Thénardit

Thénardit (ehemals Thenardit) ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (und Verwandte)“. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der Zusammensetzung α-Na2[SO4][3], ist also chemisch gesehen ein wasserfreies Natriumsulfat.

Thénardit
Stufe aus zwei Thénarditkristallen aus dem Soda Lake im Carrizo Plain, San Luis Obispo County, Kalifornien, USA (Größe: 5,2 by 3,3 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2014 s.p.[1]

IMA-Symbol

Thn[2]

Chemische Formel α-Na2[SO4][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (und Verwandte)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/A.07
VI/A.07-010

07.AC.25
28.02.03.01
Ähnliche Minerale Mirabilit
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[4]
Raumgruppe Fddd (Nr. 70)Vorlage:Raumgruppe/70[3]
Gitterparameter a = 9,83 Å; b = 12,30 Å; c = 5,87 Å[3]
Formeleinheiten Z = 8[3]
Zwillingsbildung Durchdringungszwillinge nach {001} und {100}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 bis 3
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,664; berechnet: 2,66[5]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}
Farbe farblos, weiß, weiß-grau, weiß-gelb bis hellbraun, rötlich-weiß
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,471[6]
nβ = 1,477[6]
nγ = 1,484[6]
Doppelbrechung δ = 0,013[6]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = gemessen: 83°; berechnet: 86°[6]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten wasserlöslich, bitterer Geschmack
Besondere Merkmale Fluoreszenz: hellweiß (langwellig), gelb-grün (kurzwellig)

Thénardit entwickelt in der Regel körnige Aggregate und Krusten von weißer Farbe mit einem Stich ins Bläuliche. Auch farbloser Thenardit ist bekannt. Größere Kristalle sind ebenso wie beim Mirabilit selten.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde das Mineral am Salzsee von Espartinas nahe Aranjuez in der spanischen Gemeinde Madrid und beschrieben 1826 durch José Luis Casaseca, der es nach dem französischen Chemiker Louis Jacques Thénard (1777–1826) benannte.[7]

In älteren Publikationen ist der Mineralname in der Schreibweise Thenardit[8][3] (ohne Akut über dem e), was allerdings nicht den Vorgaben zur Mineralbenennung der IMA entspricht[9], nach der beispielsweise bei Mineralen, die nach einer Person benannt wurden, darauf geachtet werden muss, dass die Schreibweise des Namens übernommen wird (Ausnahmen sind lediglich Leerzeichen und Großbuchstaben, die beim Mineralnamen beseitigt werden). Die bei vielen Mineralen uneinheitliche Schreibweise ihrer Namen wurde zunächst mit der 2008 erfolgten Publikation „Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks“[10] bereinigt und unter anderem für den Thénardit 2014 im 20. Newsletter der IMA/CNMNC nachgeholt.[11] Seitdem wird Thénardit international in der Schreibweise mit dem zugehörigen Akut geführt.[12]

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte Thénardit zur Mineralklasse der „Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort zur Abteilung der „Wasserfreien Sulfate ohne fremde Anionen“, wo er zusammen mit Arcanit und Mascagnin eine eigenständige Gruppe bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Thénardit ebenfalls in die Klasse der „Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ und dort in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, ohne H2O“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und großen Kationen“ zu finden ist, als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 7.AC.25 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Thénardit in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ und dort in die Abteilung der „Sulfate“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 28.02.03 innerhalb der Unterabteilung der „Wasserfreien Säuren und Sulfate (A+)2XO4“ zu finden.

Kristallstruktur

Thénardit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Fddd (Raumgruppen-Nr. 70)Vorlage:Raumgruppe/70 mit den Gitterparametern a = 9,83 Å; b = 12,30 Å und c = 5,87 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften

Chemische Eigenschaften

Thénardit ist leicht wasserlöslich und hat einen bitteren Geschmack. Unter feuchten Bedingungen absorbiert er Wasser, wobei er in Mirabilit zerfällt.

Physikalische Eigenschaften

Unter kurzwelligem UV-Licht zeigt er eine weiße und unter langwelligem UV-Licht eine gelb-grüne Fluoreszenz.

Bildung und Fundorte

Pseudomorphose von Thenardit nach Mirabilit aus Boron im Kern County, Kalifornien, USA

Thénardit wird typischerweise in Evaporiten unter ariden Bedingungen gebildet. Weiterhin kommt es als sekundäres Mineral in der Form von Ausblühungen an diversen Gesteinen oder Mineralien vor. Thenardit kommt typischerweise vergesellschaftet mit Blödit, Epsomit, Glauberit, Gips, Mirabilit, Soda und Steinsalz vor. Ein chemisch ähnliches in der Natur vorkommendes Natriumsulfat ist Mirabilit. Hierbei handelt es sich um das entsprechende Decahydrat des Thenardit. Da sich diese Mineralien nur durch die Menge des Kristallwassers unterscheiden, sind die entsprechenden Pseudomorphosen zwischen ihnen möglich.

Als eher seltene Mineralbildung kann Thénardit an verschiedenen Fundorten zum Teil reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er jedoch wenig verbreitet. Als bekannt gelten bisher (Stand: 2011) rund 200 Fundorte.[6]

Bekannte Fundorte sind:

Carrière Francon, Montréal, Québec[13]
Aguas Blancas, Région d'Antofagasta[14]
Avion, Pas-de-Calais, Nord-Pas-de-Calais[15]

Weiterhin kann sich Thénardit als Ausblühungen, wie auch die anderen Sulfate (Pentahydrit, Hexahydrit, Epsomit), an vulkanischen Fumarolen bilden. Bekannte Fundstellen sind der Vesuv und der Ätna in Italien. Über Fumarolentätigkeit abgeschiedenes Thénardit, wurde erstmals 1855 von Scacchi beschrieben. Er bezeichnete das Mineral als Pyrotechnit.[16]

Verwendung

Thénardit ist ein „Normmineral“ zur Beschreibung der chemischen Zusammensetzung von Gesteinen nach der CIPW-Norm.

In der Medizin

Thénardit kann wie auch andere wasserlösliche Sulfate (Bsp.: Mirabilit) als Abführmittel eingesetzt werden.

Siehe auch

Literatur

  • J. L. Casaseca: Thenardite. In: The Annals of Philosophy. Band 12, 1826, S. 312–314 (englisch, online verfügbar bei rruff.info [PDF; 280 kB; abgerufen am 3. März 2019]).
Commons: Thénardite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 366.
  4. David Barthelmy: Thenardite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 11. Oktober 2022 (englisch).
  5. Thénardite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 3. März 2019]).
  6. Thénardite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 3. März 2019 (englisch).
  7. J. L. Casaseca: Analyse d'une nouvelle Substance minérale (la thenardite). In: Annales de chimie et de physique. Band 32. Crochard, 1826, S. 308 (französisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 3. März 2019]).
  8. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 666.
  9. Ernest H. Nickel, Joel D. Grice: The IMA Commission on New Minerals and Mineral Names: Procedures and Guidelines on Mineral Nomenclature. In: The Canadian Mineralogist. Band 36, Nr. 3, 1998, S. 913–926, General Guidelines for Mineral Nomenclature (englisch, cnmnc.main.jp, frei verfügbar auf der Website der IMA/CNMNC [PDF; 336 kB; abgerufen am 29. Mai 2023]).
  10. Ernst A. J. Burke: Tidying up Mineral Names: an IMA-CNMNC Scheme for Suffixes, Hyphens and Diacritical marks. In: Mineralogical Record. Band 39, Nr. 2, 2008 (englisch, online verfügbar bei cnmnc.main.jp [PDF; 2,8 MB; abgerufen am 3. März 2019]).
  11. P. A. Williams, F. Hatert, M. Pasero, S. J. Mills: IMA Commission on new minerals, nomenclature and classification (CNMNC) Newsletter 20. New minerals and nomenclature modifications approved in 2014. In: Mineralogical Magazine. Band 78, 2014, S. 549–558 (englisch, online verfügbar bei rruff.info [PDF; 106 kB; abgerufen am 4. Januar 2021]).
  12. Malcolm Back, William D. Birch, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2014. (PDF 1551 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2014, abgerufen am 3. März 2019 (englisch).
  13. Peter Tarassoff, László Horváth, Elsa Pfenninger-Horváth: Famous mineral localities: The Francon Quarry, Montreal, Quebec, Canada. In: Mineralogical Record. Band 37, Nr. 1, 2006, S. 5–60 (englisch, Inhaltsverzeichnis online verfügbar bei mineralogicalrecord.com [abgerufen am 3. März 2019]).
  14. Charles Palache, Harry Berman, Clifford Frondel: The System of Mineralogy of James Dwight Dana and Edward Salisbury Dana. Band 2. Yale University, New Haven 1951, S. 406 (englisch).
  15. M. Naze-Nancy Masalehdani, Florias Mees, Michel Dubois, Yvan Coquinot, Jean-Luc Potdevin, Michel Fialin, Marie-Madeleine Blanc-Valleron: Condensate minerals from a burning coal-waste heap in Avion, Northern France. In: The Canadian Mineralogist. Band 47, Nr. 3, 2009, S. 573–591, doi:10.3749/canmin.47.3.573 (englisch, online verfügbar bei researchgate.net [PDF; 1,6 MB; abgerufen am 11. Oktober 2022]).
  16. Adolf Kenngott: Uebersicht der Resultate Mineralogischer Forschungen in den Jahren 1856 und 1857. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1859, S. 28 (online verfügbar bei archive.org Internet Archive).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.