Tirolit

Tirolit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ mit der chemischen Zusammensetzung Ca2Cu9(AsO4)4(CO3)(OH)8·11H2O[4] und damit chemisch gesehen ein komplexes wasserhaltiges Calcium-Kupfer-Arsenat-Carbonat mit zusätzlichen Hydroxidionen.

Tirolit
Radialstrahlige Tirolitbüschel auf Matrix aus der Centennial Eureka Mine (Blue Rock), östliche Tintic Mountains, Juab County, Utah (Gesamtgröße: 6,5 cm × 44,7 cm × 4,4 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Tyl[1]

Andere Namen
Chemische Formel
  • Ca2Cu9(AsO4)4(CO3)(OH)8·11H2O[4]
  • Ca2Cu9[(OH)5|(AsO4)2]2·10H2O[5]
  • Ca2Cu9[(OH)10|(AsO4)4]·10H2O[5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Phosphate, Arsenate und Vanadate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VII/D.09
VII/D.54-020

8.DM.10
42.04.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe je nach Strukturtyp P2/c (Nr. 13)Vorlage:Raumgruppe/13 oder C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15, siehe #Kristallstruktur
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte ≈ 2[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,25; berechnet: 3,27[6]
Spaltbarkeit glimmerähnlich vollkommen nach {001}[6]
Bruch; Tenazität schneidbar, in dünnen Flocken biegsam[6]
Farbe grünspangrün bis hellapfelgrün, möglicherweise auch himmelblau; im Durchlicht hellgrün[6]
Strichfarbe hellgrün oder hellblau[6]
Transparenz durchscheinend[6]
Glanz Glasglanz; Perlglanz auf Spaltflächen[6]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,694[7]
nβ = 1,726[7]
nγ = 1,730[7]
Doppelbrechung δ = 0,036[7]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 33° bis 39° (gemessen), 38° (berechnet)[7]

Tirolit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt schuppige bis leistenförmige Kristalle von etwa drei Millimeter Größe, die typischerweise zu blättrigen bis faserigen, fächerförmigen bis radialstrahligen Mineral-Aggregaten verbunden sind oder krustige Überzüge bilden. Auch Pseudomorphose von Tirolit nach Fahlerz sind bekannt.[8] Das durchscheinende Mineral ist von hellgrüner bis hellblauer Farbe mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Die Kristalle zeigen eine vollkommene, glimmerähnliche Spaltbarkeit mit einem perlmuttähnlichen Glanz auf den Spaltflächen.

Etymologie und Geschichte

Die Erstbeschreibung des Minerals erfolgte durch Abraham Gottlob Werner und wurde 1817 postum veröffentlicht. Dessen Bezeichnung als Kupferschaum bezog er sich auf das „schaumige“ Aussehen der untersuchten Proben. Werners Beschreibung zufolge war Kupferschaum zwar schon länger bekannt, wurde aber oft für Chalkophyllit (auch Kupferglimmer) oder Malachit gehalten, obwohl „er sich doch von beiden sehr wesentlich und leicht unterscheiden lässt“. Die von ihm untersuchten Proben waren vom äußeren Erscheinungsbild her der Kobaltblüte Erythrin ähnlich, jedoch aufgrund der spangrünen Farbe nach, die teilweise ins Himmelblaue überging, unverwechselbar. Als Fundorte für das Mineral gab Werner das Bannat (korrekt wohl Banat) und Libethen (heute Ľubietová) in Ungarn, Sa(a)lfeld (Grube „In fröhlicher Hoffnung“) in Thüringen und Schwaz in Tirol (Österreich) an.[2]

In seinem 1845 veröffentlichten Werk Handbuch der Bestimmenden Mineralogie bemüht sich Wilhelm von Haidinger um eine systematische Aufstellung der bis dahin bekannten Malachite (IV. Ordnung). Neben dem rhomboedrischen Chalkophyllit und dem pyramidalen Uranit (heute Torbernit) führt er auch das hier als Tirolit (Synonyme Kupferschaum und Kupaphrit) bezeichnete Mineral unter dem Oberbegriff Euchlormalachit in der VII. Abteilung.[9] Der von Haidinger geprägte Name nimmt Bezug auf den von Werner genannten Fundort in Tirol und setzt sich schließlich in der Mineralogischen Fachwelt durch.

Die von Charles Upham Shepard 1835 verwendete Bezeichnung Kupaphrit[3] verbreitete sich dagegen nicht und ist heute ungebräuchlich.

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial von Tirolit ist nicht bekannt.[10]

Klassifikation

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tirolit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Wasserhaltigen Phosphate, Arsenate und Vanadate mit fremden Anionen“, wo er zusammen mit Akrochordit die „Akrochordit-Tirolit-Gruppe (mit ungefähr 2 OH pro RO4)“ mit der System-Nr. VII/D.09 und den weiteren Mitgliedern Arthurit und Chenevixit bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VII/D.54-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Wasserhaltige Phosphate, mit fremden Anionen“, wobei in den Gruppen VII/D.25 bis 57 die Minerale mit mittelgroßen bis sehr großen Kationen (Al-Mg und Ca-Na-K) eingeordnet sind. Tirolit bildet zusammen mit Bleasdaleit, Richelsdorfit, Tangdanit (ehemals Klinotirolit) eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe.[11]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tirolit in die Abteilung der „Phosphate usw. mit zusätzlichen Anionen; mit H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis der zusätzlichen Anionen zum Phosphat-, Arsenat- bzw. Vanadat-Komplex, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit großen und mittelgroßen Kationen; (OH usw.) : RO4 > 2 : 1“ zu finden ist, wo es zusammen mit Tangdanit die „Tirolit-Klinotirolit-Gruppe“ mit der System-Nr. 8.DM.10 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tirolit ebenfalls in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 42.04.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)5(XO4)2Zq × x(H2O)“ zu finden.

Kristallstruktur

Von Tirolit sind bisher zwei Polytype bekannt, die beide im monoklinen Kristallsystem, jedoch in verschiedenen Raumgruppen mit abweichenden Gitterparametern kristallisieren:

Bildung und Fundorte

Himmelblauer Tyrolit, grüner Cornwallit und nachtblauer Klinoklas auf Matrix aus dem Bergbaugebiet Bartolomej, Novoveská Huta, Bezirk Spišská Nová Ves, Ostslowakei (Größe: 95 mm × 48 mm × 52 mm)

Tirolit bildet sich typischerweise sekundär durch Umwandlung von Tennantit in der Oxidationszone hydrothermaler Kupfer-Lagerstätten. Neben Tennantit können als Begleitminerale weitere Kupferminerale wie unter anderem Azurit, Malachit, Brochantit und Chrysokoll auftreten.[6]

Als eher seltene Mineralbildung kann Tirolit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Weltweit sind bisher rund 270 Fundstätten dokumentiert (Stand 2022).[14] Als Typlokalität für Tirolit gilt das Bergbaurevier Falkenstein, wo das Mineral im Antonistollen, Bründlstollen, Wilhelm-Erbstollen und auf den Halden vom Kogelmoos entdeckt wurde. Des Weiteren kennt man Tirolit im Bezirk Schwaz noch bei Burgstall, im heutigen Besucher-Silberbergwerk Schwaz und im Revier Ringenwechsel (Roggland, Martinstollen). Weitere bekannte Fundorte in Österreich liegen unter anderem in den ebenfalls in Tirol befindlichen Bezirken Kufstein (Brixlegg, Scheffau am Wilden Kaiser, Wildschönau) und Landeck sowie verschiedene Fundstätten in Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark, Oberösterreich und Vorarlberg.

In Deutschland fand sich Tirolit bisher in der Region Freiburg wie unter anderem der Grube Clara bei Oberwolfach und der Grube Heidelwerk bei Schlächtenhaus sowie in der Region Karlsruhe wie unter anderem im Bergrevier Neubulach und verschiedenen Gruben im Landkreis Freudenstadt in Baden-Württemberg, in den bayerischen Bezirken Oberpfalz (Erbendorf) und Unterfranken (Landkreis Aschaffenburg), den hessischen Bezirken Darmstadt, Gießen und Kassel sowie an einigen Fundstätten in Niedersachsen (St. Andreasberg, Bad Lauterberg), Nordrhein-Westfalen (Extertal, Porta Westfalica), Rheinland-Pfalz (Imsbach, St. Goarshausen), Saarland (Düppenweiler), Sachsen (Erzgebirgskreis, Freiberg) und Thüringen (Ilm-Kreis, Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Wartburgkreis).

In der Schweiz wurde das Mineral bisher im Bergwerk Grosses Chalttal und in der Grube Hochmättli auf der Mürtschenalp im Kanton Glarus, in den Bergwerken Surmin (auch Surminer Rüfe) bei Filisur und Ursera bei Andeer sowie am Tieftobel bei Schmitten im Kanton Graubünden und in der Grube Six-Blanc im Val de Bagnes, den Alpinen Klüften im Gebiet Wannigletscher-Scherbadung und einigen Gruben in der Gemeinde Anniviers im Kanton Wallis gefunden.

Bekannt aufgrund reichhaltiger Tirolitfunde in Aggregaten sind auch die Majuba-Hill-Mine im Bergbaubezirk Antelope des Pershing Countys in Nevada und der Bergbaubezirk Tintic im Juab County in Utah, USA.[15]

Weltweit kennt man Tirolit noch aus Bulgarien, Chile, China, Frankreich, Griechenland, Iran, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Mexiko, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, der Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, im Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales) und einigen weiteren Staaten in den USA.[16]

Siehe auch

Literatur

  • A. G. Werner: Abraham Gottlob Werner's letztes Mineral-System. Aus dessen Nachlasse auf oberbergamtliche Anordnung herausgegeben und mit Erläuterungen versehen. Craz, Gerlach and Gerold, Freiberg 1817, S. 50–51 (rruff.info [PDF; 375 kB] 51) Kupferschaum).
  • Wilhelm Haidinger: Handbuch der Bestimmenden Mineralogie. Braumüller und Seidel, Wien 1845, S. 506–511 (rruff.info [PDF; 342 kB] Zweite Klasse: Geogenide. IV. Ordnung. Malachite. VII. Euchlormalachit. Tirolit).
  • Sergey V. Krivovichev, Dimitrii Yu. Chernyshov, Nicola Döbelin, Thomas Armbruster, Volker Kahlenberg, Reinhard Kaindl, Giovanni Ferraris, Richard Tessadri, Gerard Kaltenhauser: Crystal chemistry and polytypism of tyrolite. In: American Mineralogist. Band 91, 2006, S. 1378–1384 (englisch, rruff.info [PDF; 209 kB]).
  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 184.
Commons: Tyrolite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. A. G. Werner: Abraham Gottlob Werner's letztes Mineral-System. Aus dessen Nachlasse auf oberbergamtliche Anordnung herausgegeben und mit Erläuterungen versehen. Craz, Gerlach and Gerold, Freiberg 1817, S. 50–51 (rruff.info [PDF; 375 kB; abgerufen am 24. April 2022] 51) Kupferschaum).
  3. Albert Huntington Chester: A dictionary of the names of minerals including their history and etymology. John Wiley & Sons, New York 1896, S. 148 (englisch, online verfügbar bei archive.org Internet Archive [abgerufen am 24. April 2022]).
  4. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2022. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2022, abgerufen am 24. April 2022 (englisch).
  5. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 518 (englisch).
  6. Tyrolite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 24. April 2022]).
  7. Tyrolite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 24. April 2022 (englisch).
  8. Bildbeispiel einer Pseudomorphose von Tirolit nach Fahlerz aus dem Danielstollen, Bergbaugebiet Schwarzleo, Schwarzleograben, Hütten, Leogang, Bezirk Zell am See, Salzburg, Österreich. In: mindat.org. 16. August 2020, abgerufen am 24. April 2022.
  9. Wilhelm Haidinger: Handbuch der Bestimmenden Mineralogie. Braumüller und Seidel, Wien 1845, S. 506–511 (rruff.info [PDF; 342 kB; abgerufen am 24. April 2022] Zweite Klasse: Geogenide. IV. Ordnung. Malachite. VII. Euchlormalachit. Tirolit).
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – T. (PDF 222 kB) Commission on Museums (IMA), 10. Februar 2021, abgerufen am 24. April 2022.
  11. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 24. April 2022 (englisch).
  13. Sergey V. Krivovichev, Dimitrii Yu. Chernyshov, Nicola Döbelin, Thomas Armbruster, Volker Kahlenberg, Reinhard Kaindl, Giovanni Ferraris, Richard Tessadri, Gerard Kaltenhauser: Crystal chemistry and polytypism of tyrolite. In: American Mineralogist. Band 91, 2006, S. 1379 (englisch, rruff.info [PDF; 209 kB; abgerufen am 24. April 2022]).
  14. Tirolit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 24. April 2022.
  15. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 184.
  16. Fundortliste für Tirolit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 24. April 2022.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.