Typografie

Typografie (vom Duden und der schweizerischen Bundeskanzlei empfohlene Schreibweise)[1][2] oder Typographie (von altgriechisch τύπος týpos „Schlag, Abdruck, Figur, Typ“ und -graphie) ist eine mehrdeutige Bezeichnung: Im traditionellen Sinne bezieht sie sich auf die Gestaltung von Druckwerken mit beweglichen Lettern (Typen). In der Medientheorie steht Typografie für gedruckte Schrift in Abgrenzung zu Handschrift (Chirografie) und elektronischen sowie nicht literalen Texten.

Beispiel für eine bewusste Verwendung von Typographie im Logo der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Frakturschrift soll die bürgerlich-konservative Ausrichtung des Blatts, die Antiqua darunter als Gegenpol Aktualität und Modernität ausdrücken.

Ein Buchdrucker der Frühen Neuzeit wurde als typographus bezeichnet, womit im 16. und 17. Jahrhundert auch als Verleger tätige Drucker (Drucker-Verleger) gemeint sein konnten.[3] Heute bezeichnet Typografie meist den medienunabhängigen Gestaltungsprozess, der mittels Schrift, Bildern, Linien, Flächen und Leerräumen alle Arten von Kommunikationsmedien gestaltet. Typografie ist in Abgrenzung zu Kalligrafie, Schreiben oder Schriftentwurf das Gestalten mit vorgefundenem Material.

Die Typografie wird unterteilt in Mikrotypografie und Makrotypografie. Die Arbeit des Typografen besteht darin, beide Gestaltungsmerkmale in geeigneter Weise zu kombinieren.

Mikrotypografie

Mikrotypografische Fachbegriffe des Liniensystems

Die Mikrotypografie oder Detailtypografie ist die Gestaltung folgender Feinheiten des Schriftsatzes:

Der bei einem Leser bzw. Betrachter hervorgerufene Gesamteindruck des Schriftsatzes wird durch die obigen und weitere Faktoren bestimmt. Den subjektiven Gesamteindruck nennt man in der Fachsprache die Anmutung. Dabei wird durch die Gestaltung beim Leser auch ein emotionaler Eindruck erzeugt, was je nach Textsorte und Publikation sinnvoll sein kann und auch bewusst eingesetzt wird. In Massenmedien wie Tageszeitungen wird eher darauf geachtet, eine hohe Leserlichkeit auf Kosten einer – dabei auch nicht sachgerechten – emotionalen Wirkung der Gesamtgestaltung zu erzielen.[4]

Makrotypografie

Dies ist die Gesamtgestaltung eines Textwerks[5] (Buch, Druckseite, Textverarbeitungs-Dokument, Webseite usw.). Zu den Gestaltungselementen gehören unter anderem

Grundelemente im Schriftsatz sind

Die einzelnen Elemente des Seitenaufbaus sollten sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, wobei die Wahl der Schriftgröße sowie die richtige Positionierung von Abbildungen, Grafiken und Tabellen hierbei besonders wichtig ist. Die harmonische Aufteilung von bedruckter und unbedruckter Fläche ist entscheidend: Eine Seite darf weder überladen noch kahl wirken. Hilfreich ist hier die sogenannte Rastertypografie, bei der die typografischen Elemente nach einem vorgefertigten Gestaltungsraster angeordnet werden.

Eine verwandte Bezeichnung zur Makrotypografie ist Layout, wobei dieser Begriff in der Regel deutlich spezifischer verwendet wird.

Anwendung

Mithilfe von Typografie können der Inhalt, der Zweck oder die Anmutung eines Werkes verdeutlicht werden. Die Aussage eines Textes kann visuell unterstützt werden, wobei die gute Lesbarkeit i. d. R. an erster Stelle steht.

Zu den Anwendungsbereichen der Typografie zählt neben der Gestaltung von Mengentexten in Romanen oder Sachbüchern (Werksatz) vor allem der Akzidenzsatz. Dazu gehören Geschäftsdrucksachen (Briefblätter, Visitenkarten, Formulare), Werbedrucksachen (Flyer, Prospekte, Plakate) oder auch Familiendrucksachen (Einladungen, Gedenkkarten).

Bei der visuellen Erscheinung von Kommunikationsmedien versuchen Typografen meist die Gestaltung mit deren Inhalt (Botschaft) in Einklang zu bringen. Manchmal wird auch versucht, eine unterschwellig andere Botschaft (Subtext) zu vermitteln, die dem Inhalt des Textes durchaus widersprechen kann. Durch derartige Beeinflussung der Aussage eines Textes bzw. einer Botschaft kann einem Typografen die Rolle des Co-Autors zukommen.

Möglichkeiten typografischer Gestaltung sind traditionell der Einsatz unterschiedlicher Schriftarten, Schriftgrade/-größen und Auszeichnungsarten, die Wahl der Satzbreite (Zeilenlänge), des Zeilenfalls, des Satzspiegels innerhalb des Papierformates, die Zuordnungen unterschiedlicher Elemente zueinander im Layout, die Auswahl des passenden Papiers und vieles mehr.

Die Auszeichnungsarten dienen zum „Hervorheben“ einzelner Textstellen oder Absätze gegenüber dem Rest des Textes, z. B. wörtliche Rede oder Zitate. Wollen Typografen beispielsweise verdeutlichen, dass eine Textstelle das Gesprochene eines Protagonisten darstellt, dann kann sie kursiv dargestellt werden: Hermine! rief Harry 

Bei der typografischen Gestaltung berücksichtigen professionelle Typografen die Orientierung der Nutzer, die Einschätzung der Zielgruppe(n), die besonderen Bedingungen des Mediums, für das gestaltet wird, die „Orthotypografie“ (also die ortho- und typografisch korrekte Form), sowie unterschiedliche Lesearten, mit denen Leser Texten verschiedener Art begegnen. Bei der Typografie eines Romantextes beispielsweise wird auf einen gleichmäßigen und störungsfreien Lesefluss geachtet. Zu betonende Sätze oder Wörter werden dazu i. d. R. eher dezent ausgezeichnet, um sie nicht zu sehr hervorzuheben. Hierbei werden Kursiv- oder Kapitälchen-Schnitte derselben Schrift wie der des „Grundtextes“ (des nicht-ausgezeichneten Textes) in gleicher Strichstärke benutzt. Im Fachjargon wird dies als „integrierte“ oder „leise“ Schriftauszeichnung bezeichnet. Das „informierende Lesen“ (z. B. in Zeitungen oder Online-Portalen) setzt dagegen eine typografische Umsetzung voraus, die Inhalte bereits beim Überfliegen einordnen lässt, bevor tiefere Textebenen – häufig in kleineren Schriftgraden – angeboten werden.

War Typografie seit Gutenberg Teil des Fachwissens der Drucker und Schriftsetzer, so ist sie heute ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung der Grafiker, Mediengestalter Digital und Print und ähnlicher Berufsgruppen. Gerade die neuen Medien und das Entwerfen von Websites stellten die Typografen vor neue Herausforderungen wie etwa die Frage nach Nutzerfreundlichkeit und Funktionalität. Inzwischen kann fast jeder am Computer Schriftstücke (z. B. Briefe) oder seine Webseiten erstellen und so typografisch tätig werden.

Da sich Typografie als grafische Gestaltung historisch im Umfeld der Kunst entwickelt hat, entbrannte in der Nachkriegszeit die Diskussion, ob Typografie eine eigenständige Kunstform darstelle. Tatsächlich haben sich neue Formen der Typografie im italienischen Futurismus, im russischen Konstruktivismus und im Dadaismus herausgebildet. Während die italienischen Futuristen in der Zerstörung traditioneller Textformen eine besondere künstlerische Aussage erkannten und Typografie damit zur Kunstform erhoben, schrieb der deutsche Dadaist Kurt Schwitters, dass Typografie „unter Umständen“ Kunst sein könne.

Anders als in der Geschichte der Kunst entwickelte sich in der Geschichte der Typografie nach 1945 allerdings eine starke Orientierung am Empfänger der Botschaft, die gleichzeitig eine stärkere Zurückhaltung und weniger deutliche Autoren-Rolle des Typografen forderte. Durch ihre stärkere Verbindung zur Alltagskultur und ihre Einbindung in Wirtschaftsabläufe geprägt behaupteten Nachkriegstypografen, wie z. B. Kurt Weidemann (u. a. Entwerfer der Hausschrift von Daimler), dass Typografie als Kunst „belanglos“ sei, vielmehr komme es auf Zurückhaltung zugunsten der Lesbarkeit und der angestrebten Wirkung beim Leser an, und es gehe nicht um die Selbstverwirklichung des Gestalters.

Maßeinheiten

Maßeinheiten im Druckwesen
Zusammenhang der unterschiedlichen Maßeinheiten untereinander gemäß ihrer Herleitung
  • Im traditionellen Druck gilt in Deutschland, auf dem kontinentalen Europa und in vielen anderen Teilen der Welt weitgehend das französische Maßsystem, also Cicero und Didot-Punkt. Daneben werden auch andere Maßsysteme verwendet.
  • Im informatisierten Druckgewerbe gilt heute weltweit das englische Maßsystem mit Pica und DTP-Punkt.

Buchstaben und andere typografische Elemente werden mit dem Typometer vermessen.

Rechtsfragen

In Deutschland unterliegen typografische Schriften dem geschmacksmusterähnlichen Schriftzeichengesetz. Das stärkere Urheberrecht gilt für solche Schriften, anders als von Schriftherstellern gefordert, hingegen nicht oder nur in Sonderfällen von extremer Gestaltungshöhe wie Initialenschriften, die bereits in Richtung Gemälde gehen. Das Gleiche dürfte für Handschriften und Kalligraphien gelten. Dabei ist bisweilen strittig, inwieweit typographische Unikate nicht selbst als Kalligraphien anzusprechen sind. Urheberrechte können aber an Fonts (Computerschriften) bestehen, wenn das Hinting-Programm, das die ästhetische Darstellung auch bei geringen Auflösungen sicherstellt, hinreichende Schöpfungshöhe als Computerprogramm hat. Zudem unterliegen die Namen der Schriftarten dem Markengesetz. Ein Textsatz oder Notenstichbild unterliegt als solcher weder dem Urheberrecht noch dem Geschmacksmusterrecht, und ob ein Leistungsschutz aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) besteht, ist umstritten.

Geschichte

Die Geschichte der Typografie ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Schriften und den sich wandelnden (Re-)Produktionsmöglichkeiten gedruckter Texte; inzwischen auch der digitalen Medien.

Elementare Typografie

Die „Elementare Typografie“, „Neue Typographie“ oder auch „Funktionale Typografie“ ist eine Stilrichtung innerhalb der Schrift- und Druckgestaltung vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Experimentelle Typografie

Unter „Experimenteller Typografie“ werden verstanden:

  1. Wissenschaftliche Versuche, die Wirkung typografischer Entwürfe auf Versuchspersonen zu untersuchen. Darin sind sie nicht zu verwechseln mit den Bemühungen der „Expressiven“ und „Extremen Typografie“.
  2. Eine Bewegung innerhalb der Typografie, die ab 1945 die „klassischen Entwürfe“ mit eigenen Designvorschlägen und neuen Medien in Frage stellt. Diese Experimente beziehen sich auf a) kinematografische, b) optisch-dynamische (z. B. Neonwerbung) und c) kinetische Ausdrucksversuche.

Siehe auch

Literatur

  • Otl Aicher: typographie. Reprint der Originalausgabe. Hermann Schmidt, Mainz 2005, ISBN 978-3-87439-683-7.
  • Gavin Ambrose, Paul Harris: Grundlagen der Typografie. Stiebner, München 2007, ISBN 978-3-8307-1332-6.
  • Johannes Bergerhausen, Siri Poarangan: decodeunicode: Die Schriftzeichen der Welt. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2011, ISBN 978-3-87439-813-8. Alle 109.242 Zeichen der Typografie nach dem Unicode-Standard.
  • Hans R. Bosshard: Typografie, Schrift, Lesbarkeit. Verlag Niggli, Salenstein 1996, ISBN 3-7212-0163-9.
  • Friedrich Forssman, Ralf de Jong: Detailtypografie. 4. Auflage. Hermann Schmidt, Mainz 2004, ISBN 978-3-87439-642-4.
  • Hans Peter Willberg, Friedrich Forssman: Lesetypographie. Hermann Schmidt, Mainz 1997, ISBN 3-87439-375-5.
  • Damien und Claire Gautier: Gestaltung, Typografie etc. Niggli Verlag, Sulgen 2010, ISBN 978-3-7212-0668-5.
  • Florian Gaertner, Lars Harmsen, Ulrich Weiß: Slanted Magazin. Slanted Publishers, ISSN 1867-6510
  • Jost Hochuli: Bücher machen. Eine Einführung in die Buchgestaltung im Besonderen in die Buchtypografie. Deutscher Kunstverlag, München 1990, ISBN 3-422-06058-8.
  • Stephanie und Ralf de Jong: Schriftwechsel. Schrift sehen, verstehen, wählen und vermitteln. Hermann Schmidt, Mainz 2008, ISBN 978-3-87439-746-9.
  • Bernhard Walter Panek: Typographische und psychologische Gestaltung von Drucksorten: Schrift und Linien, Ornamente, Symbole und Logos, Abbildungen, Layout, Korrekturen und Qualitätssicherung, Fremdsprachensatz. 2. Auflage. Wiener Universitätsverlag Facultas, Wien 2002, ISBN 978-3-7089-0157-2.
  • Emil Ruder: Typographie. 8. Auflage. Niggli Verlag, Sulgen 2009, ISBN 978-3-7212-0043-0.
  • Hans Peter Willberg, Friedrich Forssman: Erste Hilfe in Typografie. Ratgeber für Gestaltung mit Schrift. Hermann Schmidt, Mainz 1999, ISBN 978-3-87439-474-1.
  • Hans Peter Willberg: Wegweiser Schrift. Erste Hilfe für den Umgang mit Schriften. Hermann Schmidt, Mainz 2001, ISBN 978-3-87439-569-4.
  • Michael Wörgötter: TypeSelect. Hermann Schmidt, Mainz 2010, zweite Auflage, ISBN 978-3-87439-685-1.
  • Manuela Krauß: Typografie für Grafikdesigner. wvb Wissenschaftlicher Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86573-801-1.
  • Rainer Malaka, Andreas Butz, Heinrich Hussmann: Medieninformatik: Eine Einführung. 2009, ISBN 978-3-8273-7353-3.
  • Sabrina Öttl: Der erste Eindruck zählt! Das Handwerk der Typografie verstehen und anwenden. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2020, ISBN 978-3-87439-908-1.
Commons: Typografie – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Typografie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Typografie, Typographie, die. Duden online; abgerufen am 10. Februar 2020.
  2. Rechtschreibung: Leitfaden zur deutschen Rechtschreibung. (PDF; 822 kB, 160 Seiten) 4., aktualisierte Auflage. Bundeskanzlei, Bern 2017, S. 149; Zitat: „Typografie, die“.
  3. Hans Widmann: Autorennöte eines Gelehrten im 16. Jahrhundert. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Nr. 89, 5. November 1968, S. 2929–2940, hier S. 2930/2931.
  4. Anmutung der Schrift. Mediencommunity.de, abgerufen am 4. November 2020
  5. Begriff laut DIN 5008:2020-03
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