Thorsten Kreissig

Thorsten Michael Kreissig (* 2. Oktober 1963 in Reutlingen) ist ein deutscher Regisseur, Choreograph, Schauspieler, Script Doctor, Balletttänzer, Theater- und Sportpädagoge, Performance- und Konzeptkünstler.[1]

Thorsten Kreissig, 2016

Leben und Darstellende Künste

Kreissig ist Sohn einer Ballettlehrerin und eines Konzertveranstalters. Er arbeitete bereits für das Theater des Westens Berlin, die Staatsoper Unter den Linden Berlin, das Bayerische Staatsschauspiel München, das Opernhaus Graz, die Internationalen Musikfestwochen Luzern, das Württembergische Staatstheater Stuttgart, das Stadsteater Malmö, die Türkische Staatsoper Izmir und das Kennedy Center Washington. Parallel zu seinem künstlerischen Wirken engagiert er sich in der Bildungsarbeit und hat Projekte für Stiftungen begleitet und entwickelt.

Tänzer

Zunächst durchlief er eine Ausbildung zum klassischen Tänzer an der Stuttgarter John-Cranko-Schule. Im Rahmen von Vorstellungen des Stuttgarter Balletts hatte er erste Solorollen, u. a. als Zarewitsch in Anastasia von Kenneth McMillan. Außerdem war er Gaststudent an der Académie de Danse Princesse Grace in Monaco und bei den Kölner Tanzwochen, wo er auch Stepptanz sowie Pantomime u. a. bei Samy Molcho belegte. Er nahm erfolgreich an mehreren Wettbewerben teil. 1982 erhielt er die Silbermedaille beim deutschen Ballettwettbewerb „Jugend und Ballett“ und nahm 1986 auch erfolgreich am Internationalen Ballettwettbewerb in Varna (Bulgarien) teil, wo er den 6. Platz belegte. Von 1986 bis 1990 war er fest als Solist am Ballett der Niedersächsischen Staatsoper Hannover engagiert, wo er u. a. als Puck im Sommernachtstraum, Benno in Schwanensee oder Petruschka im gleichnamigen Ballett zu sehen war.

Ab 1990 arbeitete er freischaffend und trat u. a. als Teufel in Birgit Cullbergs Kampen um Kungakronen am Stadsteater Malmö und als Mercutio in Tom Schillings Romeo und Julia auf. Ab 1992 stellte er seine Karriere als Tänzer in den Hintergrund. 2007 wurde er beim Stuttgarter Ballett als Jacques Offenbach in Maurice Béjarts Gaîté Parisienne besetzt, doch er zog sich eine Woche vor der Premiere eine schwere Verletzung zu. Im Herbst 2007 übernahm er dann die Rolle der Gouvernante in David Lichines Kadettenball im Nationaltheater München.

Schauspiel- und Musicalkarriere

In Hannover nahm Kreissig Schauspiel- und Gesangsunterricht und verkörperte u. a. den Puck in Carl Maria von Webers Oberon. Im Mai 1990 gab er mit dem Soloprogramm „The Funtom of the Opera“ sein Debüt als Entertainer. 1991 gewann er den Ersten Preis beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin. 1992 wirkte er bei der Uraufführung von Bombenstimmung – Die Ufa Revue im Kennedy Center in Washington und bei der Europäischen Erstaufführung im Berliner Theater des Westens mit. Zu seinem Repertoire zählten weiterhin der „Conférencier“ in Cabaret, „Riff“ in Leonard Bernsteins West Side Story, der „Sigismund“ im Weißen Rössl, den er in mehreren En-Suite-Produktionen in der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin und der Komödie im Bayerischen Hof in München verkörperte sowie „Cosmo Brown“ in Singin’ In The Rain, im Film verkörpert von Donald O’Connor.

Choreograph

Schon während der Ausbildung zum Tänzer schuf Kreissig zahlreiche kurze Stücke für die Schulvorstellungen der John-Cranko Schule. Auch in Hannover arbeitet er als Choreograph zunächst für das Schauspiel, später auch für Ballett und Oper. 1988 wurde er von Konstanze Vernon eingeladen, für die Kooperation der Heinz-Bosl-Stiftung und der Münchner Philharmoniker eine Choreographie von Prokoffievs Peter und der Wolf zu erarbeiten. 1991 schuf er mit Traumschweig seine erste Auftragschoreographie anlässlich des 300-jährigen Jubiläums des Staatstheaters Braunschweig.

Ballettdirektor

Nach seiner Teilnahme 1991 am 1. Internationalen Choreographenwettbewerb der Min-On Stiftung in Tokyo, wurde er von 1992 bis 1996 als damals jüngster Ballettdirektor und Chefchoreograph der Schweiz am Luzerner Theater engagiert. Mit seiner Truppe aus technisch und künstlerisch herausragenden Tänzern baute er ein umfangreiches Repertoire auf, das von neoklassischen Werken über hintergründige Adaptionen großer klassischer Handlungsballette bis hin zum modernen Tanztheater reichte. Jährliche Beiträge zu den Internationalen Musikfestwochen Luzern etablierten seinen Ruf als Realisator außergewöhnlicher, spartenübergreifender Theaterproduktionen und Open-Air Events. So realisierte er 1992 mit Les Mariés de la Tour Eiffel ein absurdes Sprechtheater nach Jean Cocteau zur Musik der Groupe des Six, 1993 einen kompletten Abend zu Werken des Composers in Residence Alfred Schnittke und 1995 schließlich unter dem Titel Pictures in the Park ein Open-Air-Spektakel mit Jazzmusikern und Tänzern rund um das Richard-Wagner-Museum in Tribschen.

Theaterregisseur

Von 1996 arbeitete Kreissig wiederum freischaffend und setzte seinen Fokus auf als Regiearbeiten im Musiktheater, wobei er oft Regie und Choreographie in Personalunion lieferte. Seine West Side Story in Gera war die erste Produktion in Deutschland, die gemäß den neuen Verlagsrichtlinien in den 50er Jahren angesiedelt war. Kreissig führte mit Ballett, Schauspiel und Oper alle Sparten des Hauses mit Gästen aus dem Musicalbereich zusammen. Eine mehrjährige Kooperation entwickelte sich mit dem Festival Rossini in Wildbad, wo sein Sinn für untergründige Komik in Verbindung mit bekannten und unbekannten Belcanto Opern faszinierte. Schon 1992 hatte er die deutsche Erstaufführung von Rossinis L’equivoco stravagante betreut, 2005 folgte L’occasione fa il ladro und 2007 L’italiana in Algeri Dubai. In mehr als 120 Produktionen unterschiedlichster Stilrichtungen – von Straßen-Opern, Tanzabenteuern, Modenschauen und Erlebnis-Events hat er die Grenzen künstlerischen Erlebens immer wieder ebenso humorvoll wie effektiv erweitert. Ab Mitte der 1990er Jahre arbeitete er zunehmend auch als Autor fürs Theater. Es entstanden Filmrevuen und diverse Solo- und Duoprogramme.

Kulturvermittler – Theaterpädagoge

Die theaterpädagogische Arbeit mit Laien und Semiprofis jeder Altersstufe stellen einen weiteren Schwerpunkt dar. Nach ersten Balletten für und mit Kindern wandte er sich auch hier stärker den schauspielerischen Aspekten zu. 1998 unterrichtete er an der Bayerischen Theaterakademie in der Abteilung Musical. 2000–2003 assistierte er Rolf Reuter beim Dirigierunterricht an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.

2007 brachte seine Aktion Dance the Cranko im Rahmen des von ihm entwickelten Festivals Cranko Moves in Stuttgart die ganze Stadt zum Tanzen - das erste Public Viewing für Tanz in Europa.[2][3] 2009 schickte er für die Kinderturnstiftung Baden-Württemberg über 150 begabte Turnkinder in Turnhallen mit der Katze Kim auf eine große Weltreise. 2011 entwickelte er unter dem Titel Köln denkt mit für die Hochbegabtenvereinigung Mensa ein Infotainment-Veranstaltungskonzept, das das erfolgreiche amerikanische Bildungsformat der TED Talks weiterentwickelt und auch den Live Event kostenlos zugänglich machte. 2021–2022 hatte er einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Mannheim für Bewegungsunterricht für Sänger.

Die Verbindung von Kultur und Sport hat im Wirken von Kreissig einen hohen Stellenwert. So thematisierte er in seinen Stücken zum einen sportliche Ereignisse: so inspirierte Boris Beckers Karriere die Figur eines Tennisspielers in Nach Ansage (1986), in Traumschweig (1991) war eine Rolle als „Der Sportler“ ausgewiesen. Im Oktober 2009 entwickelte Kreissig einer Kinderturnshow mit über 120 Mitwirkenden für den Schwäbischen Turnerbund und die Kinderturnstiftung Baden-Württemberg.

Verbindung Kunst, Bildung und Wissenschaft

Kreissig verbindet Kunst, Bildung und Wissenschaft, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und zu begleiten. Er arbeitet als Wissenschaftskommunikator, Kommunikationscoach und Trainer in verschiedenen Bereichen. So u. a. für die Unternehmensgründer an der Leuphana Universität in Lüneburg, die jDPG, den Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure, als Gastdozent an der Hochschule für Sport in Stuttgart, sowie bei EPALE - Elektronische Plattform für Erwachsenenbildung in Europa.[4] Bei der BerlinScienceWeek stieß er 2022 und 2023 Projekte rund um KI und Klimawandel an.[5] Seit 2019 beschäftigt er sich zudem mit Robotern, Drohnen und Künstlicher Intelligenz.[6][7] U&I-Robotic-Dance war der erste Flash-Mob für Roboter.[8] 2022 entstanden in Kooperation mit der Universität Luxemburg mehrere Art&AI-Konzepte für die Europäische Kulturhauptstadt Esch2022, darunter Singularity42, Out of the Loop und DEUS-X-MACHINA – Der Theologische Turing Test.[9] Zivilgesellschaftliches Engagement: Seit 2020 ist Kreissig Mitglied von Scientists4Future und entwickelt gemeinsam mit vielen Kollegen Projekte rund um die Klimakrise, darunter die Zukunftsbilder.[10]

Wettbewerbe, Preise und Auszeichnungen

  • 1991: 1. Preis des Regierenden Bürgermeisters beim Bundeswettbewerb Gesang Berlin[11]
  • 1991: Einladung und Teilnahme beim „1. Internationalen Choreographenwettbewerb“ in Tokyo (23 weltweit ermittelte Teilnehmer)
  • 1989: Finalist beim Bundesdeutschen Gesangswettbewerb „Musical und Chanson“
  • 1988: Sechster Platz beim Internationalen Ballettwettbewerb in Varna
  • 1988: Kulturförderpreis der Zeitschrift Nobilis
  • 1982: Silbermedaille beim Bundesdeutschen Ballettwettbewerb „Jugend und Ballett“

Werkliste

Regie Oper / Operette / Musical (Auswahl)

I love you, you’re perfectStaatstheater Cottbus2012
I love you, you’re perfectLandesbühnen Sachsen, Radebeul2010
Italiana in Algeri DubaiRossini in Wildbad2008
Trazom KiasomHerrenhausen Festival Hannover2006
I GelosiRossini in Wildbad2006
Happy Birthday, Mozart!Theater Ingolstadt2006
L’occasione fa il ladroRossini in Wildbad2005
West Side StoryTheater Altenburg Gera2005
PolenblutTheater Görlitz2004
Gräfin Mariza (Coregie)Theater Vorpommern2004
Rocky Horror ShowStädtebundtheater Hof1997
La CenerentolaVereinigte Bühnen Graz, Österreich1995
L' Equivoco StravaganteRossini in Wildbad1993

Weitere Regien für Musiktheater (Auswahl)

Dance Dinner for OneTheatre La Fourmi, Luzern2010
Kims grosse ReiseKinderturnstiftung Baden-Württemberg2009
Building Europe NowLandessportbund NRW, Europaprojekt2003
ReewüühLandesjugendchor Niedersachsen2002
Spass mit SatieMünchner Philharmoniker2000
Peter und der WolfStaatstheater Cottbus2000
Geschichte vom SoldatenDeutsche Staatsoper Unter den Linden, Berlin1999
Die WinterreiseTanztheater Hannover1997
Wir machen Musik (Filmrevue)Opernhaus Halle1995
Die Hochzeit auf dem EiffelturmInternationale Musikfestwochen Luzern1992

Choreographien für Musical, Oper und Operette

Die DreigroschenoperTheater Ingolstadt2005
West Side StoryTheater Altenburg Gera2005
PolenblutTheater Görlitz2004
Gräfin MarizaTheater Vorpommern2004
Der Zauberer von OozAnhaltisches Theater Dessau2003
Der VogelhändlerStaatstheater am Gärtnerplatz, München2001
Die ZauberflöteStaatstheater am Gärtnerplatz, München2000
Im Weissen RösslKomödie am Kudamm, Berlin2000
Fellini – FelliniSchillertheater NRW1999
Geschichte vom SoldatenStaatsoper Unter den Linden, Berlin1999
Fifty – Fifty (50er Jahre Revue)Konzertdirektion Landgraf1998
La Cage aux FollesBernhard Theater, Zürich1998
Der Mann von La ManchaClingenburg Festspiele1998
DreigroschenoperBayerisches Staatsschauspiel1998
Hello DollyStaatsoper Hannover1997
Die verkaufte BrautTheater Basel1996
Tante Tilly und die tollen ZwanzigerStaatsoper Hannover1996
CabaretStadttheater Luzern1993
Jesus Christ SuperstarSchlossfestspiele Ettlingen1992
Orpheus in der UnterweltStaatsschauspiel Hannover1989
PräriesaloonNeues Theater Hannover1988
Linie 1Staatsschauspiel Hannover1988

Choreographien Ballette (Auswahl)

Bir Kumru MasaliStaatsoper Izmir (Türkei)2007
Game Over, PetruschkaMainfrankentheater Würzburg2004
Hamlet AssoziationenRossini in Wildbad1996
Crazy ClipsLuzerner Ballett1995
Research I-V (Musik: Rolf Schimmermann)Luzerner BallettUA 1995
Rossini SpitzenRossini in Wildbad1995
Coppélia oder der SandmannLuzerner Ballett1995
pictures in the ParkInternationale Musikfestwochen Luzern1994
Der FeuervogelLuzerner Ballett1994
Peer!Luzerner Ballett1994
Konzert für Klavier und StreicherInternationale Musikfestwochen Luzern1993
DornröschenLuzerner Ballett1993
Die Hochzeit auf dem EiffelturmInternationale Musikfestwochen Luzern1992
RossinianasPalau de Musica, Valencia (Spanien)1992
The TripChoreographenwettbewerb Tokyo1991
TraumschweigStaatstheater Braunschweig1991
DIGITSStadsteater Malmö (Schweden)1990
Die Zauberflöte (komplette Ballettversion)Theater am Aegi (Hannover)1988

Rollenrepertoire Schauspiel & Musical (Auswahl)

Cosmo BrownSingin‘ in the RainRegie: Dirk BöhlingLandestheater Detmold2008
GouvernanteKadettenballChor.: David LichineHeinz-Bosl-Stiftung München2007
OffenbachGaité ParisienneChor.: Maurice BéjartStuttgarter Ballett2007
PapstMarquis de SadeRegie: Gregor SeyffertAnhaltisches Theater Dessau2006
Captain Sunny HillBlume von HawaiiRegie: Andrea SchwalbachDeutsche Staatsoper Unter den Linden2003/04
Leierkastenmann WilliLieber LeierkastenmannRegie:Opernhaus Halle2002
Sigismund SülzheimerDas weiße RösslRegie: Ralf RossaOpernhaus Halle2002
MerkurOrpheus i.d. UnterweltRegie: Karl AnsengerOpernhaus Halle2001/02
RiffWest Side StoryRegie: Bernd PalmaOpernhaus Halle2001
Cosmo BrownSingin‘ in the RainRegie: Renate RochellStädtebundtheater Hof2001
Erik SatieSpaß mit Erik SatieRegie: Thorsten KreissigMünchener Philharmoniker2000
Prinz OrlofskyDie FledermausRegie: Beat WyrschPOC, Pocket Opera Nürnberg1999
Teufel, PrinzessinGeschichte vom SoldatenRegie: Thorsten KreissigDeutsche Staatsoper Unter den Linden1999
Hauptrolle (Wechselnde Charaktere)Fifty-FiftyRegie: Uwe NielsenKonzertdirektion Landgraf1999
Sigismund SülzheimerDas weiße RösslRegie: Franz WinterKomödie im Bayerischen Hof, München1997/98
Barnaby TuckerHello DollyRegie: Karl WesselerStaatsoper Hannover1997
Diverse RollenTante Tilly & die 20erRegie: Charles EbertStaatsoper Hannover1997/98
ConférencierCabaretRegie: Michael WedekindStadttheater Luzern1993/94
HitlerUfA – RevueRegie: Jürg BurthTheater des Westens, Berlin1992

Literatur

Commons: Thorsten Kreissig – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim, Thorsten Kreissig
  2. Crew United: Cranko moves Stuttgart - Dance the Cranko, Stuttgart 2007
  3. 'Dance the Cranko' auf Youtube
  4. EPALE-Interview: Thorsten Kreissig (TeeKay): Kunst als Denkanstoß für gesellschaftlichen Wandel, 20. Dezember 2021
  5. Berlin Science Week: Der Künstler TeeKay Kreissig über seinen visionären Arbeitsplatz
  6. Teekay Kreissig - Art & AI projects
  7. Artificial Intelligence and Art, Hangzhou, China, 11. September 2023
  8. Science Center experimenta - U&I Robotic-Dance
  9. DEUS-X-MACHINA – Der Theologische Turing Test
  10. Die Zukunftsbilder
  11. Bundeswettbewerb Gesang Berlin - Preisträger:innen Musical/Chanson 1979-2021
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