Indische Narde
Die Indische Narde (Nardostachys jatamansi), auch Nardenähre, Speichenähre oder Spikenard (lateinisch Spica nardi, auch Spica aromatica und Spica indica[1]) sowie Speik genannt (griechisch: nárdos, altpersisch: nárda, von sanskritisch nálada = die Wohlriechende), ist eine Pflanzenart aus der Unterfamilie der Valerianoideae. Es ist die einzige Art der Gattung Nardostachys.
Indische Narde | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Indische Narde | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Nardostachys | ||||||||||||
DC. | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Nardostachys jatamansi | ||||||||||||
(D.Don) DC. |
Sie ist eine Nutz- und Heilpflanze aus dem Himalaya, deren Rhizom schon in der Antike bis in den Mittelmeerraum exportiert und zur Zubereitung kostbarer Öle und Salben verwendet wurde.
Beschreibung
Die Indische Narde ist eine ausdauernde krautige Pflanze die etwa 50 Zentimeter hoch wächst. An der Stängelbasis sind fibröse, buschige Blattscheidenreste. Die einfachen Laubblätter sind ganzrandig, die langen, spatelförmigen basalen Blätter sind gestielt und die kleinen, gegenständigen Stängelblätter sitzend mit Blattscheiden.
Die Indische Narde ist protogyn, also vorweiblich.[2] Es werden end- oder achselständige, vielblütige und doldige Blütenköpfe mit mehreren, zweireihigen Deckblättern gebildet. Die fünfzähligen und zwittrigen Blüten mit doppelter Blütenhülle sind anfänglich purpurfarben, später bläulich. Die dreieckigen Kelchzipfel sind klein. Die Krone ist becherförmig verwachsen mit kurzen, ausladenden Lappen. Es sind 4 unten in der Kronröhre angeheftete und vorstehende Staubblätter vorhanden. Der Fruchtknoten ist unterständig in einem behaarten Blütenbecher, mit einem schlanken, langen Griffel.
Es werden leicht behaarte Achänen mit kleinem Pappus (beständigem Kelchzipfel) gebildet.
Vorkommen
Die Pflanze wächst wild im Himalaya bis auf 5.500 Meter Höhe.[3] Sie kommt aus China (Gansu, Qinghai, Sichuan, Xizang, Yunnan) und Bhutan, Indien (Sikkim, Uttar Pradesh) und Nepal.[4]
Durch unkontrollierte Wildsammlung ist sie mittlerweile vom Aussterben bedroht[5] und darf z. B. aus Nepal nicht mehr als Rohware exportiert werden.[6] In Nordindien und Nepal gibt es Versuche, die Pflanze zu kultivieren.
Taxonomie
Das Basionym Patrinia jatamansi wurde 1825 von David Don in Prodr. Fl. Nepal.: 159 erstbeschrieben. Die Umteilung in die neu aufgestellte Gattung Nardostachys zu Nardostachys jatamansi wurde 1830 von Augustin-Pyrame de Candolle in Prodromus Systematis Naturalis Regni Vegetabilis, Prodr. 4: 624 vorgenommen. Synonyme für Nardostachys jatamansi (D.Don) DC. sind Nardostachys grandiflora DC., Nardostachys gracilis Kitam. und Nardostachys chinensis Batalin. Eine andere Art ist Valeriana jatamansi Jones, Synonyme sind Valeriana wallichii DC., Valeriana spica Vahl, diese wird ebenfalls medizinisch genutzt. Sie hat gezähnte Blätter und an der Stängelbasis keine buschigen Blattscheidenreste.[4][7]
Es gibt auch noch andere Pflanzen die ähnliche Rhizome aufweisen, z. B. Selinum vaginatum und Cortia candollei (Syn.: Selinum candollei) die als Verfälschung benutzt werden.[8]
Verwendung
In der Medizin
Die (Indische) Narde wird als Salböllieferant bereits im Alten Testament (Hohelied 1,12 und 4,13 f.) und im Neuen Testament (Joh 12,3 und Mk 14,3) erwähnt. Nardostachys jatamansi auct. (Nardostachys grandiflora DC.) ist eine auch vom Frühmittelalter[9] bis in die Neuzeit[10] zur Herstellung eines heilsamen Öls („Speiköl“, Nardenöl, Oleum nardinum) Verwendung findende Pflanze und auch eine der klassischen Extraktpflanzen im Ayurveda, der traditionellen indischen Heilkunde. Sie wird im Sanskrit Jatamansi[4] genannt und findet – ähnlich wie der Baldrian in der europäischen Pflanzenheilkunde – Anwendung als Beruhigungsmittel bzw. für vatagene Nervenstörungen. Darüber hinaus wird ihr im Ayurveda eine „den Geist stärkende und das Bewusstsein fördernde“ Wirkung zugeschrieben.[11]
Als Räucherwerk
Eine weitere Verwendung findet die Indische Narde als Räucherwerk und wurde schon in den Tempeln des alten Ägyptens als Bestandteil von Räuchermischungen verbrannt.[12]
Kulturgeschichte
Im Periplus Maris Erythraei wird die Narde als Handelsgut aus dem indischen Hafen Barbarikon genannt. Ovid[13] und Horaz[14] berichten von Männern, die ihre Haare mit Nardenöl salben.
Nardenöl ist auch durch seine Erwähnung im Neuen Testament bekannt, aus der biblischen Erzählung von Jesu Salbung in Bethanien: Maria, die Schwester Marthas, salbte Jesus die Füße mit kostbarem Nardenöl. In der Bibel wird der Wert des dabei verwendeten Öls mit 300 Denar angegeben, was in etwa dem Jahreslohn eines Arbeiters entsprach. Als einer seiner Jünger, Judas Iskariot, dies kritisierte, wies Jesus ihn zurecht (Joh 12,1–7 ). Zur Darstellung des Nardenöls in der christlichen Kunst siehe Echter Baldrian.
Im Lorscher Arzneibuch des ausgehenden 8. Jahrhunderts sind auf Blatt 69r zwei aus Indischer Narde und vielen weiteren Zutaten bestehende Zubereitungen von „Nardenöl“, wie sie in ähnlicher Form etwa auch bei Paulos von Aigina und Pedanios Dioskurides belegt sind, zu finden.[15]
Die Narde ist auch ein Bestandteil des Atraf al-tib, einer arabischen Gewürzmischung, die in Kochbüchern des 13. Jhdts. erwähnt wird.[16]
Siehe auch
Literatur
- Robert Zander: Zander Handwörterbuch der Pflanzennamen. Hrsg. von Fritz Encke, Günther Buchheim, Siegmund Seybold. 15. Auflage, korrigierter Nachdruck der 14. Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-5072-7.
- Lionel Casson: The Periplus Maris Erythraei. Text, Translation, and Commentary. Princeton University Press, Princeton 1989.
- Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos Verlagsgesellschaft, 2011, ISBN 3-440-09387-5.
- Kamini Gautam, Ravinder Raina: Review of Nardostachys grandiflora: An Important Endangered Medicinal and Aromatic Plant of Western Himalaya. In: Forest Products Journal. 63(1), 2013, S. 67–71, doi:10.13073/FPJ-D-12-00092.
- R. Hänsel, K. Keller, H. Rimpler, G. Schneider (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 5. Auflage, Drogen: E–O, Springer, 1993, ISBN 978-3-642-63427-7 (Reprint), S. 911–914.
Weblinks
- Nardostachys jatamansi in der Flora of China, Vol. 19.
Einzelnachweise
- Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 156.
- Kamini Gautam, Ravinder Raina: Review of Nardostachys grandiflora: An Important Endangered Medicinal and Aromatic Plant of Western Himalaya.
- Hans-Heinrich Rhyner, Birgit Frohn: Heilpflanzen im Ayurveda. Baden/München 2006, S. 186.
- Toter Link am 30. Dezember 2022 im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
- Vgl. Rhyner 2006, S. 187.
- Teresa Mulliken, Petra Crofton: Review of the status, harvest, trade and management of seven Asian CITES-listed medicinal and aromatic plant species. BfN, Bonn 2008, DNB 989151360, S. 48–50 (englisch, bfn.de [PDF; abgerufen am 30. Dezember 2022]).
- D. J. Mabberley, H. J. Noltie: A note on Valeriana jatamansi Jones (Caprifoliaceae s.l.). In: Blumea. 59, 2014, S. 37–41, (PDF), abgerufen am 30. Dezember 2022.
- Niranjan Chandra Shah: On the history, botany, distribution, uses and conservation aspects of Nardostachys jatamansi in India. In: Medical Plant Conservation. Band 13, 2007, S. 8–12 (online auf researchgate.net, abgerufen am 30. Dezember 2022).
- Ulrich Stoll (Hrsg.): Das ‚Lorscher Arzneibuch‘. Ein medizinisches Kompendium des 8. Jahrhunderts (Codex Bambergensis medicinalis 1): Text, Übersetzung und Fachglossar. Stuttgart 1992 (= Sudhoffs Archiv. Beiheft 28), S. 374–377.
- Carolus Clusius: Antidotarium sive De exacta componendorum miscendorumque medicamentorum ratione libri tres […]. Christopher Plantin, Antwerpen 1561, Blatt 106 f.
- Vasant Lad, David Frawley: Die Ayurweda Pflanzen-Heilkunde. Das Yoga der Kräuter. Übersetzung von Chr. Baker. Haldenwang 1987, S. 156.
- Indische Narde (Nardostachys grandiflora). Ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 19. Dezember 2015. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- Ovid wendet sich im dritten Buch seiner Liebeskunst an die Frauen und warnt vor Männern, die sich allzu sehr pflegen (Ov. ars III, 443): nec coma vos fallat liquido nitidissima nardo (Lasst euch nicht täuschen von einer Haarpracht, die speckig glänzt von flüssiger Narde).
- Horaz beschreibt einen nicht mehr jugendlichen, aber ganz den Freuden des Lebens zugewandten Mann (Hor. carm. II, 11, 16–17): Assyriaque nardo potamus uncti ([Warum] zechen wir nicht, gesalbt mit assyrischem [= indischem] Nardenöl?).
- Gundolf Keil (Hrsg.): Das Lorscher Arzneibuch. (Handschrift Msc. Med. 1 der Staatsbibliothek Bamberg); Band 2: Übersetzung von Ulrich Stoll und Gundolf Keil unter Mitwirkung von Altabt Albert Ohlmeyer. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, S. 137.
- Charles Perry (Übers.): Scents and flavors. A Syrian cookbook (Al-Wusla ila ’l-Habeeb). New York University Press, New York (NY, USA) 2020, ISBN 978-1-4798-0081-0.