Unternehmen Weitsprung

Unternehmen Weitsprung war der Deckname einer deutschen Militäroperation für einen angeblichen Attentatsplan auf die Teheran-Konferenz 1943. Der Plan wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute durch russische Medien sowie Darstellungen in Filmen und Agentenromanen popularisiert. Historiker gehen davon aus, dass ein solcher Plan nie bestanden hat, sondern die sowjetischen Berichte darüber Teil einer Desinformationskampagne des NKWD bzw. später KGB waren.[1]

Geschichte und propagandistische Darstellung

Historischer Hintergrund

Stalin, Roosevelt und Churchill in Teheran

Ende 1943 wollten sich in Teheran im Iran die Staatschefs der drei Hauptalliierten der Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion treffen. Teilnehmer waren der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill, der sowjetische Staatschef Josef Stalin sowie deren militärische Berater.

Das deutsche Agentennetz im Iran war bereits Mitte 1943 zerstört worden, also weit vor der Festlegung Teherans als Treffpunkt der Großen Drei. Teheran wurde während der Konferenz vom NKWD abgesichert, der dazu 3.000 Mann Sicherheitstruppen in der Stadt hatte. Roosevelt und Churchill fühlten sich während der Konferenz so sicher, dass sie zu Fuß oder in einem offenen Jeep in der Stadt unterwegs waren. Die Konferenz fand vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 ohne Zwischenfälle statt.[1]

Russische Darstellung des Plans

2003 stellte der russische Autor Jurij Kusnez in der Presseabteilung des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR ein russischsprachiges Buch mit dem Titel Teheran-43 vor.[2] Dabei waren der ehemalige Spion Geworg Wardanjan und SWR-Generalleutnant Wadim Kirpitschenko anwesend.[3] 2007 verbreitete die russische Nachrichtenagentur Novosti einen Bericht der Regierungszeitung Rossijskaja gaseta über die Produktion eines Dokumentarfilms mit dem Arbeitstitel „The Lion and the Bear“. Der Film über die russisch-britischen Beziehungen sollte von Churchills Enkeltochter Celia Sandys präsentiert werden.[4] Ob der Film je fertiggestellt und ausgestrahlt wurde, ist nicht bekannt. Celia Sandys war an einer solchen Sendung bis 2012 nicht beteiligt.[5]

Nach russischer Darstellung soll Otto Skorzeny auf Befehl Hitlers die Attentatsoperation geführt haben. Der in der Ukraine operierende sowjetische Agent Nikolai Kusnezow, getarnt als Oberleutnant Paul Siebert, soll davon vom SS-Sturmbannführer „Ulrich von Ortel“ bei einer „Flasche guten Brandy“ erfahren haben. Nicht nur verriet „Ulrich von Ortel“ angeblich die Operation, sondern er soll Kusnezow gleich noch zum Teppicheinkauf in Teheran miteingeladen haben.[4]

In Teheran sollen die Sowjets eine Agentengruppe um Geworg Wardanjan beauftragt haben, das Attentat zu verhindern. Nach dieser Darstellung soll ein deutsches Vorauskommando von sechs Funkexperten mit Fallschirm in Qom, 60 km von Teheran entfernt, gelandet sein. Diese angebliche Gruppe soll entdeckt und überwacht worden sein. Angeblich bauten sie eine Funkverbindung auf, deren Nachrichten von den sowjetischen Agenten dechiffriert worden sein sollen. Die deutschen Funker teilten angeblich der deutschen Zentrale mit, dass das Unternehmen überwacht werde. Daraufhin sei es gestoppt worden. Die zweite Gruppe angeführt von Skorzeny wurde daher nicht in den Iran entsandt.[4]

Darstellung von Otto Skorzeny

Nach Darstellung von Otto Skorzeny nach Kriegsende hat es ein Kommandounternehmen „Weitsprung“ von deutscher Seite nie gegeben. Bei einem Treffen Skorzenys mit Hitler und Walter Schellenberg, auf dem diese entsprechende Gedanken zu einem Attentat geäußert haben sollen, will Skorzeny die Idee als undurchführbar bezeichnet haben. Hitler habe ihm zugestimmt. Skorzeny führt in seinen in den 1950ern erschienenen Memoiren weiter aus: „Das Unternehmen Weitsprung hat wirklich nur in der Einbildung wenig wahrheitsliebender Schreiberlinge […] existiert“. Zu dem auch heute von russischen Quellen noch erwähnten angeblichen Informanten schrieb Skorzeny: „Chef dieses abscheulichen Unternehmens ist ein junger Sturmbannführer Paul von Oertel – den es weder bei mir, noch überhaupt gab“.[6]

Künstlerische Verarbeitung

Die Idee eines deutschen Attentats auf Roosevelt, Churchill und Stalin während ihrer Konferenz in Teheran ist als dramatischer Stoff mehrfach in Romanen und Filmen verarbeitet worden. Nicht alle diese Verarbeitungen folgen der KGB-Version der angeblichen Pläne unter Beteiligung Skorzenys.

1980 entstand Teheran 43. Der Film wurde 1981 uraufgeführt. Dabei ist der kaltblütige deutsche Auftragsmörder Max Richard (Armen Dschigarchanjan) unterwegs, um die drei Staatsmänner zu töten. Das Leben der drei wird durch zwei junge Verliebte gerettet. 1980 versteckt sich Max bei der jungen Pariserin Françoise (Claude Jade) und vertraut ihr seine Dokumente an. Diese soll ein Rechtsanwalt (Curd Jürgens) versteigern. Als der ehemalige Auftraggeber des Attentats, Scherner (Albert Filosow), alle damaligen Zeugen beseitigen will, versucht ein Pariser Polizeiinspektor (Alain Delon) ihn zu stoppen. Der Film erhielt den Goldpreis der Internationalen Filmfestspiele Moskau 1981.[7]

Der englische Autor Philip Kerr veröffentlichte 2006 den Thriller Hitler’s Peace (deutsch: Der Pakt), in dem ein SS-General ein Bombenattentat auf Roosevelt, Stalin und Churchill in Teheran plant.

Literatur

Wissenschaftliche Sekundärliteratur
  • Gary Kern: How „Uncle Joe“ Bugged FDR : The Lessons of History. In: Studies in Intelligence. Jg. 47, Nr. 1 (2003).
  • Paul D. Mayle: Eureka summit : agreement in principle and the Big Three at Tehran, 1943. University of Delaware Press, Newark 1987, ISBN 0-87413-295-9.
  • Donal O’Sullivan: Dealing with the Devil. Anglo-Soviet intelligence cooperation in the Second World War. Lang, New York 2010, ISBN 978-1-4331-0581-4.
Veröffentlichungen von Zeitzeugen
  • Michael F. Reilly: Reilly of the White House. Simon & Schuster, New York 1947. (Volltext online. Reilly war beim Secret Service für die Sicherheit Roosevelts verantwortlich.)
  • Otto Skorzeny: Meine Kommandounternehmen : Krieg ohne Fronten. Winkelried, Dresden 2007, ISBN 978-3-938392-11-9. (Neuauflage im Verlag des rechtsextremen Verlegers Eric Kaden.)
Darstellungen aus sowjetischer Sicht
  • Laslo Havas: The Long Jump : Hitler’s Plot to Kill the Big Three, übersetzt aus dem Ungarischen von Kathleen Szasz. Spearman, London 1967. (Gary Kern zählt das Buch von Havas zur KGB-Literatur, und nennt es „gründlich untersucht, jedoch zweifelhaft“.[8])

Einzelnachweise

  1. Donal O’Sullivan: Dealing with the Devil. New York 2010, S. 203–204.
  2. Юрий Львович Кузнец: Тегеран-43 : Крах операции "Длин. прыжок. ЭКСМО, Moskau 2003, ISBN 5-8153-0146-9.
  3. Wjatscheslaw Laschkul: Warum es keinen „Großen Sprung“ gab (Memento vom 3. Januar 2012 im Internet Archive). Kommentator der offiziellen russischen Nachrichtenagentur Nowosti vom 28. November 2003.
  4. Nikolai Dolgopolov: Triple jeopardy: the Nazi plan to kill WWII leaders in Tehran. RIA Nowosti vom 4. Januar 2007.
  5. Celia Sandys as TV Presenter (Memento vom 7. Januar 2012 im Internet Archive) auf der Website von Celia Sandys (Abgerufen am 26. Januar 2012.)
  6. Otto Skorzeny: Meine Kommandounternehmen. Winkelried, Dresden 2007, ISBN 978-3-938392-11-9, S. 190–192.
  7. Darius Kadivar: Winds of war : Film depicting Nazi assassination plot in Tehran. In: The Iranian vom 15. April 2003. (Review)
  8. Gary Kern: How „Uncle Joe“ Bugged FDR : The Lessons of History, Fußnote 29 (Memento vom 5. September 2020 im Internet Archive).
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