Ulrike von Kleist
Philippine Ulrike Amalie von Kleist (* 26. April 1774 in Frankfurt (Oder); † 5. Februar 1849 ebenda) war eine Halbschwester Heinrich von Kleists.
Ulrike von Kleist war die zweite Tochter von Joachim Friedrich von Kleist (1728–1788) und dessen erster Frau Karoline Luise, geborene von Wulffen (1755–1774). Sie war die Lieblingsschwester Heinrich von Kleists, mit der er den engsten familiären Kontakt hatte und die ihn immer wieder auch finanziell unterstützte. Über ihr Leben ist wenig bekannt. Nur bruchstückhaft kann aus den Briefen Kleists über ihr Leben und die Beziehung zu ihrem Bruder geschlossen werden. Ulrike von Kleist trug Männerkleidung, wenn sie mit ihrem Bruder reiste.[1]
So unternahm sie im Sommer 1800 mit Geschwistern eine Reise nach Rügen, von der Kleist die Episode erzählt:
„Als wir auf der Ostsee zwischen Rügen und dem festen Lande im Sturm auf einem Boote mit Pferden und Wagen dem Untergange nahe waren, und der Schiffer schnell das Steuer verließ, die Segel zu fällen, sprang sie an seinen Platz und hielt das Ruder – Unerschütterliche Ruhe scheint ihr das glücklichste Los auf Erden.“
Ulrike begleitete ihren Bruder auch auf seiner Reise nach Paris im Jahre 1801 und finanzierte diese zum großen Teil selbst. Ende des Jahres kehrte Ulrike nach Frankfurt zurück, Kleist fuhr weiter in die Schweiz. Als ihr Bruder in Bern erkrankte, eilte Ulrike sofort zu ihm und fand ihn dort Mitte September 1802 bereits wieder gesund vor. Gemeinsam fuhren sie im Oktober wieder nach Frankfurt zurück.
Auch im Winter 1803, als Kleist bei Wieland in Oßmannstedt weilte, scheint Ulrike mit dort gewesen zu sein, denn sie schreibt 1811 rückblickend zu Kleists überstürzter Abreise von Wieland:
„Er reiste auch würklich ab – und ich blieb zurück! [..] doch wünschte ich nicht, daß Du schlimm von ihm dächtest. – Wenn er auch nicht zu den ganz edlen Menschen gehört, die ja ohnehin eine Ausnahme machen, so ist er doch g u t, ..“
Im Sommer 1803 reiste Ulrike wiederum zu ihrem Bruder, zuerst nach Dresden mit weiteren Familienmitgliedern, danach auch noch nach Leipzig, um ihn mit Geld für die zweite Schweiz-Reise zu versorgen. Im Dezember 1804 forderte Kleist – wieder nach Berlin zurückgekehrt – Ulrike auf, gemeinsam mit ihm „eine Wohnung auszumitteln“ und gemeinsam hauszuhalten.
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Mitte des Jahres 1805 reiste die Schwester ihrem Bruder nach Königsberg nach und führte dort mit ihm bis zum Frühjahr 1806 einen gemeinsamen Haushalt. Dann verließ Ulrike Königsberg und zog nach Schorin bei Stolp / Hinterpommern zu den verwandten von Stojentins in der Hoffnung, dass Kleist bald folgen möge. Im Juni 1806 bat der Bruder bei seiner Behörde um Entpflichtung vom Staatsdienst, da er aus gesundheitlichen Gründen zu Verwandten aufs Land ziehen wolle. Die endgültige Entlassung wurde ihm jedoch erst Anfang 1807 erteilt. Auf dem Weg nach Berlin machte Kleist in Schorin Station.
1807 – nach Entlassung aus der französischen Gefangenschaft – versuchte Kleist seine Schwester zu einer finanziellen Beteiligung „als Actionair“ an dem von ihm geplanten Verlagsunternehmen zu überreden, doch nahm sie seinen Vorschlag nicht an. Das Projekt kam nie zustande.
Am 11. August 1811 versucht Kleist noch einmal vergeblich, Ulrike dazu zu bewegen, zu ihm nach Berlin zu ziehen, wo er ihr eine Anstellung im Luisenstift besorgen könne. In seinem Abschiedsbrief an Ulrike,[2] datiert mit „am Morgen meines Todes“, schrieb er die später berühmt gewordenen Worte:
„[...] wirklich, Du hast an mir getan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war.“
Mit dem Tode Heinrich von Kleists am 21. November 1811 versiegen die Nachrichten über das weitere Leben Ulrikes weitestgehend. Sie soll in den Jahren um 1820 in Frankfurt (Oder) eine Pension für höhere Töchter eingerichtet haben und ist wohl unverheiratet geblieben.
Ulrike von Kleist wurde auf dem Alten Friedhof in Frankfurt beerdigt. Ihr Grabkreuz ging im 20. Jahrhundert verloren. Heute befindet sich eine Nachbildung dieses Kreuzes auf dem Hof des dortigen Kleist-Museums.
Literatur
- Wolfgang Barthel: Heinrich von Kleist. Frankfurt (Oder) 2001, S. 7. ISBN 3-9806758-8-2
- Paul Hoffmann: Ulrike von Kleist über ihren Bruder Heinrich. In: Euphorion 10 (1903), S. 105–152.
- Heinrich von Kleist: Briefe an seine Schwester Ulrike. Herausgegeben von August Koberstein, Schroeder Berlin, 1860
- Heinrich von Kleist: Briefe von und an Heinrich von Kleist 1793–1811. Herausgegeben von Klaus Müller-Salget und Stefan Ormanns. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt/M. 1997.[3]
Einzelnachweise
- „Wirklichkeit wird aus Taten und Dokumenten immer neu gefälscht, Geschlechter verquicken sich, Amazonen wechseln Küsse und Bisse, Schwester Ulrike, als Mann gekleidet, wird mit auf Reisen geführt.“ In: Ulrike Draesner, Heimliche Helden. Über Heinrich von Kleist, James Joyce, Thomas Mann, Gottfried Benn, Karl Valentin u.v.a.. Essays, Luchterhand, München 2013, ISBN 978-3-630-87373-2, Kapitel „WESEN aus Sturz, Zeichen und Blitz. Gedanken zum Helden mit Hilfe Heinrich von Kleists“, S. 85–119, S. 91.
- Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe. Band 2. Herausgegeben von Helmut Sembdner. 2. Auflage. dtv, München 1994, S. 887.
- http://www.hagestedt.de/rezensionen/25Kleist.html