Titus Gebel
Titus Gebel (* 19. Juni 1967 in Würzburg) ist ein deutscher Unternehmer, Jurist, politischer Aktivist und Autor. Gebel war Vorstandsvorsitzender der Holding Deutsche Rohstoff AG und Geschäftsführer der Rhein Petroleum GmbH. Titus Gebel vertritt proprietaristische politische Vorstellungen; er fördert weltweit unternehmerisch geführte Privatstädte als vermeintliche Alternative zu demokratisch organisierten Gesellschaften.[1]
Leben
Titus Gebel ist nach eigenen Angaben im Heidelberger Raum als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Lehrerin aufgewachsen. Bereits als Gymnasiast trat er nach demnach der Jungen Union bei. 1986 ging er als Zeitsoldat zur Bundeswehr. Bei seinem späteren Studium sei er der Liberalen Hochschulgruppe beigetreten, sei sechzehn Jahre FDP-Mitglied gewesen und bekleidete dabei verschiedene parteipolitische Ämter auf kommunaler Ebene.[2]
Gebel promovierte an der Universität Heidelberg und am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Anschließend arbeitete er nach eigenen Angaben einige Jahre als Rechtsanwalt[2] und anschließend als Manager bei verschiedenen Unternehmen in der Biotechnologie-, Venture-Capital- und Rohstoffbranche.[3]
Im Jahr 2006 gründete er zusammen mit Thomas Gutschlag die Holdinggesellschaft Deutsche Rohstoff AG, die er bis 2014 als CEO führte.[4] Die Gesellschaft beteiligte sich zunächst an Explorations- und Entwicklungsprojekten und baute später eine eigene Produktion auf, vor allem in Australien und den USA (Gold, Silber, Wolfram, Molybdän, Erdöl, Erdgas).[5] Seit 2010 ist die Deutsche Rohstoff AG an der Börse in Frankfurt gelistet[6] und erwirtschaftete unter anderem mit der umstrittenen Ölfördermethode Fracking im Jahr 2018 einen Jahresumsatz von 108 Millionen Euro.[7] Die Rhein Petroleum GmbH wurde 2007 gegründet, um aufgelassene Ölfelder in Süddeutschland wieder in Betrieb zu nehmen, und hat inzwischen die Produktionsphase erreicht.[8]
Heute ist Titus Gebel als Unternehmer und Fürsprecher für neuartige von ihm sogenannte „Sonderwirtschaftszonen“ tätig, insbesondere in Entwicklungsländern.[9] Er ist Gründer der Free Cities Foundation, Präsident und CEO des Unternehmens TIPOLIS Corporation, Mitglied im Board des Seasteading-Instituts von Peter Thiel und Patri Friedman, sowie Partner von NeWAY Capital.
Politischer Aktivismus
Freie Privatstädte (2018)
Titus Gebel lehnt die Demokratie als Staatsform ab und betrachtet privatunternehmerisch geführte Stadtstaaten als tragfähige Alternative.[2] Anhänger vergleichbarer Ideen bezeichnen sich selbst meist als Libertäre oder Anarchokapitalisten.[1] In seinem 2018 erschienenen Buch Freie Privatstädte skizziert Gebel sein Modell einer „privaten Stadt“, in der hoheitliche Aufgaben der Kommune beziehungsweise des Staates durch das betreibende Unternehmen gestellt und bestimmt werden. De facto handelt es sich nach außen um Gated Communitys. Ausdrücklich bezeichnet Gebel sein Konzept auch als Mittel zur Bewältigung von Migrationsbewegungen, die er subsumierend als „Migrationskrise“ bezeichnet.[9]
Gebel modifiziert das Charter City Konzept Paul Romers, das bislang nur in Texas und Florida in Einzelfällen eine Umsetzung fand. Dies führt Gebel auf fehlende Bereitschaft von Staaten zurück, Verwaltungsbeamte eines Drittstaates im eigenen Territorium hoheitliche Aufgaben erfüllen zu lassen.[10] In einer sogenannten Freien Privatstadt bietet stattdessen ein privates Unternehmen den künftigen Bewohnern seine Dienste als „Staatsdienstleister“ an. Primär geht es um Sicherheitsgarantien, wie den Schutz von Leben, Freiheit und Eigentum in dem von der Firma betriebenen, abgegrenzten Gebiet. Hoheitliche Aufgaben wie Sicherheits- und Rettungskräfte, die Gewährleistung eines Rechts- und Ordnungsrahmens werden vom Unternehmen organisiert. Es soll eine vom Unternehmen organisierte „unabhängige Streitschlichtung“ anstelle ordentlicher Gerichte geben. Die Bewohner zahlen nach Gebels Privatstadt-Konzept einen vertraglich fixierten Betrag für diese Leistungen pro Jahr. Das betreibende Unternehmen kann den Vertrag später nicht einseitig ändern. Die sogenannten „Vertragsbürger“ haben einen Rechtsanspruch darauf, dass er eingehalten wird und einen Schadensersatzanspruch bei Schlechterfüllung. Streitigkeiten zwischen ihnen und dem „Staatsdienstleister“ sollen vor unabhängigen Schiedsgerichten verhandelt werden, das jedoch nicht auf dem bürgerlichen Recht basiert, sondern sich am internationalen Handelsrecht orientieren soll. Ignoriert der Betreiber die Schiedssprüche oder missbraucht er seine Macht auf andere Weise, so die Theorie Gebels, würden seine Kunden abwandern und er ginge insolvent.[11]
Das Konzept wird sowohl positiv in der Medienlandschaft besprochen,[12][13] als auch als neokolonialistisch[14], antidemokratisch[1] und „Wiederkehr des Feudalismus“[15] kritisiert.
Free-Cities Initiative
Gebel ist Gründer der Free Cities Foundation, einer außerhalb Deutschlands registrierten Stiftung zur Förderung der Privatstädte weltweit. Gebel organisierte 2019 mit Daniel Gottschald, Geschäftsführer TUM Campus Heilbronn eine Investorenkonferenz für Próspera.[1][16] Seine Stiftung ist an der Privatstadt Próspera beteiligt. Die Regierung von Honduras lehnt das Projekt ab, der Widerstand in der Bevölkerung wächst und mehr als 180 Gemeinden in Honduras erklärten sich als „frei von Privatstädten“.[17][1]
Gebel ist an verschiedenen Initiativen für Privatstädte (free private cities; enterprise cities) weltweit aktiv u. a. in Honduras und[18] Sao Tomé[1]. Eine ähnliche Initiative in Döbeln (Sachsen) stieß bei der Kommunalpolitik auf große Bedenken, da sich umfangreiche Beziehungen zur AfD-nahen Atlas-Initiative, zur Reichsbürgerbewegungund zur Partei Freie Sachsen (2021) nachweisen lassen.[19]
Leugnung des menschengemachten Klimawandels
Gebel war Mitinitiator des Portals klimafragen.org. Es sammelte Fragen an bundespolitische Parteien und die Bundesregierung, die die menschengemachte globale Erwärmung und den Sinn der Gegenmaßnahmen in Frage stellen. Mitwirkende sind u. a. Vera Lengsfeld und Carlos Gebauer.[20]
Veröffentlichungen
- Der Treuhandgedanke und die Bewahrung der biologischen Vielfalt. Pro Universitate, Berlin 1998, ISBN 978-3-932490-39-2.
- Freie Privatstädte. Aquila Urbis, Walldorf 2018, ISBN 978-3-00-059289-8.
Literatur
- Christoph Seidler: Deutschlands verborgene Rohstoffe: Kupfer, Gold und Seltene Erden Auszug in: Spiegel Online vom 27. August 2012. Carl Hanser Verlag, München 2012. ISBN 978-3-446-43213-0.
- Thomas Fuster: Leben ohne staatliche Gängelung. In: Neue Zürcher Zeitung. 25. Juni 2017.
- Malte Fischer und Jan Guldner: Wenn das Leben ohne Staat möglich wird In: Wirtschaftswoche. 17. Dezember 2017.
- René Scheu: Unsere Smartphones verbessern wir ständig In: Neue Zürcher Zeitung. 6. November 2018.
- Andreas Kemper: Privatstädte. Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus. Unrast Verlag, Münster 2022. ISBN 978-3-89771-175-4.
Weblinks
- Website der Free Cities Foundation
- Website von Titus Gebel
- Alle Kolumnen von Titus Gebel bei The European
- Kurzbiographie und Rezension zu Titus Gebel bei perlentaucher.de
- Website zu „klimafragen.org“ von Dr. Titus Gebel, Annette Heinisch, Carlos A. Gebauer und Dr. Peter Heller
- Interview mit Titus Gebel bei Business Reporter
Einzelnachweise
- Andreas Kemper: Private Städte – exklusiv und antidemokratisch. In: Frankfurter Rundschau. 2. Februar 2022, abgerufen am 2. Dezember 2023.
- Titus Gebel: Ein Vorschlag für eine alternative Ordnung. In: The European. 21. August 2018, abgerufen am 2. Dezember 2023.
- Business Leaders Biography. In: marktscreener.com. Abgerufen am 27. August 2019.
- Martin W. Buchenau, Regine Palm: Deutschlands geheimer Rohstoffriese. In: Handelsblatt, 27. August 2019.
- Daniela Schröder: Aufstieg einer Start-up-Firma: Rohstoff-Zwerg aus Heidelberg. In: Spiegel Online, 7. November 2011.
- Angaben zur Aktie bei Finanzen100.de
- Geschäftsbericht der Deutsche Rohstoff AG 2018. (Memento vom 29. August 2019 im Internet Archive)
- Christian Siedenbiedel: Jetzt wieder Öl aus Hessen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Januar 2018.
- Titus Gebel: Privatstadt heisst die neue Heimat. In: Neue Zürcher Zeitung, 10. Juni 2017.
- Titus Gebel: Freie Privatstädte. Aquila Urbis, Walldorf 2018, S. 186ff.
- Titus Gebel: Sind Sie ein Untertan?. In: Neue Zürcher Zeitung, 21. Juni 2016.
- René Scheu: Unsere Smartphones verbessern wir ständig In: Neue Zürcher Zeitung. 6. November 2018.
- Malte Fischer und Jan Guldner: Wenn das Leben ohne Staat möglich wird. In: Wirtschaftswoche, 17. Dezember 2017.
- Sebastian Mallaby: The Politically Incorrect Guide to Ending Poverty. In: The Atlantic, July/August 2010 Issue.
- Luis Friedrich: Internationalismus konkret – exklusiv und antidemokratisch – Wie die Privatstädte den Neoliberalismus in Reinform reproduzieren! (findet nur online statt). In: NaturFreunde Deutschlands | Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur. 15. Juni 2022, abgerufen am 14. Juni 2023.
- Daniel A. Gottschald. In: tumheilbronn-ggmbh.de. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
- Honduras: Private Stadt für Reiche. In: Das Erste - Weltspiegel. 5. Februar 2023, abgerufen am 17. Juni 2023.
- Titus Gebel: Markt des Zusammenlebens. In: Schweizer Monat, Ausgabe 1060 - Oktober 2018.
- Stefanie Dodt, Marlon Kumar: Privatstadt-Bewegung: Das libertäre Experiment von Mittelsachsen. In: Tagesschau. Norddeutscher Rundfunk, ARD, 8. Juni 2023, abgerufen am 14. Juni 2023.
- Klimafragen.org (archivierte Version). In: klimafragen.org. Abgerufen am 14. März 2024.