Taurobolium
Als Taurobolium wurde im antiken Rom das rituelle Opfern eines Stiers im Kybelekult bezeichnet.
Es war seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. bekannt.[1] Ursprünglich diente es dazu, die Lebenskraft des Opfertiers zu übertragen.[2] Im vierten Jahrhundert wurde es dann mit Vorstellungen von Weihe[3] und Wiedergeburt[4] verknüpft.
Das Taurobolium wird oft als eine kunstvolle Zeremonie dargestellt, in der sich der Stier auf einem Holzgitter befand und der zu Weihende darunter in einer Grube, so dass er während der Opferung vom Blut des Opfertiers durchnässt wurde. Diese Beschreibung beruht im Wesentlichen auf einem christlichen Märtyrergedicht des Prudentius im Liber Peristephanon:[2]
- Durch die tausend Ritzen des Holzes rinnt der blutige Tau in die Grube. Der Geweihte bietet sein Haupt all den blutigen Tropfen dar, er setzt seine Kleider und seinen ganzen Körper aus, die sie besudeln. Er beugt sich rücklings, damit sie seine Wangen, seine Ohren, seine Lippen, seine Nase treffen; er benetzt seine Augen mit dem Nass, ja er schont nicht einmal seinen Gaumen, sondern fängt das schwarze Blut mit der Zunge auf und trinkt es gierig.[5]
Da das Ritual hier als eine Art pervertierter Taufe erscheint, ist die Zuverlässigkeit dieser Quelle mit Vorsicht zu bewerten.[6]
In einer Inschrift auf dem Taurobolium-Altar von Lyon aus dem Jahr 160 wird auf einen Mons Vaticanus Bezug genommen, zu dem die abgetrennten Hoden des Stieres gebracht wurden. Auch auf dem Vatikan unter dem Petersdom in Rom wurden Inschriften von Taurobolien gefunden, und in einer Inschrift aus Mainz-Kastel, dem antiken Mogontiacum, wird berichtet, dass im Jahr 236 das Kollegium der hastiferi („Speerträger“) einen eingefallenen Vatikanberg (montem Vaticanum vetustate conlabsum) wiederhergestellt habe. Unklar bleibt, worum genau es sich bei diesen anscheinend mit dem Taurobolium bzw. dem Kult der Kybele verknüpften Vatikanbergen gehandelt hat, d. h. ob es sich um künstliche Hügel, Grottenheiligtümer, Bauwerke oder eine Art Tempel gehandelt hat.[7]
Das analoge Ritual, bei dem statt eines Stieres ein Widder geopfert wird, bezeichnet man als Kriobolium.
Literatur
- Robert Duthoy: The Taurobolium, its Evolution and Terminology. Études préliminaires aux religions orientales dans l'Empire romain Bd. 10. Brill, Leiden 1969
- Neil McLynn: The Fourth-Century „taurobolium“. In: Phoenix, Bd. 50, Nr. 3/4 (Herbst – Winter, 1996), S. 312–330
- Clifford Herschel Moore: On the Origin of the Taurobolium. In: Harvard Studies in Classical Philology, Bd. 17, (1906), S. 43–48
- Vecihi Özkaya: The Shaft Monuments and the „Taurobolium“ among the Phrygians. In: Anatolian Studies, Bd. 47, (1997), S. 89–103
- Jeremy B. Rutter: The Three Phases of the Taurobolium. In: Phoenix 22 (1968), S. 226–249.
- Dietrich Wachsmuth: Taurobolium. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 543 f.
Weblinks
Einzelnachweise
- Robert Duthoy: The Taurobolium, its Evolution and Terminology, Brill, Leiden 1969, nach einer Rezension von Michel Meslin, in: Archives des sciences sociales des religions 32 (1971), S. 227.
- Nicholas Temple: Baptism and sacrifice: cosmogony as private ontology, in: Architectural Research Quarterly 8 (2004), S. 47.
- Martin P. Nilsson: Geschichte der griechischen Religion. Zweiter Band: Die hellenistische und römische Zeit, Beck, München 1950 (Nachdruck 1988), S. 654.
- Dirk Steuernagel: Kult und Alltag in römischen Hafenstädten: Soziale Prozesse in archäologischer Perspektive, Steiner, Stuttgart 2004, ISBN 3-515-08364-2, S. 232.
- Prudentius Peristephanon X.1006-1050. Übersetzung nach F. Cumont: Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum. 2. Aufl. 1914, S. 79
- Mary Beard: The Roman and the Foreign: The Cult of the „Great Mother“ in Imperial Rome. In: Nicholas Thomas, Caroline Humphrey (Hrsg.): Shamanism, History, and the State (1996), S. 172–173.
- Roland Gschlössl: Im Schmelztiegel der Religionen. Göttertausch bei Kelten, Römern und Germanen. von Zabern, Mainz 2006, ISBN 978-3-8053-3655-0, S. 59