Tributylzinn-Verbindungen
Tributylzinn-Verbindungen (abgekürzt TBT für englisch Tributyltin) sind zinnorganische Verbindungen mit drei Butylgruppen.
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Darstellung
Triorganozinnhalogenide lassen sich aus Tetraorganozinnverbindungen durch elektrophile Substitution herstellen:
Aus diesen Triorganozinnhalogeniden lässt sich das Hydrid durch Reaktion mit Reduktionsmitteln wie Lithiumaluminiumhydrid gewinnen:
Verwendung
Tributylzinn-Verbindungen wurden in der Vergangenheit (seit den 1970er Jahren) in Antifouling-Anstrichen für Schiffsrümpfe und als Biozide z. B. in Holzschutzmitteln, Silikondichtstoffen, Dachbahnen und für Textilien verwendet.[1] 1996 wurden in Deutschland 3000 Tonnen Tributylzinnoxid (TBTO) hergestellt, davon aber weniger als 150 Tonnen verwendet und mehr als 95 % exportiert. Bei der Herstellung von Kunststoffen werden sie als Katalysatoren und Stabilisatoren eingesetzt.[1] TBT-Verbindungen sind aber aufgrund der Ökotoxizität in den meisten Ländern stark eingeschränkt oder verboten.[2][3][4] In der EU sind trisubstituierte zinnorganische Verbindungen seit Juni 2010 in Erzeugnissen verboten.[4]
Durch die Nahrungskette können TBT-Verbindungen in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort hormonelle Störungen hervorrufen, die zur Unfruchtbarkeit führen können. In Meeresgebieten mit hohem Schifffahrtsaufkommen sind durch das TBT der Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige Imposexe entstanden, d. h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Formen machen bis zu 90 % einer Population aus, die Effekte sind irreversibel und die betroffenen Arten dadurch zum Teil vom Aussterben bedroht. Wegen des Eingreifens dieser Umweltchemikalien in den Hormonhaushalt sind sie so genannte endokrine Disruptoren.
TBT-Derivate werden auch als Stabilisatoren in Kunststoffen und im Druckereiwesen eingesetzt und können daher auch in bedruckten Textilien, Outdoorjacken und den bis 2002 ausgegebenen 10-Euro-Geldscheinen[5][6][7] auftreten.
Sicherheitshinweise
TBT-Verbindungen sind hochtoxische Verbindungen. Sie können von Menschen über kontaminierte Meerestiere oder Wein aufgenommen werden. Aufgrund ihrer Lipophilie können TBT-Verbindungen auch direkt über die Haut in den Körper gelangen.[1]
Tributylzinn-Verbindungen sind als „prioritärer gefährlicher Stoff“ in Anhang X der europäischen Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) aufgeführt.[8]
Vertreter
- Allyltributylzinn
- Tributylstannylium (Tributylzinn-Kation)[9]
- Tributylzinnacetat (TBTA)
- Tributylzinnbenzoat (TBTB)
- Tributylzinnchlorid (TBTC)
- Tributylzinnfluorid (TBTF)
- Tributylzinnhydrid (TBTH)
- Tributylzinnlaurat (TBTL)
- Tributylzinnmethacrylat (TBTM)
- Tributylzinnoxid (TBTO)
- Tin-San (Tributyl(chlor)stannan)[10]
- Vinyltributylzinn
Einzelnachweise
- Umweltbundesamt (Hrsg.): TBT – Zinnorganische Verbindungen – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. 2003 (PDF-Datei).
- Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich? In: Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung. 21, Nr. 3, 2009, S. 282–291.
- Schutz des Meeres und der Lebensmittelkette vor den Auswirkungen zinnorganischer Verbindungen. Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 14. April 2003, abgerufen am 27. Januar 2016.
- Entscheidung der Kommission vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates hinsichtlich der Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen zwecks Anpassung ihres Anhangs I an den technischen Fortschritt (2009/425/EG). In: Amtsblatt der Europäischen Union. L, Nr. 138, 4. Juni 2009, S. 11–13. Später ersetzt durch die REACH-Verordnung, nachdem der Text der Entscheidung 2009/425/EG in den Anhang XVII (Nr. 20) der REACH-Verordnung übertragen worden war.
- Ökotest-Artikel, Februar 2002: Euro-Scheine und -Münzen
- Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten. Europäische Zentralbank, 20. Dezember 2007, archiviert vom am 26. Juni 2013; abgerufen am 14. Juni 2013.
- Oliver Reiser: Giftige Euroscheine? (Organozinnverbindungen in 10-Euro-Scheinen). Chemie im Alltag, chemie-im-alltag.de – Bespricht den Inhalt des Ökotest-Artikels.
- Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in der konsolidierten Fassung vom 20. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2024. Anhang X.
- Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylstannylium: CAS-Nummer: 36643-28-4, ECHA-InfoCard: 100.292.235, PubChem: 37499, Wikidata: Q82003094.
- Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tin-San: CAS-Nummer: 56573-85-4, ECHA-InfoCard: 100.297.933, PubChem: 176281472, ChemSpider: 14368, Wikidata: Q112817887.