Unruhen von Jaffa

Die Unruhen von Jaffa ereigneten sich vom 1. bis 7. Mai 1921 im Mandatsgebiet Palästina in der von Arabern und Juden bewohnten Stadt Jaffa. Dabei kam es zu Massakern zwischen der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten. Kurz darauf gab es Ausschreitungen in Petach Tikwa[1][2][3] (5. Mai[4]), Rechovot,[1][3][4] (5. Mai[4]) Gedera,[1][2][3] Kfar Saba[1][4] (5. Mai[4]), Tulkarm[5] und Qalqiliya.[5] Dabei fanden nach überwiegender Meinung 47[1][2][3] Juden (davon 43[1] in Jaffa) und 48[6][2][3] Araber den Tod. 146[2][5] Juden und 73[2][3][5] Araber wurden zum Teil schwer verletzt. Der Polizeihistoriker Edward Horne nannte die heute verworfene Zahl von 27[4] jüdischen und 3[4] arabischen Toten, britische Geheimdienstdokumente nannten 40[4] jüdische und 18[4] arabische Tote.

Ablauf

Massengrab für jüdische Opfer der Unruhen von Jaffa auf dem Trumpeldor-Friedhof in Tel Aviv

Anlässlich der Feierlichkeiten zum Ersten Mai 1921 veranstaltete die jüdisch-kommunistische Sozialistische Arbeiterpartei (Miltlagat Paolim Sozialistim Ivrit, genannt: Mopsi[2][5]) einen von den britischen Behörden nicht[6] genehmigten Demonstrationsumzug. Zu ihren Forderungen zählte die Errichtung eines Sowjet[6] in Palästina. Am Vortag hatten kommunistische Aktivisten jiddisch[6][7] und arabisch[6][7] verfasste Schriften verteilt. Nun zog ihr Umzug von Jaffa ins benachbarte Tel Aviv, wo es zu Handgreiflichkeiten zwischen den Kommunisten und den Mitgliedern der sozialistischen Partei Achdut haAwoda[6] kam, die gleichzeitig eine bewilligte[6] Veranstaltung abhielten. Die Polizei versuchte vergeblich, die beiden Gruppen voneinander zu trennen.[5]

Diese Konfrontation zwang die Mopsi-Mitglieder zum Ausweichen nach Manschiyya,[5] einem Jaffaer Stadtteil, der zwischen der Jaffaer Altstadt und der neuen jüdischen Vorstadt Tel Aviv lag. Viele Araber hatten sich eingefunden. Es waren Gerüchte[6] verbreitet worden, dass Araber gelyncht worden seien.

Daraufhin kam es in Jaffa zu Gewalt und Plünderungen[4] – einem „Pogrom“,[8] so das Yidishes tageblat[8] (3. und 6. Mai 1921) und Forverts[8] (3. Mai 1921) – von Seiten arabischer Zivilisten, nach Zeugenaussagen unter Teilnahme von arabischen Polizisten,[7][4] gegen jüdische Wohnungen,[7] Läden,[7] Passanten[7] und Einrichtungen, darunter insbesondere ein Neueinwandererheim.[6][5][4] Deren Bewohnern war, wegen des Zusammenlebens von Frauen und Männern, zuvor verschiedentlich Unmoral[5] vorgeworfen worden. Männer, Frauen und Kinder wurden mit Knüppeln,[7] Messern,[7] Schwertern[7] und mit vereinzelten Pistolen[7] ermordet. Laut zionistischen Organisationen starb ein weiterer Teil der ermordeten Juden durch die Inbrandsetzung[4] des Einwandererheims.

In der Nacht vom 1. zum 2. Mai gingen rund 30[4] jüdische Soldaten, die normalerweise dem britischen Kommando unterstanden, ohne Einwilligung ihres Vorgesetzten nach Jaffa. Ihr direkter Vorgesetzter, der jüdische Colonel Margolin,[4] eilte ihnen nach und versuchte die Unterstützung seiner Hierarchie einzuholen. Der Historiker Michael J. Cohen urteilt, dass ihr Einsatz die Spannungen nur verstärkte.[4] Zur gleichen Zeit blieb es in Jerusalem ruhig.[5]

Am Folgetag setzten sich die Ausschreitungen fort. Die Beerdigung eines zunächst vermissten und dann tot aufgefundenen Kindes[9] im Dorf Abu Kabir südlich von Jaffa endete in Gewalt. Der Schriftsteller Josef Chaim Brenner wurde im Roten Haus,[9] in dem die jüdische Familie Yatzkar isoliert wohnte, mit weiteren jüdischen Männern (Jehuda Yatzkar[9] und sein Sohn Avraham Yatzkar,[9] Zvi Gugig,[9] Josef Luidor,[9] Zwi Schatz[9]) und zwei Bauern aus Nes Ziona[9] gelyncht. Frauen und Kinder waren zuvor nach Tel Aviv evakuiert[9] worden. Jüdische Einwohner rächten sich ihrerseits an arabischen Zivilisten.[5]

Öffentliche Appelle zur Mäßigung des muslimischen Notabeln Scheich Sulaiman al-Taji al-Faruqi[5] einerseits, und auch jüdischer Verantwortlicher[5] andererseits, blieben ungehört. Die dreitägigen Auseinandersetzungen bewogen den britischen Gouverneur Herbert Samuel schließlich durch Flugzeuge der Royal Air Force arabische Menschenansammlungen und Schlüsselörtlichkeiten zu bombardieren.[10] Das Kriegsrecht[6] wurde ausgerufen, die Pressezensur[6] verschärft. Samuel rief die britische Admiralität zur Entsendung von Kriegsschiffen vor die Küsten von Jaffa und Haifa an, die er als britische Machtdemonstration[4] und als vorsorgliche[4] Maßnahme begründete. Erst nach sieben Tagen hatte die britische Mandatsmacht die Lage wieder unter Kontrolle.

Bewertungen und Folgen

Beide Seiten reklamierten einen „Pogrom“ der anderen Seite. Die britische Botschaft wertete das initial von Arabern verübte Massaker als spontan und unorganisiert. Die Auseinandersetzung zwischen Juden am Ersten Mai sei der Anlass gewesen. Das Konsulat der Vereinigten Staaten in Jerusalem berichtete nach Washington, dass das Massaker unabhängig[7] davon stattgefunden habe. Der Police constable Adib Khayal[4] wurde für die Tötung von 13[4] Jüdinnen und Juden angeklagt und zu einer 5-jährigen[4] Gefängnisstrafe verurteilt. Sämtliche arabischen Polizisten und jüdischen Soldaten wurden entwaffnet.[4] Herbert Samuel gelangte zu einer zunehmend skeptischen[4] Beurteilung der Machbarkeit einer „jüdischen Heimstätte“ ohne die Zustimmung der Araber.

Ein britischer Untersuchungsbericht, der Haycraft Report, wurde im Herbst 1921 veröffentlicht.[11] Er bezeichnete die arabischen Beteiligten als hauptverantwortlich[3] für die Gewalt und kritisierte Jaffas Polizei,[3] beschuldigte aber auch die zionistischen Entscheidungsträger,[3] durch ihr Verhalten nicht zu einer Entspannung der Lage beigetragen zu haben. Die Briten bildeten 1922 bis 1926 die paramilitärische Palestine Gendarmerie,[12] wofür sie die Royal Irish Constabulary[12] und deren Auxiliaries[12] von Irland nach Palästina verlegen, die sich wegen ihrer Erfahrung in der, letztlich erfolglosen, Aufstandsbekämpfung im Irischen Unabhängigkeitskrieg aus britischer Sicht für neue Aufgaben in Palästina zu eignen schienen. Herbert Samuel erwirkte nach den Unruhen die administrative Trennung des jüdischen Tel Aviv von der gemischten Stadt Jaffa.[7] Es kam zu Verhaftungen und Landesverweisungen kommunistischer Parteimitglieder durch die Briten.[6]

Einzelnachweise

  1. Simon Epstein: Histoire du peuple juif au XXe siècle – De 1914 à nos jours. In: Collection Pluriel. Hachette Littératures, Paris 1998, ISBN 978-2-01-278993-7, S. 52.
  2. Xavier Baron: Les Palestiniens – Genèse d’une nation. In: Collection Points Histoire. 2. Auflage. Éditions du Seuil, Paris 2003, ISBN 2-02-039820-6, S. 29 f.
  3. Mark Tessler: A History of the Israeli-Palestinian Conflict. In: Mark Tessler (Hrsg.): Indiana Series in Middle East Studies. 2. Auflage. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis 2009, ISBN 978-0-253-22070-7, S. 165, 171.
  4. Michael Joseph Cohen: Britain’s Moment in Palestine – Retrospect and Perspectives, 1917–48. In: Efraim Karsh, Series Editor (Hrsg.): Israeli History, Politics and Society Series. Band 55. Routledge (Taylor & Francis Group), London/New York 2014, ISBN 978-0-415-72985-7, S. 116 f.
  5. Gudrun Krämer: Geschichte Palästinas – Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel  (= Beck’sche Reihe. Nr. 1461). Verlag C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47601-5, S. 247 f.
  6. Thomas Vescovi: L’échec d'une utopie – Une histoire des gauches en Israël. Éditions La Découverte, Paris 2021, ISBN 978-2-348-04311-6, S. 51 f.
  7. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina – Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. Nr. 849786. Siedler Verlag (Random House), München 2005, S. 191, 199 (englischsprachige internationale Originalausgabe: One Palestine, Complete: Jews and Arabs Under the British Mandate, Metropolitain Books, New York 2000; übersetzt von Doris Gerstner; Buch ohne ISBN).
  8. Jeffrey Veidlinger: In the midst of civilized Europe – The Pogroms of 1918–1921 and the Onset of the Holocaust. Pan Macmillan/Metropolitain Books, London 2021, ISBN 978-1-5098-6744-8, S. 327 f., 434.
  9. Sharon Rotbard: White City Black City – Architecture and War in Tel Aviv and Jaffa. Pluto Press, London 2015, ISBN 978-0-7453-3511-7, S. 86.
  10. David E. Omissi: Air power and colonial control: the Royal Air Force 1919–1939. Manchester University Press, Manchester 1990, ISBN 978-1-5261-2358-9, S. 44 f.
  11. Haycraft Report: Haycraft Report. Abgerufen am 8. Juli 2021.
  12. Thomas G. Fraser: Contested Lands – A History of the Middle East since the First World War. Haus Publishing, London 2021, ISBN 978-1-913368-24-1, S. 64.
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