiten, jedoch über keine Fachausbildung verfügen. Diese Maßnahmen führten seitdem zu einem deutlichen Mitgliederanstieg.

Seit 2014 hat der Verband mehrere umfangreiche Empfehlungen, Leitfäden und Handreichungen für die praktische Anwendung von archivischen Fachthemen in österreichischen Archiven publiziert, etwa zur Umsetzung von ISAD(G) und ISAAR(CPF), zum Records Management sowie zur Bewertung digitaler Unterlagen.

Bisherige Präsidenten
AmtszeitPräsidentArchiv
1967–1969Karl LechnerNiederösterreichisches Landesarchiv
1969–1977Richard BlaasÖsterreichisches Staatsarchiv
1977–1989Gertrud Buttlar-ElberbergStadtarchiv Wiener Neustadt
1987–1997Gerhard PferschySteiermärkisches Landesarchiv
1997–2005Peter CsendesWiener Stadt- und Landesarchiv
2005–2013Josef RieglerSteiermärkisches Landesarchiv
2013–2017Willibald RosnerNiederösterreichisches Landesarchiv
seit 2017Karin SperlBurgenländisches Landesarchiv

Struktur

Die ordentliche Mitgliedschaft des Verbands steht allen aktiven oder im Ruhestand befindlichen Personen offen, die eine archivarische oder archivrestauratorische Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. Physische Person, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sowie juristische Personen können außerordentliches Mitglied werden.

Die Leitung des Verbandes obliegt dem Vorstand, dessen Mitglieder von der Generalversammlung aus dem Kreis der im aktiven Archivdienst stehenden Verbandsmitglieder für eine Funktionsperiode von vier Jahren gewählt werden. Zudem gehört der amtierende Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs gemäß Statut von Amts wegen dem Vorstand an. Den Vorsitz im Vorstand und in der Generalversammlung führt der ebenfalls auf vier Jahre gewählte Präsident, welcher den Verband auch nach außen vertritt.

Für einzelne Archivsparten gibt es innerhalb des Verbandes drei eigene Fachgruppen, welche der fachlichen Diskussion und Kooperation zur Erörterung und Lösung gleichartiger Probleme eines jeweiligen engeren Fachbereichs dienen: Für die Archive von Kirchen und Religionsgemeinschaften, für die Archive von Universitäten, Museen und anderen wissenschaftlichen Institutionen sowie für die Wirtschaftsarchive. Eine vierte Archivsparte, jene der Kommunalarchive, ist aufgrund historischer Umstände nicht im VÖA, sondern als Arbeitskreis im Österreichischen Städtebund konstituiert, steht aber in engem Austausch mit dem Verband.

Zur Erledigung bestimmter Spezialaufgaben und zur Erarbeitung praxisbezogener Empfehlungen zu archivischen Fachthemen sind vom Verband eigene Arbeitsgruppen eingesetzt (etwa zu archivischen Standards und Normen oder zu Überlieferungsbildung und Bewertung).

Zeitschrift

Der Verband gibt seit 1969 die Fachzeitschrift Scrinium heraus (ISSN 1012-0327). Ihr Fokus liegt auf dem vielfältigen Archivwesen in Österreich, geht aber auch auf internationale Entwicklungen in diesem Bereich ein. Beiträge beschäftigen sich sowohl mit theoretisch-archivwissenschaftlichen Fragestellungen als auch mit der Praxis der Archive.

Bis 1990 erschienen zwei separat gezählte Hefte pro Jahr, danach jährlich ein Heft, welches seit 2002 aufgrund des größeren Umfangs als Band gezählt wird. Seit 2017 erscheint die Zeitschrift beim Verlag Anton Pustet in Salzburg. Mitglieder des Verbands erhalten die Zeitschrift als Leistung im Rahmen der Mitgliedschaft.

Bislang mit der Redaktionsleitung betraut waren Franz Gall (1969–1970, Archiv der Universität Wien), Rainer Egger (1970–2001, Österreichisches Staatsarchiv), Christine Tropper (2002–2016, Kärntner Landesarchiv) und Christine M. Gigler (seit 2016, Archiv der Erzdiözese Salzburg).

Österreichischer Archivtag

Der Österreichische Archivtag ist die wichtigste nationale Fachtagung für das Archivwesen in Österreich. Er findet derzeit zweijährlich statt und wird vom VÖA in der Regel in Kooperation mit einem österreichischen Archiv, meist einem Landesarchiv, organisiert. Der Archivtag steht stets unter einem Gesamtthema, das Programm setzt sich aus Fachvorträgen und Workshops zusammen. Tagungsberichte und Schriftfassungen der Vorträge werden in der Verbandszeitschrift Scrinium veröffentlicht.

Die ersten Archivtage wurden ab 1949 vom Verband Österreichischer Geschichtsvereine und von der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs gekoppelt an die Österreichischen Historikertage (ÖHT) veranstaltet. 1973 trat der VÖA erstmals als Mitveranstalter auf. 1975 fand zum ersten Mal ein vom Historikertag getrennter selbständiger Archivtag statt, weiterhin gab es aber bis 2012 neben diesen mehrtägigen „großen“ auch noch unselbständige „kleine“ Archivtage.

Nr. Jahr Tagungsort Tagungsthema ÖHT
Archivtage ohne Beteiligung des VÖA
1.1949Wien1.
2.1953Graz3.
3.1956Klagenfurt4.
4.1959Innsbruck5.
5.1962Eisenstadt7.
6.1964St. Pölten8.
7.1967Linz9.
8.1969Graz10.
9.1971Innsbruck11.
Vom VÖA mitveranstaltete Archivtage
10.1973BregenzWege zur Bewältigung des Massenproblems in den österreichischen Archiven – Erfahrungen und Vorschläge12.
11.1975Krems an der DonauModerne Informationsträger und Archiv (EDV und Archiv)
12.1976KlagenfurtArchive in Kärnten13.
13.1977KitzbühelDer Archivar und seine Berufsausbildung
14.1978WienArchive in Wien14.
15.1980SteyrPrivatarchive und Archivalienschutz
16.1981SalzburgArchivalienrestaurierung15.
17.1982LeobenWirtschaftsarchive und Quellen zur Wirtschaftsgeschichte
18.1984Krems an der DonauArchivalienschutzgesetzgebung16.
19.1985St. Veit an der GlanTechnische, räumliche und personelle Erfordernisse der modernen Archivverwaltung
20.1987EisenstadtGrenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Archiven17.
21.1989RadstadtRechtsprobleme im Archivwesen
22.1990LinzMassenprobleme im Archiv18.
23.1992GrazArchiv heute – Ausstattungs- und Konservierungsfragen19.
24.1994BregenzDie österreichischen Archive und Europa20.
25.1995WienFünfzig Jahre Österreichisches Staatsarchiv. Die Situation der Archive – Aufgaben und Probleme
26.1996WienVom Pergament zur CD-ROM – Der Bildungsauftrag der österreichischen Archive21.
27.1997SchladmingZur Situation der Kommunal- und Gemeindearchive in Österreich
28.1999KlagenfurtDie österreichischen Archivare an der Jahrtausendwende22.
29.2001WienArchivorganisation am Beginn des 3. Jahrtausends
30.2002SalzburgArchiv und Zeitgeschichte23.
31.2004KlagenfurtWas soll vom Individuum bleiben? Archivische Bewertung von personenbezogenen Unterlagen
32.2005InnsbruckDer nichtakademische Archivar. Die Ausbildung in Österreich und seinen Nachbarstaaten24.
33.2007GrazArchive als Dienstleister in der Informationsgesellschaft
34.2008St. PöltenArchivbestände in Österreich – Strukturen und Erschließung25.
35.2009LinzDas Ende der Beschaulichkeit. Archive zwischen Politik, Ökonomie und Öffentlichkeit
36.2011EisenstadtGrenzüberschreitungen – Miteinander die gemeinsame Vergangenheit für die Zukunft bewahren
37.2012Krems an der DonauQuellen und Digitalisierung26.
38.2015GrazArchive der Zukunft – Standards und Strategien
39.2017BregenzInformationsfreiheit
40.2019SalzburgKulturelles Erbe – Überlieferungsstrategien
41.2021InnsbruckKeine Ahnung ist auch keine Lösung – Aus- und Weiterbildung im Archiv
42.2023KlagenfurtNeue Wege der Forschung – Digitalisierung, Erschließung und KI im Archiv

Literatur

  • Wilhelm Rausch: Die Gründung des Verbandes Österreichischer Archivare. In: Scrinium. Bd. 52, 1998, S. 232–238.
  • Rainer Egger: Dreißig Jahre Verband Österreichischer Archivare. In: Scrinium. Bd. 52, 1998, S. 239–243.
  • Peter Csendes: Der Verband Österreichischer Archivarinnen und Archivare und die Entwicklung der Archivwissenschaft in Österreich. In: Scrinium. Bd. 71, 2017, S. 114–123.
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