Technische Hochschule Georg Agricola

Die Technische Hochschule Georg Agricola (THGA, früher u. a. FH Bergbau und TFH Bochum) ist eine staatlich anerkannte private Fachhochschule mit Sitz in Bochum. Sie wurde 1816 als Bergschule zur Ausbildung von Steigern und mittleren Grubenbeamten gegründet und entwickelte sich im 20. Jahrhundert zunächst zur Ingenieurschule und später zur Fachhochschule. Seit 1995 führt sie den Namen des Universalgelehrten und Bergbaupioniers Georgius Agricola.

Technische Hochschule Georg Agricola
Gründung 1816
Trägerschaft privat
Ort Bochum
Bundesland Nordrhein-Westfalen
Land Deutschland
Präsidentin Prof. Susanne Lengyel[1]
Studierende 2.242 (SS 2023)
Mitarbeiter 303
davon Professoren 35
Website www.thga.de

Die THGA bietet heute 14 Bachelor- und Master-Studiengänge in den Bereichen Georessourcen und Verfahrenstechnik, Maschinenbau, Materialwissenschaften, Elektro- und Informationstechnik sowie Wirtschaftsingenieurwesen an. Im Sommersemester 2022/2023 waren 2325 Studierende an der THGA eingeschrieben, von denen rund 49 % ein berufsbegleitendes Teilzeit-Studium absolvieren.[2]

Ein Schwerpunkt der THGA liegt auf der Erforschung des Nachbergbaus.

Geschichte

Hauptgebäude der THGA Bochum
Treppenhaus der Hochschule „Georg Agricola“

Die heutige Hochschule wurde 1816 auf Anordnung des Preußischen Oberbergamtes als „Märkische Bergschule“ in Bochum gegründet. Ihre Aufgabe war es, Steiger und andere Grubenbeamte für den aufstrebenden Ruhrbergbau auszubilden.[3]

1864 übernahm die neugegründete Westfälische Berggewerkschaftskasse (WBK) die Trägerschaft der Schule.[4] Unter der Leitung von Hugo Schultz nahm die Bochumer Bergschule ab 1868 einen großen Aufschwung: Die Schülerzahl verdoppelte sich bis zur Jahrhundertwende auf über 100, so dass 1899 ein neues Schulgebäude bezogen wurde, das auch die Laboratorien der WBK-Forschungseinrichtungen aufnahm.[5] Neben der Steigerausbildung übernahm die Bergschule damals weitere Aufgaben wie z. B. das Anfertigen von Flözkarten oder das Durchführen wissenschaftlicher Untersuchungen. Aus den wissenschaftlichen und technischen Sammlungen der Schule entstand 1930 das Deutsche Bergbau-Museum Bochum.[6]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich das Ausbildungsprofil der Schule unter dem Eindruck der 1958 einsetzenden Kohlekrise: Während einerseits der Bedarf an klassisch ausgebildeten Bergleuten sank, stieg andererseits die Nachfrage nach höheren Qualifikationen. 1963 wurde die Bergschule daher zunächst zur Ingenieurschule für Bergwesen, 1971 folgte die Umwandlung zur Fachhochschule Bergbau (FH Bergbau).

Ehemaligen Absolventen der vormaligen Bergschule wurde 1971 die Berechtigung zum Tragen des Titels „Berg-Ingenieur grad.“ verliehen. Von 1981 an wurde den Absolventen ein Diplom ausgestellt, das sie zum Tragen der Bezeichnung „Diplom-Ingenieur“ berechtigte.[7]

1995 wurde die bisherige FH Bergbau in Technische Fachhochschule Georg Agricola umbenannt. 2006 wurde eine neue Präsidialverfassung eingeführt, ein Jahr später wurden im Zuge der Bologna-Reformen sämtliche Diplomstudiengänge auf das gestufte Bachelor-Master-System umgestellt. Pläne der damaligen NRW-Landesregierung, die TFH mit der staatlichen Fachhochschule Bochum zu fusionieren, wurden nach Studentenprotesten 2012 abgewendet.[8] Mit Unterstützung der RAG-Stiftung wurden das Forschungszentrum Nachbergbau gegründet und neue Studiengänge eingerichtet.

Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums im April 2016 erfolgte schließlich eine weitere Umbenennung in Technische Hochschule Georg Agricola.[9]

Organisation

Träger der Hochschule ist seit dem 1. Januar 1990 die DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH (DMT-LB), die zusammen mit der Stadt Bochum auch das benachbarte Deutsche Bergbau-Museum unterhält. Die DMT-LB entstand 1990 als eine von zwei Tochtergesellschaften des Vereins Deutsche Montan Technologie für Rohstoff, Energie und Umwelt e. V. (DMT), der wiederum aus der Fusion der Westfälischen Berggewerkschaftskasse mit einer Reihe von ähnlichen Organisationen hervorging, um die Bildungs- und Forschungsaktivitäten des gesamten deutschen Steinkohlebergbaus zu bündeln.[10]

Geleitet wird die THGA von einem sechsköpfigen Präsidium, dem neben dem Präsidenten ein Vizepräsident für Haushalt und Verwaltung sowie drei Akademische Vizepräsidenten angehören, die jeweils einen Wissenschaftsbereich vertreten, aber auch für ein übergreifendes Aufgabengebiet (Studium, Forschung, Hochschulentwicklung) zuständig sind.[11]

Wissenschaftsbereiche & Studienangebot

Die THGA gliedert sich in drei Wissenschaftsbereiche, die derzeit insgesamt acht Bachelor- und sechs Master-Studiengänge anbieten. Studium und Lehre sind praxisnah ausgerichtet; rund 80 Prozent der Abschlussarbeiten behandeln ein Thema aus dem Unternehmensumfeld. Die meisten Studiengänge können auch berufsbegleitend studiert werden. Die Masterstudiengänge können seit 2018 zusätzlich mit dem Titel „Europa Ingenieur“ (EUR ING) abgeschlossen werden.[12]

Ingenieurstudenten am Forschungszentrum Nachbergbau

WB1: Georessourcen und Verfahrenstechnik

Bachelor-Studiengänge

Master-Studiengänge

  • Geoingenieurwesen und Nachbergbau (M. Eng.)
  • Mineral Resource and Process Engineering (M. Sc.)

WB2: Maschinenbau und Materialwissenschaften

Bachelor-Studiengänge

  • Angewandte Materialwissenschaften (B. Eng.)
  • Maschinenbau (B. Eng.)

Master-Studiengang

  • Maschinenbau (M. Sc.)

WB3: Elektro-/Informationstechnik und Wirtschaftsingenieurwesen

Bachelor-Studiengänge

Master-Studiengänge

Forschungszentrum Nachbergbau

Bohrkernprüfung in einem FZN-Labor

Das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN; engl. Research Institute of Post-Mining) wurde 2015[14] mit finanzieller Unterstützung der RAG-Stiftung gegründet und wird aus Landes- und EU-Mitteln gefördert.[15] Als bisher weltweit einziges Forschungszentrum seiner Art forscht es zu den sogenannten Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlenbergbaus (Grubenwassermanagement, Sanierung stillgelegter Bergwerke), zur Umnutzung einstiger Bergbauflächen für Gewerbe- und Erholungszwecke und zu den Entwicklungspotentialen ehemaliger Bergbaureviere.[16] Dazu gehört auch die Entwicklung moderner Monitoringsysteme für Bergbaufolgen, etwa durch spezielle Tiefseesonden und Fernerkundungsdaten. In einer eigenen Datenbank soll das gesammelte Wissen aus Bergbau und Nachbergbau zugänglich gemacht werden. Das interdisziplinäre Team setzt sich aus Experten aus Bergbau, Geologie, Geotechnik, Hydrogeologie, Elektro- und Informationstechnik sowie Markscheidewesen zusammen.[15]

Für Studierende wird der weltweit bisher einzigartige Master-Studiengang Geoingenieurwesen und Nachbergbau angeboten, eine Kombination aus Naturwissenschaft und Technik. Thematisch reicht das Spektrum des Studiengangs von der Gebirgsmechanik über Lagerstättenkunde bis hin zu Hydrologie, Vermessung und rechtlichen Fragen.

Wissenschaftlicher Leiter des FZN ist Christian Melchers. Zudem verfügt das FZN über eine von der RAG-Stiftung finanzierte Stiftungsprofessur für „Geomonitoring im Alt- und Nachbergbau“. Sie wird seit Mai 2019 von Tobias Rudolph besetzt.[17]

Kooperationen

Die THGA kooperiert in zahlreichen Projekten mit Partnern außerhalb der Hochschullandschaft. Sie unterstützt zum Beispiel Initiativen, die sogenannte „Studienpioniere“ für eine akademische Ausbildung begeistern sollen.[18] Seit 2016 gibt es ein spezielles Studienprogramm für Flüchtlinge, das Spracherwerb, fachliche Qualifikation und Integration verbindet.[19] Das Programm wird vom DAAD und der RAG-Stiftung gefördert und in enger Kooperation mit den regionalen Jobcentern durchgeführt. 2017 wurde ein Competence Empowerment Center (CEC) zur berufsbezogenen Weiterbildung und Integration eingerichtet. Der Anteil von Menschen mit Fluchthintergrund lag 2017 an der THGA bei 5,2 Prozent.

Die THGA ist Gründungsmitglied des Dual Career Netzwerk Ruhr (DCN Ruhr), das Partner von neu berufenen Wissenschaftlern bei ihrer beruflichen Orientierung in der Region unterstützt. Das DCN wird vom Mercator Research Center Ruhr (MERCUR) koordiniert.[20][21] Seit 2017 beteiligt sich die THGA am Landesprogramm „Karrierewege FH-Professur“. Teilnehmer können über einen Förderzeitraum von drei Jahren berufspraktische Erfahrungen außerhalb des Hochschulbereichs sowie Lehr- und Forschungserfahrungen im Fachhochschulkontext miteinander kombinieren. Dabei sind sie zeitgleich an einer programmführenden Hochschule und in einem externen Unternehmen tätig. Im Pilotprojekt Hidden Champions³ werden Meister, Techniker und ähnliche Fachkräfte in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit Hilfe eines Teilzeit-Studiums neben dem Beruf zu Fach- und Führungskräften qualifiziert.

Die THGA beteiligt sich zudem am Netzwerk UniverCity Bochum, das die Identifikation der Bochumer mit den wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt fördern soll. Zu dem Verbund gehören die neun Hochschulen der Stadt Bochum, das Akademische Förderungswerk (AKAFÖ), die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet, das Deutsche Bergbau-Museum und die Bochum Marketing GmbH.[22]

Literatur

  • Jürgen Kretschmann, Stephan Düppe (Hrsg.): 1816–2016. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola. Deutsches Bergbau-Museum Bochum 2016, ISBN 978-3-937203-78-2
  • Das Wissensrevier. 150 Jahre Bergbauforschung und Ausbildung bei der Westfälischen Berggewerkschaftskasse/DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung. Deutsches Bergbau-Museum Bochum 2014. 2 Bände ISBN 978-3-937203-69-0 und ISBN 978-3-937203-72-0
Commons: Technische Hochschule Georg Agricola – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Prof. Susanne Lengyel. In: TH Georg Agricola. Abgerufen am 5. Dezember 2022.
  2. Zahlen und Fakten - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.
  3. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola, S. 18.
  4. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola, S. 36 f.
  5. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola, S. 60 f.
  6. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola, S. 94 ff.
  7. Klaus Pirsig: Bergschule. In: Ring Deutscher Bergingenieure - Bezirksverein Recklinghausen. 21. Dezember 2005, abgerufen am 7. August 2022.
  8. Die Geschichte der Technischen Hochschule Georg Agricola, S. 166 f.
  9. Technische Hochschule Georg Agricola feiert Jubiläum: 200 Jahre Lehre und Forschung in Bochum - TH Georg Agricola. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. März 2019; abgerufen am 23. August 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thga.de
  10. Festschrift S. 160. Vgl. auch https://www.dmt-lb.de/dmt-lb/geschichte/
  11. Präsidium - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.
  12. THGA goes Europe: Kooperation mit dem DVT ermöglicht Abschluss zum „Europa Ingenieur“ - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.
  13. Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen in Bochum. Abgerufen am 13. Juli 2023.
  14. Christopher Onkelbach: Erstes Forschungszentrum zum Nachbergbau in Bochum eröffnet. In: derwesten.de. 25. Oktober 2015, abgerufen am 23. August 2019.
  15. Forschungszentrum Nachbergbau. In: thga.de. Abgerufen am 23. August 2019.
  16. THGA macht junge Ingenieure fit für die Zukunft. In: Westfälische Rundschau. 12. Juni 2017, abgerufen am 23. August 2019.
  17. IGP - Applied Geology - Tobias RUDOLPH, Dr. (Geologie der KW-Lagerstätten). Abgerufen am 23. August 2019.
  18. Gesellschaftliches Engagement/ Third Mission - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.
  19. Flüchtlingsinitiative - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.
  20. Dual Career Network Ruhr - Netzwerk. Abgerufen am 23. August 2019.
  21. Das Ruhrgebiet zieht im Wettbewerb um die besten Köpfe an einem Strang. Abgerufen am 23. August 2019.
  22. UniverCity Bochum - TH Georg Agricola. Abgerufen am 23. August 2019.

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