Tribus (Rom)

Die Tribus (Plural Tribūs, femininum) war eine Abteilung der Bürgerschaft in der römischen Königszeit und römischen Republik.

Jede Tribus untergliederte sich in fünf centuriae seniorum und fünf centuriae iuniorum. Jeder Vollbürger musste in einer Tribus eingeschrieben sein. Daher wurde aus den Tribus auch der Zensus gebildet sowie die Kriegssteuer (lat. tributum) erhoben.

Nach den Tribus wurden auch eine Form der Volksversammlung gegliedert (sog. comitia tributa) und die (bis auf die fehlende Beteiligung der Patrizier) damit identische Versammlung der Plebejer (concilium plebis), die nicht von einem Konsul oder Praetor, sondern von den Volkstribunen geleitet wurde (siehe auch Comitia).

Entwicklung

Der antiken Überlieferung nach gab es zunächst drei gentilizisch organisierte Tribus (Tities, Ramnes und Luceres), die aus jeweils 10 curiae bestanden. Diese drei als tribus bezeichneten Personenverbände könnten aber auch militärische Einheiten gewesen sein, die nicht als Oberbegriff für die curiae zu verstehen sind.[1]

Noch in der Königszeit wurde diese Einteilung durch eine räumliche Gliederung in vier städtische Tribus (sog. tribus urbanae) und anfangs 17,[2] zuletzt 31 ländliche Tribus (tribus rusticae) abgelöst. Ursprünglich stellten sie geschlossene räumliche Gebiete dar.

  • Die vier städtischen Tribus (Suburana, Palatina, Esquilina und Collina) wurden nach der römischen Überlieferung (Liv. 1,43,13) durch den König Servius Tullius eingerichtet; sie weisen geographische Namen auf.
  • Die ältesten der ländlichen Tribus befanden sich im Umfeld Roms. Die unmittelbar an Rom angrenzenden Tribus tragen ebenfalls geographische Namen: Lemonia, Pollia, Pupinia, Camilia und Voltinia.
  • Nach außen schließt sich ein Gürtel von Tribus an, die größtenteils nach bedeutenden gentes der frühen Republik benannt wurden (siehe Tabelle).

Die ersten 21 Tribus entstanden angeblich bis 495 v. Chr. (Liv. 2,21,7; vgl. Dionysios von Halikarnassos VII 64,6). Dieses Datum ist jedoch umstritten, da es mit der zweifelhaften Datierung der Einwanderung der gens Claudia in Verbindung steht.[3][4]

Im 4. und 3. Jh. v. Chr. wurden nach und nach weitere 14 Tribus geschaffen, deren Namen wieder geographischer Natur waren. Dabei wurde offensichtlich Wert darauf gelegt, dass die ungerade Zahl der Tribus erhalten blieb, um so bei Abstimmungen in den comitia tributa Pattsituationen zu vermeiden. Die letzten beiden der insgesamt 35 Tribus wurden nach Livius 1,43,12 im Jahr 241 v. Chr. eingerichtet (Velina und Quirina).

Obwohl auch danach das römische Bürgergebiet noch erweitert wurde, wurden keine neuen Tribus mehr geschaffen. Die neu hinzugekommenen römischen Bürger wurden einer der existierenden Tribus zugewiesen. Aus der räumlichen Gliederung entstand so ein zusammengestückelter Stimm- und Verwaltungsbezirk.

Tabelle der Tribus

Die Angaben dieser Tabelle stammen aus dem Historischen Atlas der antiken Welt.[5]

eingerichtet [v. Chr.]NameKürzelbenannt nacherwähnt beiLage
6. Jh. Suburana/Sucusana SVB/SVC Subura (Stadtviertel in Rom) Stadt Rom (tribus urbana)
6. Jh. Palatina PAL Mons Palatinus Stadt Rom (tribus urbana)
6. Jh. Esquilina ESQ Mons Esquilinus Stadt Rom (tribus urbana)
6. Jh. Collina COL Collis Viminalis und Collis Quirinalis Stadt Rom (tribus urbana)
495[6] Aemilia AEM gens Aemilia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Camilia CAM ager Camilius Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Claudia CLA gens Claudia Liv. 2,16 und 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] oder 499 (?) Clustumina CLV Oppidum Crustumerium Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Cornelia COR gens Cornelia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Fabia FAB gens Fabia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Galeria GAL gens Galeria Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Horatia HOR gens Horatia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Lemonia LEM ager Lemonius Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Menenia MEN gens Menenia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Papiria PAP gens Papiria Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Pollia POL ager Pollius Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Pupinia PVP ager Pupinius Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Romilia/Romulia ROM gens Romilia/Romulia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Sergia SER gens Sergia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Voltinia VOL ager Voltinius Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
495[6] Vo(l)turia/Veturia VOT/VET gens Vo(l)turia/Veturia Liv. 2,21,7 Umgebung Roms
387 Arn(i)ensis ARN Aro (Fluss aus dem Lacus Sabatinus) Liv. 6,5,8 Etrurien: Gebiet der Stadt Veji
387 Sabatina SAB Lacus Sabatinus Liv. 6,5,8 Etrurien: Gebiet der Stadt Veji
387 Stellatina STE Campus Stellatinus Liv. 6,5,8 Etrurien: Gebiet der Stadt Veji
387 Tromentina TROM Campus Tromentus Liv. 6,5,8 Etrurien: Gebiet der Stadt Veji
358 Pomptina POMP Urbs Pomptia / Ager Pomptinus Liv. 7,15,11 Latium
358 Poplilia/Poblilia/Publilia POP/POB/PVB Ager Poplilius Liv. 7,15,11 Latium: Gebiet der Volsci
332 Maecia MAE Ad Maecium (Ort bei Lanuvium) Liv. 8,17,11 Latium
332 Scaptia SCAP Urbs Scaptia Liv. 8,17,11 Latium
318 Falerna FAL Ager Falernus Liv. 9,20,6 Campania
318 Oufentina OVF Fluss Ufens Liv. 9,20,6 Latium
299 Aniensis ANI Fluss Anio Liv. 10,9,14 Latium
299 Teretina TERET Fluss Teres/Trerus Liv. 10,9,14 Campania
241 Quirina QVI (von Quirites?) Liv. per. 19 Gebiet der Sabiner um Reate
241 Velina VEL Lacus Velinus (bei Reate) Liv. per. 19 Adriaküste

Literatur

  • Wilhelm Kubitschek: Tribus. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band VI A,2, Stuttgart 1937, Sp. 2492–2518.
  • Jochen Bleicken: Die Verfassung der römischen Republik. 8. Auflage. Schöningh, Paderborn u. a. 2000, ISBN 3-506-99405-0.
  • Jochen Bleicken: Geschichte der Römischen Republik (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Band 2). 3. Auflage. Oldenbourg, München 1988, ISBN 3-486-49663-8.
  • Hans Volkmann: Tribus. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 950–952.
  • Eckart Olshausen, Christian Winkle: Populus Romanus: die vier städtischen und 31 ländlichen Tribus in Italien (um 500–241 v. Chr.). In: Anne-Maria Wittke, Eckart Olshausen, Richard Szydlak (Hrsg.): Historischer Atlas der antiken Welt (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 3). Metzler, Stuttgart/Weimar 2007, ISBN 978-3-476-02031-4, S. 106–107.
  • Michael Rieger: Tribus und Stadt. Die Entstehung der römischen Wahlbezirke im urbanen und mediterranen Kontext (ca. 750–450 v. Chr.). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-89744-237-5.

Anmerkungen

  1. Bleicken: Geschichte der Römischen Republik. München: Oldenbourg ³1988. ISBN 3-486-49666-2, S. 16
  2. Man findet auch die Zahl von 16 tribus rusticae.
  3. Andreas Alföldi: Das frühe Rom und die Latiner. Aus dem Englischen übersetzt von Frank Kolb. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ISBN 3-534-07538-2, S. 271; Kapitel Die Landbezirke innerhalb und außerhalb der sakralen Grenze des ager Romanus, S. 269–282; (gegen das Datum der Annalisten 495 v. Chr.), Karte S. 264.
  4. Robert M. Ogilvie: Early Rome and the Etruscans, London 1976; deutsch: Das frühe Rom und die Etrusker. Übersetzt von Irmgard Götz. dtv-Geschichte der Antike. dtv, München 1983, dort S. 96f. sehr abgewogen.
  5. Eckart Olshausen, Christian Winkle: Populus Romanus: die vier städtischen und 31 ländlichen Tribus in Italien (um 500–241 v. Chr.). In: Anne-Maria Wittke, Eckart Olshausen, Richard Szydlak (Hrsg.): Historischer Atlas der antiken Welt (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 3). Metzler, Stuttgart/Weimar 2007, ISBN 978-3-476-02031-4, S. 106–107.
  6. Diese tribus existierte angeblich im Jahr 495 v. Chr. Der genaue Zeitpunkt ihrer Einrichtung ist nicht bekannt.
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