Touch Me Not
Touch Me Not (Engl., Rühr mich nicht an) ist ein halbdokumentarischer Experimentalfilm von Adina Pintilie aus dem Jahr 2018. Die europäische Koproduktion, das Langfilmdebüt der rumänischen Regisseurin, erforscht die Spielarten und Grenzen menschlicher Sexualität.[2]
Der von der Kritik kontrovers aufgenommene Film wurde am 22. Februar 2018 im Wettbewerb der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin uraufgeführt und dort mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Kinostart in Deutschland war der 1. November 2018.[3]
Handlung
Der halbdokumentarische Film begleitet Laura, Tómas und Christian, die sich mit der Regisseurin Adina Pintilie auf ein persönliches Forschungsprojekt zum Thema Intimität einlassen. Pintilie interviewt die drei über einen Bildschirm in Form von Therapiesitzungen, setzt sich zum Teil vor der Kamera zu ihnen oder tauscht mit ihnen die Plätze.
Die alleinstehende Laura ist 50 Jahre alt und kämpft gegen ihre Asexualität an. Sie trifft sich in der Folge mit verschiedenen Personen, um Intimität zu erforschen. Sie bestellt sich einen bulgarischen Callboy und beobachtet ihn, wie er sich in ihrer Wohnung auszieht, duscht und auf ihrem Bett masturbiert. Als er gegangen ist, legt sie ihren Kopf auf die Stelle, auf der er gelegen hat. Weitere Treffen folgen mit der trans Frau Hanna, die für Laura eine Peepshow aufführt, und mit dem Sexualtherapeuten Seani Love, mit dem sie versucht, Berührungen zuzulassen und gleichzeitig ihrer aufgestauten Wut ein Ventil zu geben. Laura besucht mehrfach einen älteren Mann im Krankenhaus und beobachtet dabei Mitglieder einer Berührungstherapie-Gruppe.
Tómas und Christian nehmen an der Berührungstherapie im Krankenhaus teil, bei der sie mit gegenseitigen Berührungen ihre Körper und Intimität erforschen. Tómas hat im Alter von 13 Jahren seine Haare verloren. Er hat seine Gefühle lange Zeit unterdrückt. Mit Hilfe von Christian wird er sich im Laufe der Therapie dieses Umstands bewusst.
Christian ist schwerbehindert und sitzt im Rollstuhl. Er sieht sich als attraktiven Mann. Er wünscht sich, den aktiven Part beim Sex zu übernehmen, und manchmal fühlt er sich „wie ein Gehirn, das man herumträgt“. Er macht die Therapie gemeinsam mit seiner Partnerin Grit.
Tómas beginnt seine frühere Geliebte Irmena zu verfolgen, die in einer Boutique arbeitet. Er folgt ihr zweimal in einen Sex-Club, wo sich die Besucher zum Teil SM-Spielen hingeben. Zu den Besuchern zählen auch Hanna, Christian und Grit. Laura beginnt Tómas ebenfalls zu verfolgen. Bald darauf bemerkt er sie und spricht sie aus Neugierde an. Laura nimmt Tómas mit in ihre Wohnung. Sie möchte, dass er sie nackt sieht. Tómas lässt sich darauf ein. Später liegen beide nackt zusammen im Bett und berühren sich gegenseitig.
Adina Pintilie richtet sich am Anfang und gegen Ende des Films aus dem Off an ein namenloses Du. Sie berichtet unter anderem von einem Traum, in dem sie Sex mit einem Mann hat und sie plötzlich die Anwesenheit ihrer Mutter spürt. Sie kommt am Ende ihres Experiments zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zwischen Intimität, Vertrauen und Lust immer unschärfer geworden sind. Der Film endet mit der nackten und zu wilder Musik tanzenden Laura.
Auszeichnungen
Touch Me Not konkurrierte im Wettbewerb der Berlinale 2018, wo der Film mit dem Goldenen Bären den Hauptpreis des Festivals gewann. Darüber hinaus erhielt Pintilies Regiearbeit den GWFF-Preis für den besten Erstlingsfilm. Der dreiköpfigen Jury hatte u. a. ihr Landsmann Călin Peter Netzer angehört.[4] Touch Me Not war auch für den Teddy Award nominiert.[5]
Rezeption
Touch Me Not erhielt im internationalen Kritikenspiegel der britischen Fachzeitschrift Screen International 1,5 von 4 möglichen Sternen und belegte damit den drittletzten Platz aller Berlinale-Wettbewerbsfilme.[6] Auch hatten Zuschauer reihenweise das Kino verlassen.[7][8] Die Prämierung des Films mit dem Hauptpreis der Berlinale wurde von deutschsprachigen Medien als große Überraschung gewertet.[2] Der deutsche Jury-Präsident Tom Tykwer hatte vor Beginn des Festivals in einem Interview „wilde und sperrige Filme“ in Deutschland vermisst.[9] „Wir haben herausgefunden, dass wir nicht nur das würdigen wollen, was Kino kann, sondern auch das, wo es noch hingehen kann“, gab Tykwer vor der Preisverleihung im Namen der Jury bekannt.[2]
Der Tagesspiegel bezeichnete den Film als einen „der radikalsten, auch umstrittensten Filme des Wettbewerbs“,[10] während die Deutsche Welle Pintilies Regiearbeit als „spektakulären Beitrag auch zur #MeToo-Debatte“ um Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt in der Unterhaltungsindustrie würdigte.[11] Hanns-Georg Rodek (Die Welt) bezeichnete die Prämierung als „Schockentscheidung“ und verglich sie mit der umstrittenen Auszeichnung von Reinhard Hauffs Film Stammheim auf der Berlinale 1986.[12] Der Rolling Stone versuchte die negativen Kritiken zusammenzufassen, und umschrieb Touch Me Not mit „Kino als Therapiestunde“; laut Kritikern sei es ein „distanzloser Film, der Sex als spröden Akt ohne Erotik nachvollziehe“.[13]
Weblinks
- Profil bei berlinale.de
- Touch Me Not bei IMDb
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Touch Me Not. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüfnummer: 182591/K).
- Goldener Bär für rumänischen Sexfilm. In: faz.net, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Touch Me Not - Alamode Filmverleih. Abgerufen am 11. November 2018.
- Jury GWFF Preis Bester Erstlingsfilm (Memento vom 25. Februar 2018 im Internet Archive). In: berlinale.de, 30. Januar 2018 (abgerufen am 25. Februar 2018).
- Die Preisträger der 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin (Memento vom 26. Februar 2018 im Internet Archive). In: berlinale.de, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Dalton, Ben: ‘Isle Of Dogs’ tops Screen’s final Berlin Jury Grid; Golden Bear winner ‘Touch Me Not’ scores low. In: screendaily.com, 26. Februar 2018 (abgerufen am 8. März 2018).
- Zuschauer verlassen den Saal - Ist „Touch Me Not“ zu versext? Abgerufen am 14. Februar 2021.
- WELT: „Touch me not“, Berlinale: Zu heftiger Sex-Szenen – Zuschauer verlassen Kinosaal. In: DIE WELT. 23. Februar 2018 (welt.de [abgerufen am 14. Februar 2021]).
- Tom Tykwer vermisst „wilde und sperrige Filme“. In: focus.de, 9. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Peitz, Christiane ; Krause, Sophie: Goldener Bär für „Touch Me Not“ von Adina Pintilie. In: tagesspiegel.de, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Mund, Heike: Bester Film: Goldener Bär geht an rumänischen Film „Touch Me Not“. In: dw.com, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Rodek, Hanns-Georg: Schockentscheidung bei der Berlinale. In: welt.de, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).
- Sexperimental-Film „Touch Me Not“ verstört Berlinale-Publikum. In: rollingstone.de, 24. Februar 2018 (abgerufen am 24. Februar 2018).