The Outrun

The Outrun ist ein Filmdrama von Nora Fingscheidt. Der Film basiert auf den Memoiren von Amy Liptrot, die auf den schottischen Orkney-Inseln geboren wurde und offen über ihre Alkoholabhängigkeit schrieb. Saoirse Ronan spielt im Film ihr Alter Ego Rona. Seine Weltpremiere hatte der Film im Januar 2024 beim Sundance Film Festival. In Europa wurde der Film knapp einen Monat später auf der Berlinale gezeigt.

Handlung

Die Orkney-Inseln würden als Spiegelbild von Ronas innerer Unbeständigkeit dargestellt, so David Ehrlich in seiner Kritik

Nachdem Rona in London ein Leben am Rande des Abgrunds geführt hat und frisch aus der Reha entlassen wurde, kehrt sie auf die schottischen Orkney-Inseln zurück, nachdem sie mehr als ein Jahrzehnt weg war. Ihre Eltern leben getrennt, und Rona zieht bei ihrer Mutter Annie ein. Ihr Vater Andrew, dessen landwirtschaftlicher Betrieb sich in einer finanziellen Notlage befindet, lebt in einem Wohnwagen. Rona hilft ihm daher auf der Schaffarm, wo sie aufwuchs. Dort vermischen sich immer wieder Erinnerungen an ihre Kindheit mit den jüngsten katastrophalen Ereignissen, die sie auf den Weg der Besserung gebracht haben.

Trotz seiner manischen Höhenflüge und seines furchteinflößenden Verhaltens in ihrer Kindheit liebt Rona ihren Vater Andrew, der bipolar ist. Während ihre Mutter Halt in ihrer Religion und die Nähe zu Gott suchte, blieb Rona ihrem Vater immer nahe.

Nach einiger Zeit nimmt Rona einen Job bei der Royal Society for the Protection of Birds an und ist nun damit beschäftigt, jede bewohnte Insel der Orkneys nach Wachtelkönigen abzusuchen, einer einst verbreiteten Vogelart, deren Zahl jedoch stark zurückgegangen ist und die auf die Liste der gefährdeten Tiere gesetzt wurde. Der Job ist eintönig, doch hat Rona dabei viel Zeit zum Nachdenken.

Rona zieht noch weiter nördlich, auf die kleine, abgelegene Insel Papa Westray, wo sie eine Hütte anmietet, und erfährt hier die ausgesprochene Gastfreundlichkeit der Bewohner. Freudig kann Rona ihrer in London lebenden Freundin über Facetime berichten, dass es ihr hier so gut geht wie schon lange nicht mehr geht.[1][2][3]

Produktion

Regie, Drehbuch und Besetzung

„Unter den wirbelnden Rotorblättern eines Helikopters hält eine junge Frau ihr Neugeborenes im Arm, als man sie im Rollstuhl über die Start- und Landebahn des Inselflughafens einem Mann in Zwangsjacke entgegenschiebt, der im Rollstuhl aus der entgegengesetzten Richtung auf sie zugeschoben wird.“

erster Satz des Prologs von Amy Liptrots Memoiren Nachtlichter[4]
Saoirse Ronan spielt in der Hauptrolle Rona

Regie führte Nora Fingscheidt.[5] Das auf Amy Liptrots Memoiren basierende Drehbuch schrieb Fingscheidt gemeinsam mit der Autorin. In einer deutschen Übersetzung von Bettina Münch wurden diese im Jahr 2019 unter dem Titel Nachtlichter im btb Verlag veröffentlicht.[6] Liptrot beschreibt darin, wie sie zu ihrem Elternhaus auf den Orkney-Inseln zurückkehrte, nachdem sie in London Alkoholikerin geworden war.[7] Liptrot wurde für ihre Arbeit 2016 mit dem Wainwright-Preis und 2017 mit dem Ackerley-Preis des PEN-Zentrums ausgezeichnet.

Der englische Begriff „Outrun“, der Titel von Buch und Film, bezieht zum einen auf abgelegene Weideflächen in der Landwirtschaft, wie sie auf den Orkney-Inseln zu finden sind[3], gleichzeitig aber auch auf das Verb „outrun“, etwas „hinter sich lassen“.

Saoirse Ronan spielt in der Hauptrolle Liptrots Alter Ego Rona. Sie ist neben Dominic Norris, Jack Lowden und Sarah Brocklehurst auch eine der Produzentinnen des Films. Paapa Essiedu spielt Ronas Exfreund Daynin.[2] In weiteren Rollen sind Stephen Dillane als Ronas Vater Andrew, Saskia Reeves als ihre Mutter Annie und Lauren Lyle als Julie zu sehen.[8]

Filmförderung, Dreharbeiten und weitere Elemente

Der Film erhielt Produktionsförderungen von der Filmförderungsanstalt in Höhe von 350.000 Euro, von der Film- und Medienstiftung NRW und der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein jeweils in Höhe von 150.000 Euro und vom Medienboard Berlin-Brandenburg in Höhe von 300.000 Euro.[9][10][11][12] Von der Filmförderungsanstalt erhielt der Film eine Verleihförderung in Höhe von 150.000 Euro.[13]

Die Dreharbeiten wurden im Juli 2022 auf den Orkney-Inseln begonnen und im September 2022 beendet.[14][15] Aufnahmen entstanden dort auch an den Originalorten aus Liptrots Kindheit, so in dem kleinen Häuschen, in dem sie zwei Jahre überwintert hat.[16] Weitere Aufnahmen entstanden in England.[16] Als Kameramann fungierte der Schweizer Yunus Roy Imer, mit dem Fingerscheidt bereits für Systemsprenger zusammenarbeitete.

Der Film arbeitet mir Rückblenden in die Zeit von Rona als Studentin vor dem Absturz und in ihrer Kindheit, für den Zuschauer an Ronas veränderter Haarfarbe erkennbar, dokumentarischem Material, Fotografien bis hin zu animierten Sequenzen zur Darstellung von Ronas Gefühls- und Gedankenwelt.[3][17]

Filmmusik und Veröffentlichung

Die Filmmusik komponierten der Saxophonist John Gürtler und der deutsche Jazzmusiker Jan Miserre, die zuletzt gemeinsam für Filme wie Die Adern der Welt von Byambasuren Davaa, A Pure Place von Nikias Chryssos und Leere Netze von Behrooz Karamizade tätig waren.[18]

Die Weltpremiere fand am 19. Januar 2024 beim Sundance Film Festival statt.[19] Die europäische Premiere erfolgte im Februar 2024 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin. Dort wurde The Outrun in die Sektion Panorama aufgenommen.[20] Am 29. Februar 2024 eröffnete The Outrun das Luxembourg City Film Festival.[21]

Rezeption

Kritiken

Von den bei Rotten Tomatoes aufgeführten Kritiken sind 86 Prozent positiv bei einer durchschnittlichen Bewertung mit 7,7 von 10 möglichen Punkten.[22] Bei Metacritic erhielt der Film einen Metascore von 69 von 100 möglichen Punkten.[23]

Regisseurin Nora Fingscheidt

David Ehrlich von IndieWire schreibt in seiner Kritik, der Film erzähle eine Geschichte über die menschliche Fähigkeit zur Transformation, auch wenn sich Rona nur in sich selbst verwandele. Würden die Orkney-Inseln zunächst als Spiegelbild von Ronas innerer Unbeständigkeit dargestellt, werde Rona irgendwann auch zum Spiegelbild der ewigen Beharrlichkeit der Inseln, eine Umkehrung, die sich bereits in dem autobiografischen Roman von Amy Liptrot finde. Auch wenn der Zuschauer wisse, dass Rona irgendwann einen Rückfall erleiden wird, spiele Regisseurin Nora Fingscheidt in The Outrun diesen Moment nicht aus und zeige diesen ohne Freude an dieser Unvermeidlichkeit. Der Film nutze den Rückfall vielmehr als Einladung für Rona, in sich eine neue Stärke zu entdecken, anstatt ihn als einen Moment der Schwäche darzustellen.[8]

Caspar Boehme schreibt in seiner Kritik in der taz, die Energie von The Outrun entstehe zum Teil durch die oft heftigen Schnitte quer durch die verschiedenen Stationen in Ronas Entwicklung. Vor allem aber sei es Saoirse Ronans Fähigkeit, ihre Figur in einer Weise zerrissen zu zeigen, die verschreckend und einnehmend zugleich ist. Fingscheidt verstehe sich darauf, ihre Darstellerinnen an heikle Punkte zu führen, und gegenüber Systemsprenger habe sie ihren Ansatz noch einmal verfeinert.[24]

Roland Meier erklärt in seiner Kritik bei outnow.ch, die von Ronan mit brachialer Entrücktheit gespielte Rona sei dem Kind aus Fingscheids Systemsprenger wesensverwandt, und er beschreibt sie als „eine unsympathische Figur, der man gezwungenermassen folgt, weil der Plot es so will, in einer schwer fassbaren Geschichte mit vielen Zeitsprüngen.“ Amy Liptrot habe zusammen mit Fingerscheidt ihre Erzählung raffiniert auf die Leinwand gebracht, und sie würden dabei auch Fragen zum Begriff Heimat aufwerfen: „Verliert man das Gefühl für sie, wenn man sie verlässt, oder nimmt man die Probleme mit, wohin man auch geht?“[25]

Auszeichnungen

Internationale Filmfestspiele Berlin 2024

Literatur

  • Amy Liptrot: The Outrun. Canongate Books, 2016. ISBN 978-1-78211-549-6
    • Nachtlichter. Deutsche Übersetzung von Bettina Münch, btb Verlag, 2019. ISBN 978-3-442-71841-2

Einzelnachweise

  1. 2024 Sundance Film Festival Announces 91 Projects Selected for the Feature Films, Episodic, and New Frontier Lineup for 40th Edition. In: rogerebert.com, 6. Dezember 2023.
  2. Tim Grierson: 'The Outrun': Sundance Review. In: screendaily.com, 20. Januar 2024.
  3. David Rooney: 'The Outrun' Review: Saoirse Ronan Is a Turbulent Force as a Recovering Alcoholic Finding Strength in Nature. In: The Hollywood Reporter, 19. Januar 2024.
  4. Leseprobe: 'Nachtlichter'. In: bic-media.com. Abgerufen am 8. Dezember 2023.
  5. K.J. Yossman: Saoirse Ronan Set to Star in Adaptation of Alcoholism Recovery Memoir 'The Outrun'. In: Variety, 31. Januar 2022.
  6. Nachtlichter. In: penguin.de. Abgerufen am 26. Dezember 2023.
  7. The Outrun. In: lehmanns.de. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  8. David Ehrlich: 'The Outrun' Review: Saoirse Ronan Shines in a Windswept Recovery Drama Set on the Scottish Isles. In: indiewire.com, 19. Januar 2024.
  9. FFA unterstützt Nora Fingscheidts „The Outrun“ und Family Entertainment. In: Blickpunkt:Film, 3. Mai 2022.
  10. „The Outrun“ von Nora Fingscheidt. In: filmstiftung.de. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  11. Serienpower aus Hamburg. In: moin-filmfoerderung.de, 15. Februar 2022.
  12. https://www.medienboard.de/fileadmin/user_upload/Foerderentscheidungen/Film/Foerderzusagen_April_2022.pdf
  13. Jochen Müller: FFA: 600.000 Euro Verleihförderung für „Chantal im Märchenland“. In: Blickpunkt:Film, 19. März 2024.
  14. Brian Ferguson: Hollywood star Saoirse Ronan heads for Orkney for adaptation of recovery memoir The Outrun. In: scotsman.com, 1. Februar 2022.
  15. Excitement as film crew arrives in Orkney. In: orkney.com, 25. August 2022.
  16. Nora Fingscheidt: Filmemacherin mit „Vorliebe für Antihelden“. In: ndr.de, 7. Dezember 2023.
  17. Sophia Zessnik: Berlinale-Film „The Outrun“: Suche nach dem Wachtelkönig. In: taz.de. 16. Februar 2024, abgerufen am 7. März 2024.
  18. John Gürtler & Jan Miserre Scoring Nora Fingscheidt’s 'The Outrun'. In: filmmusicreporter.com, 26. Dezember 2023.
  19. The Outrun. In: festival.sundance.org, 13. Dezember 2023.
  20. The Outrun. In: berlinale.de. Abgerufen am 14. Dezember 2023.
  21. Céline Coubray: LuxFilmFest 2024 lineup announced. In: delano.lu, 7. Februar 2024.
  22. The Outrun. In: Rotten Tomatoes. Abgerufen am 18. Februar 2024.
  23. The Outrun. In: Metacritic. Abgerufen am 19. März 2024.
  24. Sophia Zessnik: Berlinale-Film „The Outrun“: Suche nach dem Wachtelkönig. In: taz.de. 16. Februar 2024, abgerufen am 7. März 2024.
  25. https://outnow.ch/Movies/2024/Outrun/Review/
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