Vahram Papazyan

Vahram Hepet S. Papazyan (armenisch Վահրամ Փափազեան; * 12. September 1892 in Üsküdar, Osmanisches Reich; † 7. März 1986 in Emerson, New Jersey/USA) war einer der beiden Athleten, die das Osmanische Reich bei den Olympischen Sommerspielen 1912 in Stockholm und damit bei dessen ersten Teilnahme an den Olympischen Spielen vertraten. Er nahm am 800-Meter-Lauf und am 1500-Meter-Lauf der Männer teil. Außer ihm wurde das Land vom Leichtathleten Mığır Mığıryan, ebenfalls ein ethnischer Armenier, repräsentiert.

Vahram Papazyan


Vahram Papazyan (1912)

Voller Name Vahram Hepet S. Papazyan
Nation Osmanisches Reich 1844 Osmanisches Reich
Geburtstag 12. September 1892
Geburtsort Üsküdar, Osmanisches Reich
Größe 173 cm
Gewicht 71 kg
Sterbedatum 7. März 1986
Sterbeort Emerson, USA
Karriere
Disziplin Mittelstreckenlauf
Bestleistung 1500 m: 4:08,8 min; 3000 m: 8:46,8 min
Verein Robert College Istanbul

Leben

Vahram Papazyan war armenischer Abstammung und wurde als Sohn eines Zeitungsverkäufers geboren.[1] Er wuchs in Üsküdar und Istanbul auf und besuchte das Robert College im benachbarten Arnavutköy (heute ein Stadtteil von Istanbul). Einer seiner Klassenkameraden war Mığır Mığıryan.[2] Jeden Morgen lief Papazyan zunächst von der Wohnung seiner Eltern im Stadtteil Bebek zur „Hohen Pforte“, um Zeitungen abzuholen und sie zum Kiosk des Vaters zu überbringen. Danach lief er dann zum College in Arnavutköy, so dass er täglich ein großes Laufpensum absolvierte.

Im Alter von 13 Jahren nahm er als Mittelstreckenläufer an den sogenannten Olympischen Zwischenspielen 1906 in Athen teil. Papazyan kam beim 800-Meter-Lauf auf den 8. Platz, beim 1500-Meter-Lauf erreichte er das Ziel nicht.[3] Er war der jüngste Teilnehmer an den Olympischen Zwischenspielen 1906 in Athen.[4]

Als das Osmanische Reich (Türkische Reich) vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) 1911 zu den vom IOC organisierten „offiziellen“ Olympischen Spielen zugelassen wurde, gab der Präsident des Türkischen Olympischen Komitees Selim Sırrı Tarcan Anzeigen in den örtlichen Zeitungen İkdam und Sabah auf, um Athleten für die Olympischen Spiele 1912 in Schweden anzuwerben.[1] Papazyan antwortete sofort auf die Anzeige und drückte seinen Wunsch aus, sein Heimatland bei den internationalen Spielen zu vertreten.[1] Um die Kosten seiner Reisen zu decken, bat er um finanzielle Unterstützung vom armenischen Sportklub Ardavast, dessen Mitglied er war.[1] Daraufhin organisierte der Verein ein Theaterstück im Griechischen Theater in Arnavutköy, um sowohl die erforderlichen Finanzmittel aufzubringen als auch die Aufmerksamkeit für Papazyan zu steigern. Papazyan spielte selbst eine kleine Nebenrolle.[1] Die gesamten Kosten seiner Olympiateilnahme konnten so gedeckt werden.[1]

Nachdem er 1913 das Robert College abgeschlossen hatte, war er maßgeblich an der Gründung der Armenischen Allgemeinen Athletischen Vereinigung beteiligt.[5]

Den Völkermord an den Armeniern 1915 überlebte Papazyan. Er verließ sein Heimatland und siedelte sich in Beirut an, das damals ein Vilayet Syriens war.[6] Dort heiratete er Annette Egavian und hatte zwei Söhne namens Robert und Harold sowie zwei Töchter namens Yolanda und Diane.[5] Schließlich übersiedelte er mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten, wo er Elektroingenieur wurde.[5] Papazyan arbeitete 35 Jahre für das Unternehmen Eddy & Co. in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island, bevor er in den Ruhestand ging.[5]

Vahram Papazyan starb im Alter von 93 Jahren im armenischen Altersheim von Emerson (New Jersey).[1][5] Sein Grab liegt auf dem Friedhof Swan Point in Providence.[5]

Olympische Spiele

Bei den Olympischen Sommerspielen 1912 in Stockholm vertraten die beiden osmanischen Staatsbürger und Athleten Vahram Papazyan und Mığır Mığıryan als einzige ihr Land[1][7][8][2][9] und trugen die Osmanische Flagge bei der Eröffnungsfeier.[10] Beide mussten sich selbst um die Finanzierung ihrer Teilnahmekosten bemühen, da es keine Zuwendungen des Staates oder des Olympischen Komitees gab.

Bei den Wettkämpfen schied Papazyan sowohl beim 800-Meter-Lauf als auch beim 1500-Meter-Lauf aus.[9][11] Gemäß dem türkischen Ministerium für Jugend und Sport hatte er beim 1500-Meter-Lauf ein „fabelhaftes Tempo“ und führte das Rennen an. Allerdings wurde Papazyan 20 Meter vor der Zielgeraden schwindlig und er kollabierte.[1] Nach einem späteren Bericht eines Enkels von ihm soll hingegen folgender Grund für das Scheitern vorgelegen haben:

“I remember stories about my grandfather, Vahram Papazian, who ran the Decathlon in the 1912 Olympics in Stockholm. Grandpa would tell us how, suddenly, two lengths ahead of the nearest contender, it dawned on him that if he won, the Turkish flag would be raised. So he stopped.”

„Ich erinnere mich an Geschichten über meinen Großvater, Vahram Papazyan, der bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm beim Zehnkampf teilnahm. Großvater erzählte uns, wie ihm plötzlich, als er zwei Längen vor seinem nächsten Wettbewerber lag, einfiel, dass die türkische Flagge bei seinem Sieg gehisst werden würde. Daher hörte er auf zu laufen.“[12]

In einem Brief, den Papazyan während seiner Zeit in Beirut schrieb, berichtete er über seine Enttäuschung bei seiner Olympiateilnahme darüber, dass türkische Flaggen nicht als Teil der olympischen Dekoration in Stockholm aufgestellt worden waren. Er habe sich daraufhin damals an die örtliche türkische Botschaft gewandt, seine Bedenken geäußert und den Vorsatz geäußert die Spiele zu verlassen, woraufhin der Botschafter bereits am nächsten Tag das Versäumnis beseitigen ließ und der Athlet seine Disziplinen antrat.[13]

Commons: Vahram Papazyan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Olimpiyat Stadyumlarında İlk Türk Bayrakları. Ministerium für Jugend und Sport der Türkischen Republik, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Dezember 2010; abgerufen am 4. Februar 2013 (türkisch): „Osmanlı Olimpiyat Cemiyeti artık kurulmuştu ve bu iki sporcu bu derneğin verdiği belgelerle resmen bir Olimpiyat Oyunları'na ilk kez katılıyorlardı. Bu sporcularımız Vahram Papazyan ve Mırgırdıç Mıgıryan Efendiler idi.“
  2. Olimpiyat tarihinin gayrı resmi sayfası. Agos, 26. Juli 2012, abgerufen am 19. September 2019 (türkisch): „Türkiye’den Olimpiyatlara ilk resmi katılımın 100. yıldönümü. Bundan tam yüz yıl önce, 1912’de, Osmanlı vatandaşı iki Ermeni sporcu, Mıgırdiç Mıgıryan ve Vahram Papazyan, Stockholm’de düzenlenen 5. Olimpiyat Oyunları’nda, atletizm alanında ülkemizi temsil etmişti.“
  3. Coubertin / Selim Sırı ve Türkiye – Uluslararası Olimpiyad Komitesi (IOC) İlişkileri. Türkisches Nationales Olympiakomitee, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Januar 2013; abgerufen am 4. Februar 2013 (türkisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.olimpiyatkomitesi.org.tr
  4. Young and old get set for Olympics (25. Juli 2012). Gulf News.
  5. Vahram S. Papazian; ran in 1912 Olympics. In: Providence Journal. Rhode Island 11. März 1986, S. C-02.
  6. Rober Koptaş: Olimpiyat tarihinin gayrı resmi sayfası. Agos, 26. Juli 2012, abgerufen am 19. September 2019 (türkisch): „1915’te yaşanan katliamlar sırasında hayatta kalabilen ve daha sonra Beyrut’a yerleşen Vahram Papazyan“
  7. Millî Eǧitim Basımevi (Hrsg.): Türk ansiklopedisi. 25, 1946, S. 417.
  8. Bill Mallon, Jeroen Heijmans: Historical dictionary of the Olympic movement. 4th ed. Scarecrow Press, Lanham, Md., ISBN 978-0-8108-7522-7.
  9. Hayk Demoyan: Armenian Sport in Ottoman Empire. Tigran Mets, Jerewan 2009, S. 220.
  10. Soner Yalçın: Siz kimi kandırıyorsunuz! 1. baskı. Auflage. Doğan Kitap, Şişli/Istanbul 2008, ISBN 978-975-991-709-8, S. 138 (online [abgerufen am 4. Februar 2013] Zitat=Peki: kendi paralarıyla 1912 Stockholm Olimpiyatlarına giden ve Ay Yıldızlı bayrağımızı uluslararası turnuvada ilk dalgalandıranlar Vahram Papazyan ve Mıgırdiç Mıgıryan adını hiç duydunuz mu?).
  11. Erik Bergvall: The fifth Olympiad: the official report of the Olympic games of Stockholm, 1912. Hrsg.: The fifth Olympiad: the official report of the Olympic games of Stockholm, 1912. Schwedisches Olympiakomitee (la84foundation.org [PDF; abgerufen am 4. Februar 2013]).
  12. Stories of my Grandfather. In: AIM: Armenian International Magazine. Band 4. AIM, Glendale, Kalifornien 1993, S. XLVII (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 4. Februar 2013]).
  13. Olimpiyat tarihinin gayrı resmi sayfası. Agos, 26. Juli 2012, abgerufen am 19. September 2019 (türkisch): „Sabah Stockholm’e vardığımda, sokakların ve büyük binaların olimpiyatlara katılan irili ufaklı ülkelerin bayraklarıyla donatıldığını gördüm. Ama hiçbir yerde Türk bayrağı yoktu. Bu durum beni çok üzdü. Nihayetinde vatanımın, Türkiye’nin temsilcisiydim ve ülkeme karşı gösterilen bu çirkin tavır, benim için bir aşağılamaydı. Barınmam için bana ayrılan mekâna varmadan, bir araba tuttum ve doğrudan Türk elçiliğine gittim. Öfkemi anlatacak ve hemen bir çare bulunmasını rica edecektim.“
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