Tonhof

Der Tonhof ist ein herrschaftlicher Gutshof im Besitz der ehemals adeligen Familie Weis-Ostborn (bis 1919: Weis Ritter von Ostborn), bestehend aus zwei Gebäuden. Er liegt im Zentrum von Maria Saal in Kärnten.

Tonhof um 1968

Geschichte

Der Tonhof bzw. Tannhof wurde 1431/32 als Zehenthof erwähnt.[1] Die beiden Gebäude des Tonhofes wurden später als Pflegeamt und als Gericht genützt. Das Verwaltungsgebäude, der Tonhof im engeren Sinn, konnte über die Zeit seine alte Gestalt behalten und hat ein in gotischem Stil errichtetes Erdgeschoß. Das Gerichtsgebäude war das Geburtshaus von Friedrich Welwitsch, dem Sohn des damaligen Landrichters.

1954, zu ihrer Hochzeit mit dem Komponisten Gerhard Lampersberg (1928–2002) erhielt die Sängerin Maja, geborene Weis-Ostborn (1919–2004) den Tonhof als Mitgift. Später lernte das Paar im Wiener Art Club unter anderen Thomas Bernhard kennen, der im Tonhof „zwischen 1957 und 1959[2] (nach Oliver Bentz bis Sommer 1960[3]) […] Zuflucht und Heimat“[2] fand, sich aber später wegen seines Romans „Holzfällen“ (1984) mit den Lampersbergs überwarf (siehe unten).

In den 1960er Jahren etablierte sich im Tonhof – als eine Art Künstler-Sommerresidenz – ein Kulturkreis der Wiener Avantgarde aus Literatur, Musik und Kunst (→ Wiener Gruppe), darunter[2][3][4]

In der Scheune des Tonhofes wurden während dieser Zeit die Werke der Künstler ausgestellt und wurde die Landbevölkerung in das Leben am Tonhof einbezogen. Die im Ort lebenden Kinder (die sogenannten „Tonhof-Kinder“) bekamen seitens der Mäzenin Maja Lampersberg die Möglichkeit, im Haus zu komponieren und zu malen, wodurch die Musik und die Literatur an die junge Generation herangetragen wurde.

Nicht nur Thomas Bernhard nahm sich (angeblich – er bestreitet dies im Briefverkehr mit seinem Verleger vom Suhrkamp-Verlag Siegfried Unseld[5]) das Ehepaar Lampersberg und den Tonhof zur Vorlage, sondern auch Peter Turrini tat dies in „Bei Einbruch der Dunkelheit“ (2006/2007), der seinerseits wiederum Thomas Bernhard als Protagonist am Tonhof in dem Theaterstück abbildet.[6]

Literatur

  • Klaus Amann: Anmerkungen zu "Peter Turrinis ‚Bei Einbruch der Dunkelheit’. Ein Stück über den Tonhof? Mit einem Seitenblick auf Thomas Bernhards ‚Holzfällen. Eine Erregung’". In: Klaus Amann (Hrsg.): Peter Turrini. Schriftsteller, Kämpfer, Künstler, Narr und Bürger. Sammelband. Residenz Verlag, St. Pölten & Salzburg 2007, S. 226–230.
  • Wolfgang Kralicek: Holzfällen im Kirschgarten. Peter Turrini «Bei Einbruch der Dunkelheit». In: Theater heute, April 2006, S. 48.
  • Peter Turrini: Bei Einbruch der Dunkelheit. Theaterstück 2006. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2007, ISBN 978-3-518-45884-6.
  • Oliver Bentz: Thomas Bernhard – Dichtung als Skandal. Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 337. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 978-3-8260-1930-2, S. 55 ff. (Online in der Google Buchsuche.) Zugleich: Dissertation, Universität Mannheim, 1999.
  • Peter Turrini: Lesebuch 1. Ein irrer Traum. Luchterhand, München 1999, ISBN 978-3-630-87043-4.
  • Renate Spitzner: Erinnerungen. Manuskript. Dokumentation anlässlich „50 Jahre – Gedenkfeier DDr. Heinrich Maier“, ohne Ort 1995.
  • Thomas Bernhard: Holzfällen. Eine Erregung. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1984, ISBN 3-518-39688-9.
  • Gerald Jaritz: Aufzehren. Eine Annäherung. Roman. myMorawa von Dataform Media, Wien 2022, ISBN 978-3-99129-826-7.

Film

Commons: Tonhof (Maria Saal) – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Alfred Ogris: Neues zu Alter und Funktion des Tonhofs in Maria Saal. in: Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten. Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, Klagenfurt am Wörthersee, 2019. S. 161–172.
  2. Vgl. Sehenswertes in Maria Saal: Tonhof.
  3. Vgl. Oliver Bentz: Thomas Bernhard – Dichtung als Skandal. Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 337. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 978-3-8260-1930-2, S. 55 f.
  4. Eintrag zum Tonhof im Literaturwiki der Universität Klagenfurt. Abgerufen am 8. Februar 2011.
  5. Vgl. Lesung des Briefverkehrs von Gert Voss und Peter Simonischek im Burgtheater: Simonischek/Voss als Bernhard/Unseld an der Burg. Bericht in: Kleine Zeitung, 9. Jänner 2011. Abgerufen am 8. Februar 2011.
  6. Vgl. Wolfgang Kralicek in Theaterheute, April 2006.

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