Teilsatz

Unter Teilsatz versteht man jeden einfachen Hauptsatz oder Nebensatz, der als Bestandteil in einem größeren Satzgefüge, oder auch einer Satzperiode, enthalten ist. Somit ist also jeder Nebensatz ein Teilsatz des größeren Gefüges, zusätzlich aber auch Hauptsätze, die durch Beiordnung (z. B. und, aber, denn) angeschlossen werden, und Parenthesen (eingeschobene Sätze).

Ein Beispiel

„Jede Summe könne man derzeit verlangen, sagt einer von ihnen, wenn man den Menschen nur den Ärger mit dem Fiskus erspare.“ (Zitat aus Der Spiegel; Nr. 26, 2008, S. 55) Dieser komplexe Satz, ein Satzgefüge, besteht aus drei Teilsätzen, deutlich markiert durch die Kommata.

Kriterium für Teilsatz

Teilsatz eines Satzes kann nur eine solche Wortfolge sein, die den Mindestanforderungen für Satz weitgehend genügt. Dazu müssen etwa im Deutschen typischerweise Subjekt und Prädikat vorhanden sein sowie die Erweiterungen, die das Prädikat erforderlich macht. Einschränkungen sind insofern zugelassen, als auch Ellipsen als satzförmig gelten. In der praktischen Arbeit wird Teilsatz in vielen Fällen näherungsweise durch eine einfache Anweisung – operational – definiert: Ein Satz hat dann so viele Teilsätze (in der Quantitativen Linguistik gern mit dem aus dem Englischen übernommenen Begriff Clause bezeichnet), wie er finite Verben (= Verben in einer Personalform) aufweist.[1] Wendet man dieses Kriterium auf den Beispielsatz des vorigen Abschnitts an, so werden mit den finiten Verben „könne“, „sagt“ und „erspare“ die drei Teilsätze bestimmt. Diese Methode gilt jedoch nur näherungsweise, weil manche Infinitivkonstruktionen ebenfalls den Status von Nebensätzen haben (siehe unter Nebensatz#Infinitivsätze).

Linguistische Bedeutung der Teilsätze

So wie andere sprachliche Einheiten auch tragen Teilsätze aufgrund ihrer Art, Komplexität und Häufigkeit zur stilistischen Charakteristik von Texten bei.[2] In der Quantitativen Linguistik stehen zwei Aspekte im Vordergrund: die Häufigkeit, mit der Teilsätze unterschiedlicher Länge in Texten vorkommen (Verteilung der Teilsatzlängen)[3] und das Verhältnis der Satzlänge zur Teilsatzlänge oder auch das der Teilsatzlänge zu der der Länge der Konstituenten (Bestandteile) der Teilsätze (vor allem: Phrasen, Satzglieder, Wörter). Statt mit Teilsätzen wird dabei bisweilen mit dem verwandten Konzept der Clauselänge gearbeitet.

Als Beispiel seien die Daten dargestellt, die anhand von Lehrbüchern der Medizin gewonnen wurden; die Teilsatzlängen sind darin ebenso wie auch bei einigen anderen Textklassen entsprechend der positiven negativen Binomialverteilung vertreten. Die Daten stammen aus Schefe (1975); die Anpassung der Verteilung aus Best (2006):

x n(x) NP(x)
2 33 33.00
3 218 234.79
4 172 158.68
5 105 95.81
6 58 54.41
7 22 29.72
8 13 15.81
9 10 8.24
10 und mehr 8 8.54

In der Tabelle ist x: Zahl der Teilsätze je Satz, n(x) die in dem ausgewerteten Korpus beobachtete Zahl der Sätze der Länge x; NP(x) die Zahl der Sätze der Länge x, die berechnet wird, wenn man die positive negative Binomialverteilung an die beobachteten Daten anpasst. Der Test ergibt mit P = 0.27, dass die positive negative Binomialverteilung ein gutes Modell für die beobachteten Daten ist. Das Ergebnis eines solchen Tests wird als gut bewertet, wenn P ≥ 0.05 ist, was in diesem Fall zutrifft. Für ausführlichere Erläuterungen sei auf die angegebene Literatur verwiesen.[4]

Entwicklung der Längen von Teilsätzen

Ebenso wie die Wortlänge und die Satzlänge ist die Länge von Teilsätzen eine Größe, die sich im Lauf der Zeit ändert. In deutschsprachigen wissenschaftlich-technischen Texten zwischen 1770 und 1940 gibt es einen Trend, bei dem die Teilsatzlängen so wie die Satzlängen auch zunächst zu- und von 1850 an wieder abnehmen, wie Möslein feststellte. Als Teilsätze fasst der Autor Haupt- und Nebensätze, aber auch Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen auf.[5] Diese Veränderungen im Sprachgebrauch folgen dem Piotrowski-Gesetz in seiner Form für den reversiblen Sprachwandel, wie die folgende Tabelle zeigt.[6]

t Zeitpunkt Wörter pro Teilsatz (beobachtet) Wörter pro Teilsatz (berechnet)
1 1770 9,4 9,70
4 1800 11,3 11,03
9 1850 12,7 12,51
14 1900 11,8 12,18
16 1920 11,4 11,55
18 1940 11,1 10,74
20 1960 11,9 -

(Erläuterung: t ist der für die Berechnung nach Jahrzehnten durchnummerierte Zeitabschnitt. Passt man an die beobachteten Daten bis 1940 das Piotrowski-Gesetz in der Form für den reversiblen Sprachwandel[7] an, so ergeben sich die angegebenen berechneten Werte. Der Zeitpunkt 1960 bleibt unberücksichtigt, weil aufgrund der Datenlage unklar ist, ob sich hier eine Trendwende andeutet oder ob es sich lediglich um einen „Ausreißer“ handelt. Die Anpassung des Modells ergibt einen Determinationskoeffizienten von C = 0,92, wobei C als gut erachtet wird, wenn es größer/gleich 0,80 ist. Für ausführlichere Erläuterungen sei auf die angegebene Literatur verwiesen.)

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. J. B. Metzler, Stuttgart u. a. 2010, ISBN 978-3-476-02335-3.
  • Wilfried Kürschner: Grammatisches Kompendium. Systematisches Verzeichnis grammatischer Grundbegriffe. 3., vermehrte und bearbeitete Auflage. Francke, Tübingen u. a. 1997, ISBN 3-8252-1526-1, S. 216–220 (UTB für Wissenschaft. Uni-Taschenbücher. Linguistik 1526).
Wiktionary: Teilsatz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. Brigitta Niehaus: Untersuchung zur Satzlängenhäufigkeit im Deutschen. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Glottometrika 16. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1997, S. 213–275. Zu „Clause“: S. 221. ISBN 3-88476-276-1.
  2. So bei Peter Schefe: Statistische syntaktische Analyse von Fachsprachen mit Hilfe elektronischer Rechenanlagen am Beispiel der medizinischen, betriebswirtschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Fachsprache im Deutschen. Kümmerle, Göppingen 1975, ISBN 3-87452-293-8. (Erweiterte und überarbeitete Fassung der Dissertation.)
  3. Karl-Heinz Best: Verteilung von Phrasen- und Subsatzlängen in deutscher Fachsprache. In: Naukovyj Visnyk Černivec’koho Universytetu: Herman’ska filolohija. Vypusk 319–320, 2006, S. 113–120.
  4. Zum Beispiel: Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2006, ISBN 3-933043-17-4, S. 27ff.
  5. Kurt Möslein: Einige Entwicklungstendenzen in der Syntax der wissenschaftlich-technischen Literatur seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. In: Walther von Hahn (Herausgeber): Fachsprachen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, Seite 276–319, zu Teilsätzen Seite 304. ISBN 3-534-07141-7. Erstveröffentlichung 1974.
  6. Karl-Heinz Best: Satzlängen im Deutschen: Verteilungen, Mittelwerte, Sprachwandel. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 7, 2002, Seite 7–31, zur Entwicklung der Teilsatzlängen Seite 26f. Tabelle für diese Darstellung leicht korrigiert.
  7. Gabriel Altmann: Das Piotrowski-Gesetz und seine Verallgemeinerungen. In: Karl-Heinz Best, Jörg Kohlhase (Hrsg.): Exakte Sprachwandelforschung. Theoretische Beiträge, statistische Analysen und Arbeitsberichte (= Göttinger Schriften zur Sprach- und Literaturwissenschaft. Bd. 2). edition herodot, Göttingen 1983, ISBN 3-88694-024-1, Seite 54–90, zum reversiblen Sprachwandel: Seite 78ff.
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