Josef Thorak

Josef Thorak, auch Joseph Thorak (* 7. Februar 1889 in Wien;[1]25. Februar 1952 in Schloss Hartmannsberg, Bad Endorf, Bayern), war ein österreichischer Bildhauer und Medailleur.[2] Nach Arno Breker, der von Albert Speer in die künstlerische Ausgestaltung von Bauten der geplanten Welthauptstadt „Germania“ einbezogen wurde, galt Thorak als populärster Bildhauer im „Dritten Reich“ und gehörte wie Breker, Georg Kolbe, Fritz Klimsch, Richard Scheibe und Adolf Wamper zu den meistbeschäftigten Bildhauern des NS-Regimes.

Josef Thorak, gemalt von Fritz Erler (1939)
Erbbegräbnis Franz Ullstein, Friedhof Heerstraße, Berlin um 1928
Arbeit (1928)…
…und Heim stehen sich gegenüber, in der Knobelsdorffstraße in Berlin-Westend
Paracelsusstatue von Josef Thorak im Kurpark von Salzburg

Leben

Josef Thorak erlernte zunächst wie sein Vater das Töpferhandwerk, wandte sich jedoch bereits früh der Bildhauerei zu. So studierte er von 1910 bis 1914 an der Wiener Kunstakademie bei Anton Hanak, Josef Müllner und Josef Breitner und beendete sein Studium in Berlin, wo er Meisterschüler von Ludwig Manzel wurde.[3]

In den 1920er Jahren machte er sich vor allem durch Plastiken in Wachs einen Namen. 1925–1926 ließ er sich in Bad Saarow, Moorstraße 1, nach Plänen des (jüdischen) Architekten Harry Rosenthal ein Atelier- und Sommerhaus bauen.[4] Bereits 1928 wurde Thorak mit dem Staatspreis der Preußischen Akademie der Künste ausgezeichnet. Er entwarf den „Palmensaal“ der Berliner Großgaststätte Haus Vaterland, die 1928 nach dem großen Umbau eröffnet wurde. Im selben Jahr stellte Thorak als Mitglied des Deutschen Künstlerbundes im Künstlerhaus Sophienstraße auf der DKB-Jahresausstellung in Hannover die Skulptur Mädchen aus.[5]

Thoraks Hang zur Monumentalplastik brachte ihm ab den 1930er Jahren eine Reihe von Staatsaufträgen ein, vor allem in der Türkei. So schuf er 1934 das nationale türkische Befreiungsdenkmal, das in Eskişehir gebaut wurde. Hier arbeitete er mit Clemens Holzmeister zusammen und lernte Gudrun Baudisch kennen, die er später in Berlin förderte. Ab 1932 stand ihm sein Nachbar in Bad Saarow, der Boxer Max Schmeling, für sieben Jahre Modell, welchen er in der Bronzeplastik Faustkämpfer für das Reichssportfeld in Berlin 1936 verewigte. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, 1933, ließ er sich von seiner jüdischen Frau Hilda, geb. Lubowski, scheiden.[6] Sie und der gemeinsame Sohn Peter emigrierten und galten nach Kriegsende als verschollen.[7]

1934 gehörte er nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu den Unterzeichnern des Aufrufs der Kulturschaffenden zur „Volksbefragung“ über die Vereinigung des Reichspräsidenten- und Reichskanzleramts in der Person Hitlers.[6] Thoraks künstlerische Handschrift entsprach den offiziellen NS-Vorstellungen zur Kunst, so dass er während des „Dritten Reiches“ zu einem der meistbeschäftigten und -geförderten Künstler avancierte. So zeigte 1935 das Amt des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg eine große Werkschau Thoraks in Berlin.

1937 gestaltete er zwei Figurengruppen vor dem Deutschen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung, die Adolf Hitler als „Meisterleistung“ honorierte. Er ernannte Thorak zum Leiter einer Meisterklasse an der Akademie der Bildenden Künste München. Sein Atelier war im Kunstpavillon München.[8] Es folgten weitere Aufträge. So gestaltete er eine Siegesgöttin für das Märzfeld auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und die Schreitenden Pferde, zwei überlebensgroße Pferdeskulpturen, für die Gartenfront der Neuen Reichskanzlei in Berlin.

Von 1938 bis 1941 ließ Hitler dem bevorzugten Bildhauer im oberbayerischen Baldham (heute Gemeinde Vaterstetten) ein riesiges Atelier nach den Plänen von Albert Speer bauen, in dem bis zu 17 Meter hohe Plastiken aus einem Stück hergestellt werden konnten[9]. Dort entstand 1943 unter der Regie von Hans Cürlis und Arnold Fanck der Kurzdokumentarfilm Joseph Thorak – Werkstatt und Werk, produziert von Leni Riefenstahl.

Ein weiteres Projekt, das riesige Denkmal der Arbeit, das an der Reichsautobahn errichtet werden sollte, blieb jedoch unvollendet.

Thoraks ursprünglicher Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP (am 23. April 1941 gestellt) wurde verzögert, weil Hitler den Künstler persönlich in die Partei aufnehmen wollte. Am 30. Januar 1943 war es so weit, doch wurde die Mitgliedschaft auf den 30. Januar 1933 zurückdatiert.[10] Die Mitgliedskarte wurde am 28. Dezember 1942 ausgestellt (Mitgliedsnummer 1.446.035).[11][12]

Auch in der Endphase des Zweiten Weltkrieges blieb Thorak vom aktiven Kriegsdienst befreit, da er nicht nur auf der 1944 von Hitler erstellten Gottbegnadeten-Liste, sondern auch auf der Sonderliste mit den zwölf wichtigsten „unersetzlichen“ bildenden Künstlern benannt worden war.[6] Am Kunstraub Kajetan Mühlmanns war er als Hehler beteiligt und hatte bei ihm für Schloss Prielau sechs Skulpturen gekauft.[13]

Thorak überstand die Entnazifizierung unbehelligt: Die Spruchkammer München sprach ihn im Mai 1948 als „nicht betroffen“ frei. Zwei Berufungsverfahren, die 1949 und 1951 angestrengt wurden, endeten mit demselben Urteil.

1950 trat Thorak in Salzburg, wo er seine jungen Jahre verbracht hatte und später Erfolge feierte, wieder mit einer Einzelausstellung an die Öffentlichkeit. Er erhielt bis zu seinem plötzlichen Tod 1952 immer wieder öffentliche Aufträge. Thorak wurde auf dem Petersfriedhof Salzburg in der Familiengruft neben seiner Mutter beigesetzt.

Erna Thorak verstarb im Juni 2004 im Alter von 90 Jahren in Bayern. Sie war die letzte Frau des Künstlers. Als Alleinerbin hatte sie rechtzeitig ein zeitgeschichtliches Thorak-Archiv mit sachkundiger Führung initiiert.[14]

Im Salzburger Stadtteil Aigen ist eine Straße nach Thorak benannt. Das Josef-Thorak-Archiv bewahrt das Gedenken des Bildhauers.

Bronzeplastiken Schreitende Pferde

Bronzestatue Schreitendes Pferd in Ising am Chiemsee

Thoraks Schreitende Pferde galten seit Kriegsende als verschollen und wurden erst 1989 am Sportplatz des Sowjetischen Kasernengeländes in Eberswalde gefunden. Von dort verschwanden sie jedoch kurz nach ihrer Entdeckung und tauchten erst am 20. Mai 2015 zusammen mit Reliefs für die Welthauptstadt Germania von Arno Breker und einigen Skulpturen, darunter die beiden überlebensgroßen Bronzeplastiken Galathea und Olympia von Fritz Klimsch,[15] im Zuge einer bundesweiten Razzia in Bad Dürkheim auf.[16][17] In Vergleichsverhandlungen in dem Rechtsstreit um das Eigentum an den Skulpturen hat sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beklagten im Juli 2021 darauf geeinigt, dass dieser die beiden Bronzeskulpturen in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland herausgibt.[18] Ab 2022 sollen beide Pferde dauerhaft in der Zitadelle Spandau in Berlin ausgestellt werden.[19][20]

Mit einem dritten Pferd aus dem Besitz des Künstlers bezahlte im Jahr 1961 die Familie Thorak die Internatsgebühren ihres Sohnes im Landschulheim Ising am Chiemsee. Somit ist dieses Pferd Eigentum des Schulträgers Zweckverband Bayerische Landschulheime. Bei dieser dritten Fassung handelt es sich um die Skulptur, die im Jahr 1939 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München im zentralen Saal zu sehen war – im selben Jahr also, als Thorak die beiden anderen Pferdefiguren Hitler übergab.[21]

2015 wurde in Danzig, 1939 bis 1945 Teil des Deutschen Reichs, eine von Thorak 1942 gestaltete Marmorbüste Adolf Hitlers gefunden. Sie soll im geplanten Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig ausgestellt werden.[22]

Ausstellungen

Rezeption

  • 2016: Bei einer Kunstaktion im Salzburger Kurpark antwortete der Künstler Bernhard Gwiggner mit einer Gegen-Skulptur, zumal die Figur Paracelsus unkommentiert aufgestellt ist und ein Geschenk Thoraks an den Gau Salzburg für die Überlassung des arisierten Schlosses Prielau in Zell am See war.[24]
  • Das digitale Kunstprojekt Memory Gaps ::: Erinnerungslücken[25] von Konstanze Sailer schlug am 1. Februar 2016 vor, die nach Josef Thorak benannte Straße im Salzburger Stadtteil Aigen nach Helene Taussig, einem Opfer der NS-Diktatur, umzubenennen.

Literatur

  • Wilhelm von Bode: Der Bildhauer Joseph Thorak. J. J. Ottens, Berlin-Frohnau 1929.
  • Thorak, Josef. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 33: Theodotos–Urlaub. E. A. Seemann, Leipzig 1939, S. 82–83 (biblos.pk.edu.pl).
  • Werner Rittich: Architektonische Plastik. Zu den Werken von Josef Thorak. In: Die Kunst im Dritten Reich. Bd. 5 (1941), Folge 4, April, S. 100–108.
  • Thorak, Josef. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 4: Q–U. E. A. Seemann, Leipzig 1958, S. 442 (Textarchiv – Internet Archive Leseprobe).
  • Berthold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus – Kunst und Konterrevolution. Hanser, München 1974, ISBN 3-446-11938-8.
  • Georg Bussmann: Kunst im 3. Reich – Dokumente der Unterwerfung. Frankfurter Kunstverein, 1975, 5. Auflage, ISBN 3-927268-06-2.
  • Hermann Hinkel: Zur Funktion des Bildes im deutschen Faschismus. Anabas, Steinbach 1975, ISBN 3-87038-033-0.
  • Reinhard Müller-Mehlis: Die Kunst im Dritten Reich. Heyne 1976, ISBN 3-453-41173-0.
  • Hermann Josef Neumann: Der Bildhauer Josef Thorak (1889–1952). Untersuchungen zu Leben und Werk. Diss. phil., 2 Bände, TU München 1992.
  • Gunhild Reingruber: Josef Thorak. Leben und Werk des umstrittenen Künstlers, mit Berücksichtigung der nach Kriegsende und der posthum geführten Diskussionen. Dipl. phil., Salzburg 1998.
  • Robert Thoms: Große Deutsche Kunstausstellung München 1937–1944. Verzeichnis der Künstler in zwei Bänden, Band II: Bildhauer. Berlin 2011, ISBN 978-3-937294-02-5.
  • Joe F. Bodenstein: Josef Thorak. In: Arno Breker – une biographie. Èditions Séguier, Paris 2016, ISBN 978-2-84049-690-8.
  • Josephine Gabler: Thorak, Josef. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 197 (Digitalisat).
Commons: Josef Thorak – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Taufbuch – 01-138 | 08., Alservorstadtkrankenhaus | Wien/Niederösterreich (Osten): Rk. Erzdiözese Wien | Österreich | Matricula Online. Abgerufen am 2. Juni 2021.
  2. Josef-Thorak-Archiv, EKS, Todesanzeige Salzburg vom 26. Februar 1952.
  3. s. Thorak, Josef. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 4: Q–U. E. A. Seemann, Leipzig 1958, S. 442 (Textarchiv – Internet Archive Leseprobe).
  4. S. Gramlich: Bad Saarow – zwei Künstlerhäuser in der Moorstraße. 23. Mai 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. Juni 2016; abgerufen am 17. Januar 2021.
  5. Josef Thorak: Mädchen. Abbildung im Monatsheft: Deutsche Kunst und Dekoration, 62/1928, S. 120. (abgerufen am 24. April 2016)
  6. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 613.
  7. Andreas Leopold Hofbauer: Über Zeugen und Zucht. Ein Gespräch mit Andreas L. Hofbauer anlässlich seines Vortrages, gehalten am 17. Juni 2009 im Kunstpavillon München. In: TONOS. 14. Januar 2014, abgerufen am 10. Februar 2024.
  8. Artikel in Süddeutsche, abgerufen am 31. Mai 2020.
  9. Artikel und Bilder zum Staatsatelier in Baldham. Abgerufen am 7. März 2023.
  10. Entmachtung der Kunst: Architektur, Bildhauerei und ihre Institutionalisierung 1920 bis 1960. Frölich & Kaufmann, Berlin 1985, ISBN 978-3-88725-183-3.
  11. Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/23050203
  12. Nach NS-belasteten Personen benannte Straßen in der Stadt Salzburg S. 883–939.
  13. Jean Vlug: Vlug Report 25 December 1945. S. 77, 104. (lootedart.com)
  14. https://www.meaus.com/0213-josef-thorak-archiv.htm, abgerufen am 25. Oktober 2019.
  15. Konstantin von Hammerstein: „Braune Meister“. In: Der Spiegel. 22/2015 (23. Mai 2015)
  16. Weitere NS-Kunst aufgetaucht – Zwei Bad Dürkheimer unter Verdacht.
  17. Die Rheinpfalz vom 21. und 22. Mai 2015.
  18. Gemeinsame Presseerklärung der Parteien zum Ergebnis der Vergleichsverhandlungen in dem Rechtsstreit um „Schreitende Pferde“ des Künstlers Josef Thorak vom 26. Juli 2021.
  19. Thorak-Pferde kommen auf der Zitadelle Spandau ins Museum. Bezirksamt Spandau von Berlin, 30. August 2021, abgerufen am 1. April 2022.
  20. fünf plus x. Zitadelle Spandau, 28. Januar 2022, abgerufen am 1. April 2022.
  21. Drittes Pferd im Landschulheim Ising aufgetaucht. Süddeutsche Zeitung vom 7. August 2015.
  22. Thoraks Hitlerbüste in Danzig gefunden. In: orf.at. 5. November 2015, abgerufen am 5. November 2015.
  23. meaus.com
  24. Kunstaktion sorgt für Aufsehen. ORF, Zeit im Bild, 3. Mai 2016.
  25. Memory Gaps ::: Erinnerungslücken
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