Tom Lehrer

Thomas „Tom“ Andrew Lehrer [ˈlɛərər] (* 9. April 1928 in New York) ist ein US-amerikanischer Singer-Songwriter, Satiriker und Mathematiker. Sein veröffentlichtes musikalisches Werk umfasst ungefähr 50 Titel und gilt als kulturell und intellektuell bedeutend. Es wird meist dem Genre des Novelty Song zugeordnet.

Tom Lehrer (1960)

Leben

Lehrer wuchs in einer jüdischen Familie im New Yorker Stadtteil Manhattan auf, wurde jedoch später zum Agnostiker. Mit 15 Jahren begann er ein Mathematikstudium an der Harvard University, erreichte mit 18 seinen BA- und ein Jahr später seinen MA-Abschluss. 1946 wurde er als Undergraduate in die akademische Verbindung Phi-Beta-Kappa aufgenommen.

Eine Promotion schloss er nie ab. Lehrer arbeitete als Forscher in Los Alamos in New Mexico und von 1955 bis 1957 bei der National Security Agency und der US Army. Eigenen Angaben zufolge erfand er zu dieser Zeit das alkoholische Dessert Jell-O-Shot, um Alkoholeinschränkungen zu umgehen.[1] Er unterrichtete an verschiedenen Hochschulen der Vereinigten Staaten Mathematik, so unter anderen in Harvard, am Wellesley College und am MIT. Zuletzt lehrte er von 1972 bis 2001 an der UC Santa Cruz, wo er auch Kurse in Musiktheater abhielt.

Lehrer lebt in Santa Cruz und Cambridge (Massachusetts).

Musikalische Karriere

1953 erschien seine erste Schallplatte Songs by Tom Lehrer, auf der seine wichtigsten Stilmittel bereits deutlich erkennbar sind: die Parodie populärer Liedformen, beißender Sarkasmus sowie der gewagte Reim. Im Lied The Elements werden beispielsweise in weniger als anderthalb Minuten sämtliche Elemente des Periodensystems aufgezählt, zur Melodie des Major General’s Song aus der Oper Die Piraten von Penzance.

Später wandte sich Lehrer mehr politischen oder tagesaktuellen Themen zu, vor allem in den Liedern, die er für die amerikanische Version der satirischen britischen TV-Show That Was The Week That Was (TW3) schrieb. Lehrer nahm nun die Mengenlehre im elementaren Mathematikunterricht aufs Korn (New Math), das Zweite Vatikanische Konzil mit seinen Modernisierungsanstrengungen (The Vatican Rag), die Bemühungen um die Förderung von Minderheiten (National Brotherhood Week), die Umweltverschmutzung (Pollution), die Rolle der USA als Weltpolizist (Send the Marines), die Atomkriegsängste (So Long, Mom; We will all go together when we go und MLF Lullaby) und die zunehmende Verbreitung der Nuklearwaffen (Who’s Next?).

“To the shores of Tripoli / but not to Mississippoli / What do we do? / We send the Marines

„Zu den Küsten von Tripoli / Doch nicht nach Mississippoli / Was tun wir? / Wir schicken die Marines

(Parodie der Hymne der US-Marines)

“Once the rockets are up, who cares where they come down? / That’s not my department, says Wernher von Braun

„Sobald die Raketen oben sind, wen juckt’s, wo sie runterkommen? / Das ist nicht meine Abteilung, sagt Wernher von Braun

“If you feel dissatisfaction, / Strum your frustrations away / Some people may prefer action, / But give me a folk song any old day.”

„Wenn du unzufrieden bist, / Klimper deine Frustrationen weg / Manche würden lieber Taten sehen, / Aber ich spiel lieber Folkmusik.“

“Remember the war against Franco? / That's the kind where each of us belongs. / Though he may have won all the battles, / We had all the good songs!”

„Denk zurück an den Krieg gegen Franco / Da gehören wir alle hin / Zwar hat er die Schlachten gewonnen / Aber wir hatten die besten Songs!“

Der historischen Diva Alma Mahler-Werfel widmete Lehrer in den frühen 1960er Jahren ein bewunderndes Spottlied Alma, in dem er die potenzielle Eifersucht aller Frauen auf ihr unerreicht erfolgreiches „Angeln“ berühmter Männer besingt.

Er beendete seine musikalische Karriere zu der Zeit, als mit der 68er-Bewegung eine breite Gegenkultur aufkam. Er begründete dies nachträglich mit der geringen Wirkung von musikalischer Satire und zitierte Peter Cook, nach dem das Kabarett im Berlin der dreißiger Jahre zur Verhinderung von Hitlers Aufstieg sowie des Zweiten Weltkriegs ja so viel beigetragen habe (“I'm fond of quoting Peter Cook, who talked about the satirical Berlin cabarets of the '30s, which did so much to stop the rise of Hitler and prevent the Second World War”).[2] Der Komponist und Kabarettist Felix Janosa brachte 1986 das Album Tauben vergiften mit selbstübersetzten Liedern Lehrers auf Deutsch heraus.

Rezeption

Lehrers Auftritte und Platten wurden praktisch nur von ihm selbst beworben und sprachen sich über Mundpropaganda herum. Seinen Durchbruch in Großbritannien verdankt er seiner Erwähnung bei der Verleihung des Ehrendoktors der Musik der Universität London am 4. Dezember 1957 an Princess Margaret, deren Musikgeschmack der Laudator Professor J.R. Sutherland als „universell (wörtlich doppeldeutig catholic) von Mozart … bis Tom Lehrer“ beschrieb:

“[…] the Princess is a connoisseur of music and a performer of skill and distinction, her taste being catholic, ranging from Mozart to the calypso and from opera to the songs of Miss Beatrice Lillie and Tom Lehrer.”

„[…] die Prinzessin ist eine Musikkennerin und eine Darstellerin von Geschick und Vornehmheit, ihr Geschmack dabei umfassend, von Mozart bis Calypso und von der Oper bis hin zu den Songs von Miss Beatrice Lillie und Tom Lehrer.“[3]

Danach wurde Lehrer in Großbritannien berühmt. Die BBC war zudem gerne bereit, seine Songs zu spielen, was in den USA kaum der Fall war.

Anfang der 1970er Jahre trat Tom Lehrer nur noch sporadisch auf. Einem beliebten Scherz zufolge war dies auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an Henry Kissinger zurückzuführen, da damit politische Satire obsolet geworden sei. Lehrer selbst widersprach in einem Interview im Jahr 2000 dieser Darstellung und erklärte, dass er seine musikkabarettistischen Auftritte schon Jahre zuvor weitgehend eingestellt habe. Er habe schlicht keine Lust mehr, andauernd dasselbe zu singen. Ebenso widersprach er dem Gerücht, er sei von Erben Wernher von Brauns auf Zahlung von Tantiemen verklagt worden und trete deswegen nicht mehr auf.[2]

Einige seiner Songs inspirierten vermutlich Georg Kreisler zu Eigenkompositionen, zum Beispiel Poisoning Pigeons in the ParkTauben vergiften im Park. Kreisler, der selbst zeitweise in den USA war, bestritt dies. Lehrer selbst sagte in einem Interview: „Kreisler ist ein Wiener, der zwei meiner Lieder gestohlen hat“, und bedankte sich ironisch bei Kreisler dafür, seine Lieder dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht zu haben.[4]

Er meinte zu seiner musikalischen Karriere:

“If, after hearing my songs, just one human being is inspired to say something nasty to a friend, or perhaps to strike a loved one, it will all have been worth the while.”

„Wenn nach dem Hören meiner Lieder auch nur ein Mensch sich veranlasst fühlt, etwas Hässliches zu einem Freund zu sagen oder einem geliebten Menschen eine zu verpassen, dann wird es all die Anstrengung wert gewesen sein.“[5]

Tom Lehrer hat 2020 alle seine Werke in den Public Domain gegeben.[6] Sie können bis 2024 kostenlos von seiner Homepage heruntergeladen und für beliebige Zwecke verwendet werden.

Diskografie

  • 1953: Songs by Tom Lehrer
  • 1959: More Songs by Tom Lehrer
  • 1959: Tom Lehrer Revisited
  • 1959: An Evening Wasted with Tom Lehrer
  • 1965: That Was the Year That Was
  • 1995: In Concert (UK: SilberSilber)
  • 2000: The Remains of Tom Lehrer (3-CD-Set mit all seinen Aufnahmen)
  • 2010: The Tom Lehrer Collection (CD mit 26 Aufnahmen und einer DVD (RC1) mit Videos)

Literatur

  • Florian Werner: Take us to your Lieder. In: Titanic 04/2008, S. 30–32.

Quellen

  1. Jack Boulware: That Was the Wit That Was. In: Weekly News. San Francisco Weekly, 19. April 2000, abgerufen am 12. August 2016 (englisch).
  2. Stephen Thompson: Interview: Tom Lehrer. In: A.V. Club. 24. Mai 2000, abgerufen am 12. August 2016 (englisch).
  3. East Africa and Rhodesia. Africana, 1957, S. 493. The Kansas City Times from Kansas City, Missouri · Page 4 (AP), Thursday, December 5, 1957 Die Wochenschau British Pathé zitierte allerdings verkürzt „from Mozart to calypso“ youtube.com
  4. „Tom Lehrer and Georg Kreisler“ auf The Tom Lehrer Wisdom Channel (Memento vom 13. August 2010 im Internet Archive)
  5. Liner notes, “Songs & More Songs By Tom Lehrer”, Rhino Records, 1997.
  6. Satirist Tom Lehrer has put his songs into the public domain. In: Marketplace. 21. Oktober 2020, abgerufen am 13. Juli 2021 (amerikanisches Englisch).
  7. Chartquellen: UK US
  8. Auszeichnungen für Musikverkäufe: UK US
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